Hotelkritik-Serie "Frisch bezogen":Kein Platz für Merkel

Vom Hotel Petersberg bei Bonn blickt man über das Rheintal.

Vom Hotel aus reicht der Blick weit über den Rhein.

(Foto: Arno Stetten)

Grandhotel mit Geschichte: Das ehemalige Gästehaus der Bundesregierung am Petersberg wurde aufwendig renoviert. Mit den einstigen Privilegien für Staatsgäste ist es allerdings vorbei.

Von Jana Stegemann

Als die Regierungsmaschine mit Angela Merkel an Bord wegen eines technischen Defekts auf dem Weg zum G-20-Gipfel im vergangenen November umkehren und in Köln/Bonn notlanden muss, klingelt spätabends im Steigenberger Grandhotel & Spa das Telefon. Ob es kurzfristig Zimmer für die Kanzlerin und ihre Delegation gäbe? "So gerne wir die Kanzlerin als Gast bei uns im Haus gehabt hätten, wir mussten absagen", sagt Hannah Meyer-Berhorn. Durch die Renovierung stand damals nur die Hälfte der Zimmer zur Verfügung, und fast alle waren belegt. "Wir können ja nicht bei den Gästen klopfen und sagen: Tut uns leid, Sie müssen sofort raus, Frau Merkel braucht Ihr Zimmer." Früher war das anders. Da mussten alle anderen Gäste weichen, wenn Staatsgäste kamen. Sogar Hochzeiten wurden schon mal kurzfristig abgesagt. "Die Gäste haben das schon beim Einchecken unterschrieben, dass es passieren kann, aus- oder umquartiert zu werden", sagt Hoteldirektor Michael Kain. Doch die Zeiten im Siebengebirge haben sich geändert.

Das Fünf-Sterne-Hotel, das auf dem 336 Meter hohen Petersberg über der Stadt Königswinter bei Bonn thront, ist zwar deutschlandweit das einzige Hotel in Staatsbesitz, aber die Bundesregierung hat kein Erstbelegungsrecht mehr; auch der Bund muss sich jetzt an den Buchungskalender halten. "Ganz wie Herta Schmitz aus Bonn auch", sagt Hannah Meyer-Berhorn. Die 22-Jährige teilt sich das Büro mit dem Hoteldirektor. Schon ihren Abiball hat Meyer-Berhorn im größten Bankettsaal des Hotels gefeiert, heute kümmert sie sich hier ums Marketing.

Aus dem früheren Gästehaus der Bonner Republik ist nach zweieinhalb Jahren Sanierung ein Luxushotel geworden, das seine Geschichte und politische Bedeutung zwar behutsam bewahrt, aber auch zukünftig wirtschaftlich überleben will und muss. Dafür musste neuer Glanz auf dem Petersberg her, ohne dass der alte Glanz verblasste. Und das ging nicht mit dem in die Jahre gekommenen Mobiliar, den zwar gepflegten, aber altbacken eingerichteten Zimmern, den unmodernen Teppichen und Vorhängen.

1990 wurde das Hotel in Betrieb genommen, nach einem ziemlich teuren Umbau. Da war der Umzug nach Berlin schon fast beschlossen. "Ohne den Umbau jetzt wäre das Haus nicht mehr zu führen", sagt Kain. Mehr als 40 Millionen Euro Steuergeld hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin investiert. 2011 war das Hotel weltweit zum Verkauf ausgeschrieben - ohne Erfolg. Es habe Bieter gegeben, hieß es, aber die hätten das historische Ambiente nicht so erhalten wollen, wie man es sich wünschte. Steigenberger betreibt seit 1990 das Hotel und kassiert dafür eine Managementgebühr; der Vertrag mit der Hotelkette wurde vor dem Umbau bis 2024 verlängert.

Eigentlich sollte die Sanierung schneller abgeschlossen sein, aber bei einem Hotel in Staatsbesitz gibt es zahlreiche Auflagen und Vorschriften zu beachten. Dann verhinderte ein Uhu die Verlegung eines Wanderweges. Hinzu kam, dass Michael Kain als Direktor und Generalmanager Änderungswünsche hatte. Immerhin ging es auf dieser Baustelle um eines der berühmtesten Hotels des Landes. "Wir reden hier schließlich von einem Grandhotel." Was unterscheidet ein Grandhotel von einem gewöhnlichen Hotel? "Dicke Teppiche, edle Hölzer, Messing, Kronleuchter, tolle Kunst, außergewöhnliche Gastfreundlichkeit", sagt Kain. Zwar gibt es keine einheitlichen Standards für Grandhotels, aber mit Standards hat die Anlage in Deutschlands ältestem Naturschutzgebiet, dem Siebengebirge, auch nichts gemein.

"Welches andere Hotel hat denn solche Bankettsäle und Konferenzräume?", fragt Kain. "Hier können 224 Menschen übernachten, aber wir können locker Veranstaltungen mit 1000 Teilnehmern abhalten." Zum Hotel gehören 110 Hektar Naturschutzgebiet, eine drei Kilometer lange Serpentinenstraße und eine eigene Barockkapelle. In der haben 1995 Michael und Corinna Schumacher geheiratet, abgeschirmt von der Öffentlichkeit; 2016 gaben sich dort Daniela Katzenberger und Lucas Cordalis vor laufenden TV-Kameras das Jawort. Beide Paare feierten jeweils im Anschluss in der Rotunde, einem 15 Meter hohen Glaspavillon mit außergewöhnlicher Akustik und besonders flachen Treppenstufen. "Damit sich lange Kleider nicht verheddern", sagt Meyer-Berhorn. Seitdem wird viel geheiratet auf dem Petersberg.

Kain, 60 Jahre alt, arbeitet seit 40 Jahren für die Steigenberger Hotelkette. Seine Spezialität, aber vor allem seine Leidenschaft sind Hotelrenovierungen. Mit 28 Jahren, Ende der Achtzigerjahre, bekam er von Steigenberger seine erste Baustelle zugeteilt: ein Strandhotel in der Karibik. Wenn die Hotels fertig renoviert sind, wenn alle Rädchen ineinandergreifen, dann verliert der gebürtige Bayer das Interesse. "Die Herausforderung ist für mich der Weg dahin." So war es auch beim Steigenberger Parkhotel an der Spitze der Düsseldorfer Kö, dessen Umbau er verantwortete, bevor er auf den Petersberg zog.

Im Grandhotel kostet das günstigste Doppelzimmer 179 Euro, die 230 Quadratmeter-Präsidentensuite im Schnitt 2000 Euro. Aus der hat an diesem Morgen Dieter Bohlen ausgecheckt. "Wir reden nicht öffentlich über Gäste, während sie da sind, erst wenn sie wieder weg sind", sagt Hannah Meyer-Berhorn und lacht, wenn sie sich an die Aufregung erinnert, die vor Kurzem eine Herzogin-Kate-Doppelgängerin ausgelöst hat.

Zähne putzen mit Rheinblick

Insgesamt verfügt das Hotel jetzt über 112 Zimmer, davon sind 102 Doppelzimmer in unterschiedlicher Ausstattung; außerdem gibt es zehn Suiten. Durch den Umbau sind etliche Büroräume verschwunden, auch etwa 30 kleinere, sehr spartanisch ausgestattete Zimmer, in denen bei Staatsempfängen Chauffeure, Sicherheitspersonal und LKA-Beamte wohnten. Dadurch wurde die Hotelkapazität um neun Zimmer gesteigert.

Warme, elegante Farben wie Creme, Taupe, Türkis und Beige dominieren die renovierten Zimmer. Nichts ist hier aufdringlich eingerichtet, die Räume wirken klassisch-gemütlich, haben viel Bewegungs- und Abstellfläche. Im ganzen Haus sind Antiquitäten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert verteilt, Leihgaben der Bundesregierung. Entscheiden muss man sich als Gast zwischen Zimmern mit Parkblick oder mit Rheinblick. Nirgendwo sonst in Nordrhein-Westfalen lässt es sich mit spektakulärerem Ausblick Zähne putzen. Bei gutem Wetter liegt vor dem Badezimmerfenster das Rheintal in seiner ganzen Pracht in der Morgensonne. Da stören auch die Geräusche der B 9 nicht. Zur einen Seite erhebt sich die Ruine des Drachenfelsens mit den Steilhängen, an denen Riesling geerntet wird. Zur anderen Seite schlängelt sich der Rhein durch Bonn, und wenn es ganz klar ist, sieht man den Kölner Dom.

Das Hotel Petersberg

Die neuen Zimmer sind elegant und unaufdringlich.

(Foto: Claes Bech-Poulsen)

1892 wurde auf dem Petersberg erstmals ein Hotel eröffnet, 1912 kaufte Ferdinand Mühlens, Besitzer der 4711-Parfüm-Marke, das Anwesen und ließ es zu einem Kurhotel umbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kontrollierten die Alliierten von hier aus bis 1952 die neue Bundesregierung und verhandelten mit Konrad Adenauer das "Petersberger Abkommen". Nach seiner Schließung im Jahr 1969 wurde es 1973 für einige Tage wiedereröffnet, um den sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew zu beherbergen. Willy Brandt schenkte dem Russen einen silbergrauen Mercedes in der SL-450-Version, den dieser nach wenigen Minuten an einem Findling zu Schrott fuhr. Diese Version berichteten jedenfalls Zeitzeugen.

May 05 1973 Brezhnev in Bonn For a five day visit Leonid Brezhnev first secretary of the centr

Im Mai 1973 ist Leonid Breschnew auf Einladung von Willy Brandt zu Gast am Petersberg.

(Foto: imago/ZUMA/Keystone)

Es gibt eine Joggingstrecke, die nach Bill Clinton benannt ist, und einen Adenauer-Saal

Dort oben im Siebengebirge fanden Klimakonferenzen statt, es wurde über die Kosovo-Krise referiert, in jedem Geschichtsbuch gibt es Fotos der ersten Afghanistan-Konferenz 2001 mit Joschka Fischer. Unzählige Staatsoberhäupter und Regierungschefs haben in der Präsidentensuite geschlafen - die britische Queen sogar zweimal. Die beiden Badezimmer der Suite sind komplett aus weißem Marmor und noch heute erhalten. Kein anderes Hotel verkörpert die politische Geschichte der alten Bundesregierung so wie dieser ockergelbe, neobarocke Bau.

Es gibt den Konrad-Adenauer-Saal, es gibt die "Bill-Clinton-Joggingstrecke": "Den Berg runter und wieder rauf, die Sportlichen schaffen das in 15 Minuten", sagt Kain. Auch eines der neuen Hotelrestaurants trägt den Namen des früheren US-Präsidenten: Das "Bill's Restaurant & Grill". Das Gourmetrestaurant nebenan wird von Sternekoch Anthony Sarpong geleitet. In der Vinothek lagern 3500 Weine. Weil Nelson Mandela bei seinem Besuch 1995 auf eine Schulklasse stieß und mit ihr ein Freiheitslied anstimmte, heißt die schicke neue Hotelbar "Nelsons Bar & Lounge". Das französische Bistro wurde nach Charles de Gaulle benannt. Angeschlossen ist die schönste der vielen Außenterrassen des Hotels: Im bayerisch-rheinischen Biergarten sitzen Gäste unter alten Kopflinden. Der 2016 eröffnete Biergarten ist vor allem bei Ausflüglern sehr beliebt, die Preise sind moderat. Das Hotel betreibt auch einen Shuttlebus, der Tagesgäste aus Königswinter hochfährt.

"Jeder ist willkommen und kann sich fast alles anschauen, uns liegt daran, dass die Menschen aus der Region keine Berührungsängste mit dem Hotel haben", sagt Hannah Meyer-Berhorn. Unter der Woche sei der Petersberg vor allem Kongress- und Businesshotel, "am Wochenende sind wir ein Ferien- und Freizeithotel", sagt sie. Dafür wurde der Spa mit kleinem Schwimmbecken, Hammam und diversen Saunas ebenfalls grundsaniert. 31 Kilometer Wanderwege durchs Naturschutzgebiet umgeben das Hotel, Bonn liegt 17 Kilometer entfernt. Köln ist etwa 30 Minuten entfernt, nach Düsseldorf fährt man etwa ein Stunde. Oder man bleibt einfach für Stunden am Badezimmerfenster stehen und genießt die Aussicht.

Steigenberger Grandhotel Petersberg, Königswinter, DZ mit Frühstück ab 179 Euro; www.grandhotel-petersberg.steigenberger.com

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