Billigflieger:Aufsteigendes Risiko

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Die Flugzeugabstürze der vergangenen Wochen haben viele Passagiere verunsichert: Doch sie haben kaum eine Möglichkeit, die Sicherheit von Billigfliegern zu überprüfen.

Andreas Spaeth

Flughafen Düsseldorf, wenige Tage nach dem Absturz der Helios-Boeing bei Athen. Die Zeitungen an den Kiosken sind voll von bestürzenden Neuigkeiten über die Ferienfluggesellschaft aus Zypern.

Es hat viele Warnzeichen gegeben, dass bei dem Charterflieger nicht alles so war, wie es hätte sein sollen. Die wiederholten Pannen bei Helios hätten der zypriotischen Luftfahrtbehörde auffallen müssen. Die nationalen Luftfahrtbehörden müssen nämlich dafür sorgen, dass die in ihrem Land zugelassenen Gesellschaften die weltweit festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Innerhalb der EU gelten noch strengere Regeln, und üblicherweise sollten sich EU-Bürger bei jedweder Gesellschaft aus einem Land der Gemeinschaft gleich sicher fühlen können.

In der Praxis jedoch sind schon die Aufsichtsbehörden in großen EU-Ländern wie der Bundesrepublik überfordert, von kleineren Staaten und EU-Neulingen wie Zypern ganz zu schweigen.

Auf dem Vorfeld des Düsseldorfer Flughafens geht es hoch her, an den Flugsteigen stehen gleich vier Airbus-Jets der türkischen Chartergesellschaft Onur Air. Dabei hatten am 12. Mai zunächst die Niederlande, dann auch Deutschland, Frankreich und die Schweiz wegen erheblicher Sicherheitsmängel Einflugverbote gegen Onur Air erlassen, ein bisher einmaliger Schritt. Am 30. Mai war das Flugverbot nach angeblicher Behebung der Mängel wieder aufgehoben worden.

Kein Gedanke an Flugsicherheit

Manche Experten prophezeiten nach dem Verbot schwere Geschäftseinbrüche für Onur Air, die Gesellschaft spricht von 30 Millionen Euro Verlusten. Doch jetzt wird wieder verdient. Onur Air macht ihre Maschinen über den Preis voll, ihre Flüge sind nach Brancheninformationen um etwa 80 Euro pro Reise billiger als bei deutschen Ferienfliegern.

So kommen Angebote von rund 400 Euro für eine Woche All Inclusive in einer türkischen Vier-Sterne-Anlage zustande.

An Flugsicherheit denkt am Last-Minute-Schalter kaum einer der Kunden. Man will irgendwie in die Türkei, Hauptsache, der Preis stimmt. LTU-Chef Jürgen Marbach erklärt es so: "Onur versucht, mit sehr niedrigen Preisen wieder in den Markt zu kommen."

Im Verkehr nach Antalya oder Istanbul jedoch tummeln sich so viele Eintagsfliegen und windige Flugfirmen wie in keinem anderen touristischen Zielgebiet. "Gerade beim Türkei-Geschäft gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die unseriös arbeiten", sagt Carsten Burgmann, Touristikchef der Lufthansa City Center, im Branchenblatt fvw.

Immer wieder kommt es zu haarsträubenden Zwischenfällen, die in ihrer Gesamtheit ein alarmierendes Bild zeichnen. Etwa bei der türkischen Fly Air, ebenfalls mit mehr als 20Jahre alten Airbus-Jets unterwegs.

Nicht korrekt verzurrt

Kürzlich kippte auf dem Stuttgarter Flughafen eine Maschine beim Beladen auf ihr Heck, weil Güter im Frachtraum nicht korrekt verzurrt waren. Erst wenige Tage nach dem Helios-Unglück musste ein Fly Air-Veteran in Budapest mit Triebwerksproblemen notlanden.

Auch die Istanbuler Gesellschaft MNG machte durch Unregelmäßigkeiten von sich reden. Mal wurde Feuer an Bord gemeldet und in Westrumänien notgelandet, nur wenige Wochen später, zu Weihnachten 2004, gab es auf dem Flug von Antalya nach Hamburg einen Druckabfall, bei dem die Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke fielen und die 22 Jahre alte MD-82 gerade noch bis Istanbul kam.

Eine Häufung solcher Vorfälle bei einer Gesellschaft sagt oft mehr über das Sicherheitsniveau aus als ein wirkliches Unglück, das auch die beste Airline treffen kann wie kürzlich Air France in Toronto.

Dabei ist billig nicht automatisch unsicher. Im Fadenkreuz stehen zur Zeit manche Charter- oder Ferienflieger. Nach den Abstürzen von Helios Airways bei Athen (121 Tote) und einer MD-82 der kolumbianischen Western Caribbean Airways in Venezuela (160 Tote) wurden beide betroffenen Firmen zunächst geschlossen.

Doch dieses in manchen Ländern in einer Grauzone operierende Marktsegment ist nicht zu verwechseln mit preisgünstigen Anbietern im europäischen Linienflugbereich - EasyJet und Ryanair; aber auch die billigen deutschen Linienflieger genießen in der Branche einen guten Ruf.

Innen wie neu

Ihre günstigen Flugpreise basieren auf einer Mischkalkulation, die davon ausgeht, dass ein Passagiersitz im Durchschnitt etwa 80 Euro pro Flug erlösen muss, damit der Betrieb profitabel sein kann.

Und das wiederum ist die Voraussetzung, um auch die Mittel für gute Flugzeugwartung und qualifiziertes Personal zu haben. Durch geschicktes Preismanagement verstehen es die erfolgreichen Billig-Linienflieger, durchaus auf ihre Kosten zu kommen und Rekordprofite zu machen.

Nicht umsonst gehört Ryanair nach ihrem Börsenwert zu den wertvollsten Fluggesellschaften der Welt, weit vor traditionellen Branchengrößen wie Lufthansa oder British Airways. Und auch alte Flugzeuge sind für sich genommen noch kein Unsicherheitsfaktor - bei richtiger Instandhaltung kann ein 20 Jahre alter Flieger innen wie neu sein.

Flugbetriebsprüfer des Luftfahrt-Bundesamts (LBA) berichten dagegen von einer mittelöstlichen Gesellschaft, deren neuer Airbus A320 nach wenigen Monaten schon verheerend aussah, was einen sehr negativen Eindruck über den Standard der betreffenden Gesellschaft hinterließ. Den Namen der Airline wollen sie nicht nennen.

Klagen geheim gehalten

Die mangelnde Transparenz für den Passagier ist ein entscheidendes Problem. Er hat bisher keine Möglichkeit zu prüfen, ob eine ihm angebotene Fluggesellschaft als sicher eingestuft werden kann. Bisher nämlich wurden solche Erkenntnisse von den Behörden aus Angst vor Klagen geheim gehalten.

Nach dem jüngsten Absturz in Venezuela, bei dem alle Passagiere französische Staatsbürger aus Martinique waren, entschloss sich die EU-Kommission zum Handeln: Bis Oktober soll jetzt ein detaillierter Vorschlag für eine Website vorliegen, auf der künftig alle Gesellschaften oder Flugzeuge veröffentlicht werden, die in mindestens einem der 25 EU-Staaten mit Einflugverboten oder anderen Auflagen belegt wurden.

Erstmals soll verbindlich geregelt werden, dass Passagiere informiert werden müssen, wenn die gebuchte Fluggesellschaft kurzfristig gegen eine andere ausgetauscht wird, und ihnen in diesem Fall auch ein Rücktritts- und Umbuchungsrecht eingeräumt wird.

Unterdessen hat sich die französische Regierung entschlossen, selbst eine "schwarze Liste" (www.dgac.fr) mit Fluggesellschaften im Internet zu veröffentlichen, die Frankreich aus Sicherheitsgründen nicht mehr anfliegen dürfen.

© SZ vom 30.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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