Reisebuch "Taxi Drivers":Stolz und Müdigkeit

Reisebuch "Taxi Drivers": Ahmad Bakhsh Awan ist der erste Taxifahrer, mit dem der Fotograf Klaus Maria Einwanger eine ausgedehnte Tour durch New York unternommen hat.

Ahmad Bakhsh Awan ist der erste Taxifahrer, mit dem der Fotograf Klaus Maria Einwanger eine ausgedehnte Tour durch New York unternommen hat.

(Foto: Klaus Maria Einwanger)

Klaus Maria Einwanger porträtiert Taxifahrer in New York, London, Tokio - und damit die Metropolen selbst.

Rezension von Stefan Fischer

Seit Ende der Neunzigerjahre lebt Ute Lemper in New York. Die Tänzerin, Musicaldarstellerin, Chansonsängerin und Schauspielerin, die es zum Weltstar geschafft hat, nutzt leidenschaftlich gerne Taxis. "Sobald ich einsteige, steige ich in die Welt, in die Kultur des Taxis ein, in die Geschichte des Fahrers, in die Geschichte von New York City", schreibt sie in ihrem Text "Der wahrhaftigste Spiegel der New Yorker Realität". Er ist der charmanteste, weil schwärmerischste und dabei auch kritischste Gastbeitrag für den Fotoband "Taxi Drivers" von Klaus Maria Einwanger.

Der Fotograf hat vor vier Jahren Taxifahrer sowie ihre Wagen in New York, London und Tokio porträtiert. Und damit auch, aus dieser speziellen Perspektive, diese drei Städte. Im Zentrum, wenn auch nicht jeder Aufnahme, aber in Summe der Bilder, die Einwanger nun in seinem Band zeigt, stehen die Menschen, die Taxifahrer. Man sieht in ihren Gesichtern Stolz. Aber auch Trotz, Müdigkeit, Sorge. In den drei Weltstädten, in denen die vielen Männer und wenigen Frauen arbeiten, ist dieser Beruf eine besondere Herausforderung. Dort ist auch die Bedrohung durch Dienste wie Uber besonders groß.

Reisebuch "Taxi Drivers": Im Anzug, mit Krawatte und weißen Handschuhen: Ein Taxi durch Tokio zu steuern, ist auch eine Frage des Stils.

Im Anzug, mit Krawatte und weißen Handschuhen: Ein Taxi durch Tokio zu steuern, ist auch eine Frage des Stils.

(Foto: Klaus Maria Einwanger)

Die Kuratorin und Autorin Almut Hüfler schildert diese Situation in ihrem einleitenden Text. Der digitale Wandel verändert das Taxifahren. Er verdirbt die Preise und macht den Job prekärer, er verändert das Selbstverständnis der Fahrer. Das ist besonders in Tokio ein spezielles: Die Fahrer kleiden sich in Anzüge, tragen Krawatte und weiße Handschuhe. Viele von ihnen sind Rentner, waren früher in ganz anderen Berufen tätig und müssen nun weiter arbeiten, um finanziell über die Runden zu kommen. Ihr Ansehen ist groß, es gibt ihnen zu Ehren sogar einen Taxi Day, den 5. August. Und sie haben einen besonders strengen Kodex: Sie geben nicht auf, bis sie die richtige Adresse gefunden haben, was in Tokio selbst für Ortskundige nicht immer einfach ist. Und sind verpflichtet, auch Betrunkene zu transportieren.

In New York indessen gibt es keine genormte Realität. Was für die Stadtgesellschaft insgesamt gelte, schreibt Ute Lemper, gelte auch für die Taxifahrer, die aus etwa 160 unterschiedlichen Nationen stammen: "Man muss nicht hineinpassen, man muss den Schleier nicht abnehmen oder den Turban, man muss den Bart nicht abrasieren und man darf seine traditionelle Kleidung einfach tragen, ohne aufzufallen und ohne dass sich jemand darum schert, denn sie macht das Mosaik des Stadtbildes aus."

Die Fotografien geben Auskunft über das Selbstbild der Taxifahrer

Lemper wird von den Fahrern oft ausgefragt - und fragt ihrerseits diese aus. Sie ist neugierig auf die Musik, die in den Wagen läuft. Weshalb sie es auch bedauert, dass inzwischen, nicht nur wegen Corona, die Fahrer und die Fahrgäste durch Plexiglas oder Folien voneinander getrennt sind. Auch die Bildschirme, die es in immer mehr Taxis gebe, stören sie. Und dass viele der Wagen mittlerweile ziemlich abgeranzt seien.

Der Fotograf Klaus Maria Einwanger hat sich für sein Projekt ganz in die Hände der Fahrer begeben. Hat sie die Routen und Ziele wählen lassen. Hat ihnen auch nicht vorgeschrieben, wie sie posieren sollen. Einwangers Aufnahmen sind von großer Klarheit, selbst da, wo das Motiv ins Wimmelbildhafte driftet. Sie haben Tiefenschärfe. Und obwohl auf vielen von ihnen Menschen und Fahrzeuge in Bewegung sind, haben sie nichts Flüchtiges, steht nicht die Dynamik des Vorankommens im Mittelpunkt. Vielmehr strahlen sie eine Ruhe aus, selbst wenn sie ein hektisches Verkehrsgeschehen zeigen. Haben etwas von Gemälden.

Reisebuch "Taxi Drivers": Beides stilvoll: Busse und Taxis in London.

Beides stilvoll: Busse und Taxis in London.

(Foto: Klaus Maria Einwanger)

Vor allem holen sie die Taxifahrer aus der Anonymität heraus. Die Bilder erzählen etwas über Stimmungen und Haltungen der Personen und verraten damit eine Menge über das Selbstbild, das die Taxifahrer von sich und ihrem Beruf haben. Dann wieder treten sie in den Hintergrund, auf einigen der Fotografien scheinen Taxis nur eine Nebenrolle zu spielen. Aber sie sind immer da, immer verfügbar, sind unauslöschlicher Teil des Stadtbildes.

Die einzigen Fotografien, auf denen man keine Taxis sieht, sind jene, die Klaus Maria Einwanger aus dem Fond der Fahrzeuge heraus aufgenommen hat - ein Blick auf New York, London und Tokio aus einer Untersicht. Wie sie die Taxifahrer, intime Kenner ihrer (Wahl-)Heimat, unentwegt haben.

Klaus Maria Einwanger: Taxi Drivers. Written In Their Faces. KME Studios, Rosenheim 2023. 192 Seiten, 72 Euro.

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