Bildband "Afrika":Wildromantisch

Michael Boyny will in seinen Bildern den Stolz und die Kraft der Einwohner Afrikas vermitteln - und lässt daher den Kontinent nur schön aussehen. Die Armut kaschiert der Fotograf trotzdem nicht.

Von Stefan Fischer

10 Bilder

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

1 / 10

Michael Boyny will in seinen Bildern den Stolz und die Kraft der Einwohner Afrikas vermitteln - und lässt daher den Kontinent nur schön aussehen. Die Armut kaschiert der Fotograf trotzdem nicht. Von Stefan Fischer

Wer durch Afrika reist, trifft vielerorts auf archaische Gemeinschaften. Das Leben der Menschen dort, so hat es den Anschein, verläuft weitgehend noch so wie das ihrer Eltern und Großeltern - anders als in den stark industrialisierten Ländern der Welt. Und doch hat der Fotograf Michael Boyny für den Bildband Afrika einen Kontinent bereist und ihn entsprechend geschildert, den es so gar nicht mehr gibt, der sich in Teilen radikal gewandelt hat.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

2 / 10

Über Südosteuropa und den Nahen Osten gelangen Boyny und seine Frau im Herbst 2010 in ihrem LKW nach Ägypten, wo Hosni Mubarak noch an der Macht ist, wenn auch nur noch für wenige Wochen. Den Sudan durchqueren die Boynys insofern zügig, als gerade das Referendum für die Unabhängigkeit des Südsudans vorbereitet wird und die beiden nicht mehr dort sein wollen, wenn abgestimmt wird und es zu den erwarteten Ausschreitungen und Kämpfen kommt.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

3 / 10

Dennoch ist die Mehrzahl der Fotografien in dem Band nicht überholt. Sie zeigen häufig Menschen und die Orte, an denen sie leben und ihrer Arbeit nachgehen, fast immer der Landwirtschaft. Für die meisten derjenigen, die nicht unmittelbar von kriegerischen Auseinandersetzungen bedroht sind, hat sich der Alltag vermutlich kaum verändert, auch wenn sie inzwischen Bürger des Südsudans sind.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

4 / 10

Michael Boyny kommt zugute, dass seine Sicht der Dinge, wie er selbst bemerkt, "eher romantisch" ist, mit "einer unverkennbaren Neigung zum Nostalgischen". Ihn interessiert weniger die Fotoreportage als Form und auch nicht so sehr der konkrete Augenblick. Er sucht das Tradierte, das Prägende - durchaus in einer gegenwärtigen Ausgestaltung.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

5 / 10

Einem Problem, das er selbst benennt, entkommt er nicht gänzlich: Boyny zitiert einen alten Spruch, wonach ein Fotograf unfähig sei, von hässlichen Dingen hässliche Fotos zu machen. Und verteidigt seine Aufnahmen bereits im Vorwort: "Ästhetik bedeutet ja nicht Verklärung", schreibt er, "sie steht nicht im Widerspruch zur Aufrichtigkeit." Das ist sicherlich richtig. Die Fotografien Michael Boynys sind beinahe durchweg schön im Sinne von anziehend, attraktiv, spannend. Sie kaschieren aber auch nicht die Primitivität der Lebensverhältnisse vielerorts. Und in den Begleittexten zu den Aufnahmen finden die sozialen und ökonomischen Konflikte Platz, in die die Fotografierten involviert sind.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

6 / 10

Sie selbst kommen mit ihren Geschichten allerdings nicht zu Wort in dem Band, auch wenn Michael Boyny unentwegt betont, wie lehrreich, anrührend, informativ und mitunter sogar erhebend die Begegnungen mit diesen Menschen sind. Dafür ist er vermutlich zu wenig Journalist, vertraut er zu stark auf die Aussagekraft einzelner Fotografien, als dass sein Buch das auch leisten könnte: ein Erzählband zu sein, in dem Gespräche, Schicksale und Anekdoten sich zu einer großen Geschichte über Afrika und seine Bewohner formen, radikal subjektiv natürlich und doch aussagestark. Wie das bei den Fotografien eben auch der Fall ist. In dem Band stecken bei Weitem nicht alle Facetten Afrikas, aber doch eine gehörige Menge.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

7 / 10

Dazu zählen auch die Landschaften, die Tiere und die Sehenswürdigkeiten. Klassische Aufnahmen der Masai Mara finden sich in dem Band, aufgenommen aus einem Heißluftballon, oder "Schirmakazien mit Kilimandscharo im Dunst am Horizont"-Motive. Dazu Elefanten, Löwen, Geparde und Zebras. Die Pyramiden von Gizeh und die Felsenkirchen von Lalibela. Diese vermeintliche Unverdorbenheit und Ursprünglichkeit faszinieren Boyny, diese Jahrtausende alten Kulturen.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

8 / 10

Insofern verwundert es aus seiner Perspektive nicht, wenn er sich echauffiert über die hohen Eintrittspreise in den Wildschutzgebieten der Serengeti und des Ngorongoro: "In Tansania nimmt der Safaritourismus obszöne Züge an", klagt er. Die Vermarktung des Naturreichtums passt nicht in sein romantisches Afrikabild. Diese Haltung ist zumindest diskutabel, denn zynisch zugespitzt lässt sich Michael Boyny unterstellen, dass er in letzter Konsequenz verlangt, die Afrikaner mögen auf kapitalistische Mechanismen verzichten und stattdessen bitteschön weiterhin so primitiv leben und wirtschaften wie bisher, damit er es dort auch in Zukunft recht wildromantisch hat.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Michael Boyny/Frederking & Thaler Verlag

9 / 10

An vielen anderen Stellen dokumentiert der Fotograf, dass ihm die Probleme in den Ländern Ostafrikas - diese hat er bereist - bewusst sind. Er hat das erste Frauendorf des Kontinents in Kenia besucht, wo Frauen Zuflucht finden, die sich den Übergriffen von Männern entziehen wollen. Er thematisiert Hunger und Armut, Krankheiten und Bildungsmangel. Wichtiger ist ihm jedoch, den Stolz und die Kraft der Menschen zu dokumentieren, die sich von ihm fotografieren lassen. Weil er ein positives Bild von Afrika vermitteln möchte. Nicht immer, aber weitgehend entgeht er den Gefahren optischer Verklärung.

Bildband 'Afrika' Michael Boyny Frederking & Thaler Verlag

Quelle: Frederking & Thaler Verlag

10 / 10

Michael Boyny: Afrika. Begegnungen zwischen Kairo und Kapstadt. Verlag Frederking & Thaler, München 2013. 240 Seiten mit ca. 200 Abbildungen, 49,99 Euro.

© SZ vom 9.1.2013/cag
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: