Süddeutsche Zeitung

Bildbände über arktische Landschaften:Perlen im Eis

Die Schönheit der Lebensräume in Arktis und Antarktis unter den schwierigen Bedingungen an den Polarkreisen abzubilden, ist eine Herausforderung für jeden Fotografen. In diesen drei Bildbänden wurde sie hervorragend gemeistert.

Birgit Lutz

Vor gar nicht allzu langer Zeit waren die Polkappen noch weitgehend unbekannte Eiswüsten, die nur in Expeditionsberichten früherer Abenteurer oder in wissenschaftlichen Abhandlungen beschrieben wurden. Inzwischen jedoch steigen sowohl die Zahl als auch die Auflagen der Bücher, die sich mit den nördlichsten und südlichsten Gebieten der Erde befassen, mit Arktis und Antarktis. Viele namhafte Naturfotografen haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich monatelang in den Schnee zu setzen, zu frieren, zu warten, mit der Technik zu kämpfen. Der Lohn: Sie kehren mit eindrucksvollen Aufnahmen zurück.

Der Grund für die polare Reiselust der Fotografen und die steigende Nachfrage nach ihren Bildern liegt in der Schönheit des polaren Lebensraums, in dem bizarre Lichtspiele, extreme Lichtverhältnisse und zeitweilige Farbarmut die Fähigkeiten jedes Fotografen und Kameramannes herausfordern. Ein weiterer Grund dürfte das gewachsene Wissen um die Fragilität dieses Lebensraums sein.

In dieser Saison sind drei Polbücher herauszuheben: Bernd Römmelt hat sich mit Greenpeace zusammengetan, um in "Schatzkammer Arktis" zum ersten Mal den Norden aller acht Arktisanrainerstaaten in einem Band vorzustellen. Jahrelang hat er die USA, Kanada, Grönland, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und Russland bereist und Aufnahmen gemacht, die teils von poetischer Schönheit sind und ...

... andernteils schlicht das Leben im Eis dokumentieren. Durch die Kombination mit den Texten von Thomas Henningsen, Meeresbiologe und Koordinator der Arktis-Kampagne von Greenpeace, wird dem Leser noch deutlicher, warum es sich bei diesem Lebensraum um die betitelte Schatzkammer handelt - wegen der speziellen Zusammenhänge, die ein Leben dort oben erst ermöglichen.

Henningsen schildert, wie enorm anpassungsfähig an die harschen Konditionen die Tiere dort sind und welch verheerende Folgen geringe Veränderungen haben können. Ein kurzer Wärmeeinbruch im Winter mit Regen und Tauwetter zum Beispiel kann den Tod Hunderter Rentiere bedeuten, die es gewohnt sind, mit den Hufen unter einer dünnen Schneedecke nach Nahrung zu scharren. Tau und Regen werden bei erneutem Frost aber zu einem undurchdringlichen Eispanzer  - und die Tiere verhungern.

Einige Texte stammen von Bernd Römmelt selbst, er beschreibt darin die Entstehung seiner Fotos. Da ist etwa die Geschichte der Eisbärenmutter, zu deren Geburtshöhle ihn grönländische Einheimische führten. Die Mutter hatte sich im Jahr zuvor einen Fuß gebrochen, die Inuit überlegten bereits, das Tier zu erschießen. Sie taten es nicht, und die Eisbärin brachte im folgenden Winter zwei Junge zur Welt, die sie allem Anschein nach gut ernähren konnte.

Mit wesentlich weniger Text kommt der Bildband "Polar World" von Thorsten Milse aus, nicht weniger berührend und packend aber sind die Bilder. Milse versammelt einen großen Ausschnitt der Bewohner von Arktis und Antarktis, Eisbärenjunge und Pinguinpaare hat er ebenso im Repertoire wie Walrosse, neugeborene Ringelrobben, Wölfe und Polarfüchse. Die Fotos rufen beim Betrachter gleichermaßen Neugier und Sympathie hervor; sie haben den deutschen Polfahrer Arved Fuchs bewogen, ein Vorwort beizusteuern.

Als großartige Dokumentation und wichtige Lobbyarbeit bezeichnet er das Buch. Das ist wohl die wichtigste Aufgabe, die die verschiedenen Werke über Arktis und Antarktis haben: Die Landschaften mit Gefühlen zu verknüpfen, sie als liebens- und schützenswerte Meisterwerke der Natur zu präsentieren. Das ist Milse gelungen mit seinen faszinierenden Bildern, denen eine ganz eigene Dramaturgie innewohnt.

Wenn Milse die Gletscher Spitzbergens fotografiert, mit dem Nebel, der gerade über die Bergkuppe schwappt, meint man sehen zu können, wie das fahle Sonnenlicht, das sich eben noch über die Gletscherhänge ergossen hat, im nächsten Moment erlischt und sich der Charakter der Landschaft dramatisch verändert. Der Betrachter wird sensibilisiert für die Wandelbarkeit dieser Landschaft. Bei den International Photography Awards ist "Polar World" als bestes Naturbuch ausgezeichnet worden.

Beinahe ein Atlas oder ein Lexikon ist hingegen "Die Welt der Antarktis" von David McGonigal und Lynn Woodworth. Das Vorwort hat Liv Arnesen geliefert, die norwegische Polfahrerin, die als erste Frau im Alleingang zum Südpol ging und später gemeinsam mit Ann Bancroft die gesamte Antarktis durchquerte. Ebenso anschauliche wie spannende Texte von Wissenschaftlern, Expeditionsteilnehmern und Historikern erklären die antarktische Welt, die sich derzeit mehr als doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der Erde - und die deshalb einem bedrohlichen Wandel unterliegt.

BERND RÖMMELT, THOMAS HENNINGSEN: Schatzkammer Arktis. Frederking & Thaler, München 2011. 208 Seiten mit 150 Abbildungen, 39,95 Euro THORSTEN MILSE: Polar World. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2011. 352 Seiten mit 288 Abbildungen, 79,90 Euro DAVID MC GONIGAL, LYNN WOODWORTH: Die Welt der Antarktis. Geheimnisse des südlichen Kontinents. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2011. 400 Seiten mit 709 Abbildungen, 68 Euro

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SZ vom 23.2.2012
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