Berliner Flughäfen: Enteisungsmittel knapp:"Da haben wir kein Verständnis"

Der Winter ist da mit Schnee und Eis. Was fehlt, ist Enteisungsmittel, zumindest an den Hauptstadt-Flughäfen - zum Ärger der Passagiere und Air Berlin.

Es ist kalt, es ist eisig, es ist Winter - für Dezember eigentlich nicht ungewöhnlich. Dennoch wird auf den Berliner Flughäfen das Enteisungsmittel für Flugzeuge knapp. "Erst heute um zehn Uhr vormittags kam wieder eine Lieferung an", berichtet eine Sprecherin der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin. Doch sei fraglich, wie lange die Vorräte reichten. Allein gestern musste Air Berlin 50 Flüge streichen, heute vormittag fielen nochmals 20 aus - "und das nicht nur wegen des schlechten Wetters, sondern auch, weil die Tragflächen nicht von Eis befreit werden konnten".

Damit die Luft störungsfrei um die Tragflächen zirkulieren kann, so dass das Flugzeug Auftrieb bekommt, müssen sie frei von Schmutz oder eben Schnee und Eis sein. Vor jedem Start schaut sich ein Pilot von außen die Tragflächen noch mal genau an: Haben sich wieder Eiskristalle gebildet, etwa nach einer langen Wartezeit auf eine Startbahn, muss nochmals enteist werden.

Air Berlin ist verärgert über Zulieferer und Hersteller: "Wir haben kein Verständnis dafür, wie am Anfang des Winters auf einem internationalen Drehkreuzflughafen das Enteisungsmittel ausgehen kann", sagte die Sprecherin.

Der Grund für die knappen Enteisungsmittel sind laut der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen Lieferschwierigkeiten der wenigen spezialisierten Hersteller der Flüssigkeit. Das Problem bestehe europaweit. Allerdings sagt eine Sprecherin des Frankfurter Flughafens: "Wir haben keine Probleme, unsere Vorräte reichen aus." So sei der Betrieb in Frankfurt allein wegen des Wetters eingeschränkt, 400 der durchschnittlich 1400 Flüge mussten annulliert werden - auch, weil andere Flughäfen wie in Paris mit den Folgen des Wintereinbruchs zu kämpfen haben.

Auch der Münchner Flughafen hat keinen Mangel an Enteisungsmitteln, was laut Sprecher Ingo Anspach auch daran liegt, dass hier die Chemikalien in einer eigenen Recyclinganlage zu 60 Prozent wiederaufbereitet werden.

In Berlin-Tegel und Schönefeld ist für die Bodenabfertigung das Unternehmen Globe Ground zuständig. Man konnte am Donnerstag weniger Flugzeuge als geplant enteisen - und musste die Arbeit in Schönefeld sogar ganz einstellen.

"Die Situation ist einmalig"

Seit den starken Schneefällen in der vergangenen Woche habe das Unternehmen die Lager mit Enteisungsmitteln nicht mehr auffüllen können, sagte Globe-Ground-Sprecherin Susanne-Katharina Kahland: "Das geht so raus, wie's reingeht." Beide Lager waren am Donnerstag beinahe leer.

Berlins Flughafensprecher Ralf Kunkel kritisierte: "Die Situation ist einmalig in der Geschichte der Berliner Flughäfen und absolut ärgerlich." Durch die Engpässe standen die Flugzeuge wiederholt in langen Warteschlangen an den Enteisungsplätzen an. Auch die Zahl der Landungen musste aufgrund dieser Rückstaus zwischenzeitlich reduziert werden.

Clariant, der Hersteller der Spezialchemikalien, habe wegen des Schnees zudem Probleme, die Flüssigkeit von Bayern nach Berlin transportieren zu lassen. An einem Tag mit starken Schneefällen wie am Donnerstag verbrauche Globe Ground fast einhundert Prozent seiner Lagerkapazitäten, so Kahland weiter. In Tegel habe das Unternehmen Platz für 120.000 Liter der Flüssigkeit, in Schönefeld für 160.000 Liter. Außerdem gebe es seit dem vergangenen Extrem-Winter ein Notfalllager mit mehreren Tanklastzügen.

"Im Moment ist die Frage nicht, ob wir die Flugzeuge enteisen, sondern in welchem Ausmaß", sagte Kahland. Manchmal würden nur die Flügel mit dem Gemisch aus heißem Wasser und Glykol bespritzt, manchmal das Heck und manchmal die ganze Maschine. Die Entscheidung darüber liege beim Piloten. Die Flüssigkeit verhindere, dass sich in den ersten zehn Minuten des Flugs Schnee und Eis auf die Maschine legen könnten.

Bei Clariant läuft die Produktion mittlerweile rund um die Uhr. Ein Grund für die große Nachfrage sei der frühe Wintereinbruch flächendeckend in Europa. "Jetzt brauchen alle zeitgleich Enteisungsmittel", so Clariant-Sprecher Ulrich Nies. Zudem gestalte sich angesichts der Lage auf den Autobahnen der Transport von dem Werk im bayerischen Burgkirchen an der Alz zu den Flughäfen schwierig. Hinzu komme, dass der Schnee, der derzeit falle, sehr nass sei. "Dafür brauchen sie rund ein Drittel mehr Flüssigkeit", sagte Nies. "Das macht alles extrem knapp." In dieser Form habe er solche Schwierigkeiten noch nicht erlebt.

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