Süddeutsche Zeitung

Berlin:Nur zwei Beamte sollen vielleicht 5000 illegale Ferienwohnungen aufspüren

Wer seine Wohnung auf Airbnb einstellt, muss in Berlin nun mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 Euro rechnen - falls er erwischt wird.

Von Verena Mayer

Diana Schmidt und Karsten Matthes klingeln an einer Tür, zücken ihre Ausweise und dann beginnen sie, der Frau, die ihnen geöffnet hat, bohrende Fragen zu stellen. Wer eigentlich in der Wohnung gegenüber lebe und ob ihr etwas verdächtig vorkomme. Die Frau erzählt, dass sie sieben Leute gesehen habe, und die hätten Spanisch gesprochen und die ganze Nacht gefeiert. Schmidt schreibt alles in ein Notizbuch, während Matthes durch das Treppenhaus streift.

Die beiden könnten ein eigenwilliges Ermittler-Duo aus einem Fernsehkrimi sein, sie resolut und mit markantem Akzent, er der junge Kollege mit Brille. Das sind sie aber nicht, sondern ganz normale Berliner Verwaltungsbeamte. Illegalem Handeln sind sie dennoch auf der Spur. Die beiden müssen herausfinden, ob hier eine Ferienwohnung an Touristen vermietet wird.

Das nämlich ist in Berlin seit Anfang Mai verboten. Wohnungen dürfen nur noch zum dauerhaften Wohnen benutzt werden, es ist nicht mehr erlaubt, komplette Wohnungen tage- oder wochenweise zu vermieten; ein Zimmer in einer selbst genutzten Wohnung darf aber weiterhin untervermietet werden.

Wer eine Wohnung auf einem Übernachtungsportal wie Airbnb oder Wimdu einstellt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 Euro rechnen - wenn er erwischt wird.

Draußen im Hof zeigt Diana Schmidt auf ein Fenster mit weißen Leinenvorhängen, durch die man nicht hindurchgucken kann. Das typische Modell, sagt sie, es hängt in fast allen Ferienwohnungen. Es gibt Häuser in Berlin, da sieht Schmidt nur mehr weiße Leinenvorhänge.

Ferienwohnungs-Kontrolleure wirken schnell wie Touristenspitzel

Das Thema bewegt die Hauptstadt wie kaum ein anderes. Einerseits will man vom Tourismus leben, gerade gab es einen Rekord , 30 Millionen Übernachtungen zählte man 2015. Wenn jetzt Ferienwohnungs-Kontrolleure losgeschickt werden, hat das schnell etwas von Touristenspitzeln.

Andererseits will einer Studie zufolge jeder elfte Städtetourist in Deutschland nicht im Hotel schlafen. Sondern mittendrin, privat, unter Einheimischen. So wie in dem Kiez in Berlin-Moabit, in dem nun Diana Schmidt und Karsten Matthes unterwegs sind.

Dort aber bringen die Touristen, denen man statt einer Berliner Niedrigmiete durchschnittlich 130 Euro am Tag abknöpfen kann, den ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt durcheinander. In beliebten Bezirken wie Kreuzberg oder Mitte sind die einzigen freien Wohnungen, die man noch findet, Ferienapartments.

Schmidt packt ihre Notizen ein, die beiden laufen weiter. Durch stille Straßen, gesäumt von pastellfarbenen Berliner Altbauten, das Spreeufer ist nicht weit. Überall hübsche Läden und Cafés, eine alte Brauerei wird zu einer Shoppingmall umgebaut, die Gegend ist begehrt.

Schmidt und Matthes sollen dafür sorgen, dass hier wieder mehr Mieter unterkommen. Drei Häuser müssen sie an diesem Morgen abklappern, überall das gleiche Bild. Weiße Vorhänge, genervte Nachbarn.

Touristen treffen sie nicht. Das bedeutet, dass sie Zeugen befragen, verdächtige Klingelschilder fotografieren, Hinweise sammeln müssen. Die nehmen sie dann mit in ihr Büro, wo sich jetzt schon die Akten stapeln. Briefe von Rechtsanwälten, Beschwerden von Ferienwohnungsbesitzern, die ihr Gewerbe nicht aufgeben wollen.

Nicht zu vergessen all die Leute, die einfach irgendjemanden anzeigen. In das Formular im Internet, mit dem man seit Kurzem anonym illegale Ferienwohnungen melden kann, hat einer "Angela Merkel" geschrieben.

Wenn man mit Schmidt und Matthes unterwegs ist, wird einem schnell klar: Es ist eine Sache, ein Gesetz zu erlassen, das die Auswüchse von Airbnb und Co. eindämmen soll, mit denen inzwischen viele Metropolen weltweit zu kämpfen haben. Und eine vollkommen andere, ein solches Gesetz durchzusetzen. Schmidt sagt, dass es allein im Bezirk Mitte vermutlich 5000 illegale Ferienwohnungen gibt. Und gerade mal sie und ihr Kollege seien da, um sie alle aufzuspüren.

Einige Tage später stehen die beiden vor einem grauen Wohnblock. Rundherum teure Restaurants und Souvenirshops, das Brandenburger Tor ist um die Ecke, zentraler kann man in Berlin nicht wohnen.

Mit dem Thema Wohnen lassen sich Wahlen entscheiden

"City Apartments" steht auf einem Schild, für die Ferienwohnungen gibt es sogar eine eigene Rezeption. Es geht wuselig wie in einem Hotel zu, überall stehen Koffer. Schmidt und Matthes zücken ihre Ausweise und beginnen, einer Mitarbeiterin Fragen zu stellen, der Betrieb hier ist schließlich seit drei Wochen illegal.

Neben ihnen steht der zuständige Stadtrat des Bezirks Mitte, Stephan von Dassel (Grüne). Der Politiker macht sich nicht nur vehement für den Ferienwohnungsbann stark, er will sich an diesem Nachmittag auch selbst auf die Suche begeben. Mit dem Thema Wohnen lassen sich nicht zuletzt Wahlen entscheiden, und in vier Monaten wird in Berlin gewählt.

Von Dassel sagt, dass es zwar nur etwa 23 000 Ferienwohnungen in Berlin gebe. "Aber wenn wir jetzt nicht einschreiten, haben wir in einigen Jahren 80 000."

Hinter ihm gehen fröhlich lärmende Touristen ein und aus, man hört Englisch und Italienisch. Ausrichten kann auch der Stadtrat nichts, die Geschäftsführerin der "City Apartments" wirft ihn kurzerhand hinaus.

Man wird sich vor dem Verwaltungsgericht wiedersehen. Dort soll Anfang Juni entschieden werden, ob das Verbot überhaupt rechtens ist. Besitzer von Ferienwohnungen haben dagegen geklagt, weil es ihrer Ansicht nach gegen die Eigentumsfreiheit verstößt.

Ein Anwohner führt den Politiker herum. Durch stille Höfe, in einer Wohnung habe kurz nach der Wende Angela Merkel gewohnt. Jetzt seien hier mehr Touristen als Mieter unterwegs. Er selbst wird fast jede Nacht aus dem Bett geklingelt, weil Besucher ihre Wohnungen nicht finden, erzählt er, und letztens lag wieder ein Betrunkener auf seiner Fußmatte.

Der Mann erzählt eine typische Geschichte des Hauptstadt-Booms. Von Massen, Alkohol und Dauerpartys, "die Leute kommen nicht hierher, um traurig zu sein".

Diana Schmidt, die Kontrolleurin, schreibt alles in ihren Block, ihr Kollege macht mit dem Handy Fotos von den Fächern, in denen die Schlüssel für die Ferienwohnungen hinterlegt werden.

Ein Zimmer mit 19 Matratzen

Schmidt sagt, die Ferienwohnungen seien gar nicht einmal das größte Problem in den Häusern. Sie hat schon eine illegale Hundezucht entdeckt, und einmal wurde sie von einem Mafiaboss ins Hinterzimmer gebeten, während draußen bewaffnete Bodyguards warteten.

Immer wieder trifft sie auf Wanderarbeiter aus Osteuropa, die in Häusern leben müssen, in denen die Treppen kaputt sind und es kein Wasser gibt. "Ich habe früher in einem Problembezirk im Jobcenter gearbeitet und gedacht, ich hätte alles gesehen", sagt Schmidt, "aber das ist schlimmer."

Vor allem die ganz neu Zugezogenen lassen ihr keine Ruhe. Es sind Flüchtlinge, die von kriminellen Clans vor den Ämtern abgefangen und für viel Geld in Wohnungen gepfercht werden. Letztens hat sie ein Zimmer mit 19 Matratzen gesehen. Ein Bild des Elends, das auch keine weißen Leinenvorhänge mehr verdecken können.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2016/pak
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