Städtereisen:Neue Betten für Berlin

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Mal wieder nach Berlin? Viele Hotels wurden in Apartments, Wohnungen und Büroräume umgewidmet. Doch es gibt noch genügend Betten - und neue Hotels sind in Planung. (Foto: All mauritius images/mauritius images/Westend61 WR)

Viele Hotels in der Hauptstadt mussten in der Pandemie schließen. Doch jetzt soll es wieder aufwärts gehen: Es gibt große Pläne und erste Neueröffnungen - zum Beispiel in einem ehemaligen Gefängnis.

Von Ingrid Brunner

Vor den Fenstern sind noch Gitterstäbe, und die Flure sehen auch noch sehr nach Knast aus. Ansonsten hat das ehemalige Gefängnis eine Radikalkur bekommen, schließlich soll es nicht mehr ausbruchsicher, sondern einladend sein - ist es doch jetzt ein Hotel. Dazu wurden die Fenster vergrößert, die spartanischen Haftzellen in stylische Zimmer verwandelt, der nüchterne Klinkerbau aus der wilhelminischen Zeit ist mit Grün umrankt, in den Höfen sind lauschige Gärten entstanden.

Das Hotel Wilmina, ein ehemaliges Frauengefängnis und Gerichtsgebäude in Berlin Charlottenburg, hat schon vor seiner offiziellen Eröffnung Anfang April Gäste angezogen. Nun geben sich hier Städtereisende und Geschäftsreisende die Klinke in die Hand. Und auch viele Architekten, denn: Das Hotel hat für seine gelungene Transformation 2021 den 1. Preis des Bundes Deutscher Architekten BDA erhalten. Das heimische Publikum trifft sich im zum Wilmina gehörenden Hotelrestaurant Lovis, wo die Berliner Köchin Sophia Rudolph zeitgemäße deutsche Küche mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln zubereitet.

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(Foto: Robert Rieger/Wilmina)

Zu Gast im Knast: Aus der kargen Haftzelle ist ein stylisches Hotelzimmer geworden.

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(Foto: Patricia Parinejad/Wilmina)

Auch im Atrium ist die Geschichte des Hauses sichtbar.

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(Foto: Robert Rieger/Wilmina)

Von wegen Gefängnisküche: Im Restaurant Lovis hat Küchenchefin Sophia Rudoph das Sagen.

Also business as usual auf dem Hotelmarkt der Hauptstadt? Mal wieder ein schickes Hotel eröffnet, das man gesehen haben muss, bevor das nächste aufmacht? Schön wär's. Thomas Lengfelder, Geschäftsführer beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Berlin, sagt, die Branche befinde sich in einer schweren Krise. Etwa zehn Prozent der Beherbergungsbetriebe seien während der Pandemie vom Markt verschwunden. Verzeichnete das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg im Dezember 2019 noch 787 Hotels, Pensionen, Hostels und Gasthöfe, waren es im Januar 2022 nur noch 695. Die Bettenzahl schrumpfte um 12 000.

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Vor allem viele kleinere, oft eigentümergeführte Häuser mussten schließen, sagt Lengfelder. Manche hatten zu wenig Eigenkapital, um die lange Corona-Zeit zu überbrücken, andere gaben auf, weil ihnen das Geld für anstehende Modernisierungen fehlte. Doch auch namhafte Häuser mussten schließen, etwa das Hecker's am Kurfürstendamm, das Golden Tulip, das Ellington in der Nürnberger Straße und der Sylter Hof in der Kurfürstenstraße - alles Vier-Sterne-Häuser. Einige dieser Hotelimmobilien wurden umgewidmet in Apartments, Wohnungen und Büroräume.

Für Burkhard Kieker ist das Glas trotzdem eher halb voll als halb leer. Er ist Geschäftsführer von Visit Berlin, der Marketing-Agentur der Hauptstadt. Und als solcher ist es natürlich sein Job, Optimismus zu verbreiten, schließlich lockt man mit schlechten Nachrichten keine neuen Besucher in die Stadt. Kieker vergleicht den Berliner Hotelmarkt mit einem fruchtbaren Dschungel: "Es herrscht ein ständiges Werden und Vergehen. Altes geht, Neues kommt." Derzeit seien in der Hauptstadt zwischen 30 und 40 Projekte im Bau oder in der Planung - von ganz günstig bis zum Luxushotel sei alles darunter.

Dabei ist auch die Beherbergungsbranche Trends unterworfen. "Wir beobachten, dass der Hotelmarkt immer individueller wird, einzelne Häuser sind zugeschnitten auf bestimmte Lifestyles und klar definierte Zielgruppen", sagt Christian Tänzler, Pressesprecher bei Visit Berlin. Ob Mode, schnelle Autos, teure Räder - die Vorlieben dieser Zielgruppen spiegelten sich in bestimmten Häusern. Das heißt, das Angebot diversifiziert und segmentiert sich immer weiter. Nicht selten seien es fachfremde Quereinsteiger, Personen mit Ideen, Geld und einem Gespür für den Zeitgeist, die ihre Vorhaben zusammen mit Profis realisieren, sagt Tänzler.

Jedes Haus ist anders und passt zur Stadt

Aber auch Hotelkonzerne haben diesen Trend erkannt. So hat Marriott mit dem Hotel Luc am Gendarmenmarkt ein Haus aus seiner exklusiven Autograph Collection eröffnet. Mit dem ewig gleichen Kettenhotel hat diese Kollektion nichts gemein. Jedes dieser Häuser ist anders, jedes ist individuell eingerichtet mit edlem Mobiliar und einem zur Stadt passenden Design. So erinnert die Innenausstattung im Luc an das preußische Erbe, allerdings modern gewendet, ohne dessen Strenge. Natürlich sind dann auch die Preise nicht mehr die eines Kettenhotels: Little Luc, das kleinste Zimmer im Haus, liegt bei circa 300 Euro aufwärts. Auch das Boutique-Hotel "Château Royal", das im Spätsommer eröffnet werden soll, geht in diese Richtung. In der Küche des Restaurants Dóttir soll Victoria Elíasdóttir, die Schwester des Künstlers Ólafur Elíasson, Chefin werden. Gründe, nach Berlin zu reisen, gibt es also reichlich - auch für Urlauber, für die schon das Hotel das Ziel ist.

Doch ein paar schicke Neueröffnungen werden nicht reichen, um an die Erfolgszahlen von früher anzuknüpfen. "Vor der Pandemie hatte Berlin eine Jahresausbuchung von 84 Prozent und 35 Millionen Übernachtungen", sagt Christian Tänzler. Ein Spitzenwert, von dem man in anderen Städten - und nun auch in Berlin - derzeit nur träumen kann. "Wir hatten zehn Jahre lang Wachstum, dann kam Corona." Mit Corona hat sich auch die Gästestruktur verändert: Kam vor der Pandemie die Hälfte der Besucher aus Übersee, liege nun der Deutschland-Anteil bei 70 Prozent, Tendenz steigend.

Mit deutschen Gästen allein aber lassen sich die Häuser der Fünf-Sterne-Kategorie nicht füllen. Sebastian Riewe, Sales and Marketing Director im Hotel Adlon, sagt, dass die Gäste aus Russland, Asien und den USA fehlen. Zwar erkenne er eine positive Entwicklung hin zu 50 Prozent Auslastung. "Aber am Ende braucht so ein Haus wie das Adlon eine Auslastung von 70 bis 80 Prozent, um rentabel zu sein." Anlass zur Hoffnung, dass zumindest das USA-Geschäft langsam zurückkommt, geben Sebastian Riewe zwei neue USA-Direktverbindungen: Seit Anfang März gibt es wieder einen Flug Berlin - New York, Anfang Mai kommt eine Direktverbindung Berlin - Washington, D.C., dazu.

Gäste müssten allerdings damit rechnen, dass die Hotelzimmer in der Stadt teurer werden, sagt Thomas Lengfelder von der Dehoga. Grund seien die Inflation, die drastisch steigenden Energie- und Lebensmittelpreise und akuter Personalmangel. Wie hoch die Preissteigerung ausfallen werde, sei schwer abzusehen, sagt Christian Tänzler. Schon jetzt seien die Preise für Übernachtungen gestiegen, doch im Vergleich zu anderen Städten biete man in Berlin immer noch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

"Berlin ist immer noch das Schaufenster der Republik - und ein Sammelbecken für kreative und unruhige Geister", sagt Berlins Chefvermarkter Burkhard Kieker. Die deutsche Hauptstadt habe als Reiseziel nichts an Attraktivität eingebüßt - für Besucher mit großen ebenso wie solche mit kleinen Reisebudgets. Ihr Hotelmarkt entwickle sich schon immer nach eigenen Gesetzen und erfinde sich immer wieder neu. Das sei nach dem Mauerfall so gewesen, und das sei auch nun so, in der gefühlten Nach-Corona-Zeit.

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