Süddeutsche Zeitung

Bergsport:"Das Schlimmste ist die Unsicherheit"

Der Bergführer Walter Laserer über seine vorerst letzte Bergtour und die Frage, wie es nach den Ausgangsbeschränkungen weitergehen könnte.

Interview von Dominik Prantl

Walter Laserer, 58, ist seit 36 Jahren Bergführer und gründete vor drei Jahrzehnten die Bergschule Laserer Alpin. Der Oberösterreicher stand mehrmals auf den Seven Summits, drei Mal mit Gästen auf dem Gipfel des Mount Everest - und erlebt derzeit eine Situation wie noch nie zuvor.

SZ: Herr Laserer, wann waren Sie zuletzt in den Bergen?

Laserer: Das war in der zweiten Märzwoche auf einer Skitourenreise in Norwegen. Während wir dort waren, hat sich schon abgezeichnet, dass es Probleme geben könnte, nach Hause zu kommen. Aber wir haben dann doch noch Glück gehabt.

Können Sie den Appell vieler Institutionen, den Bergsport bitte unbedingt zu unterlassen, nachvollziehen?

Natürlich kann ich das nachvollziehen. Ich selbst bin nicht einmal mehr die Piste mit Tourenskiern hoch. Was mir aber nicht ganz einleuchtet, ist die Begründung, dass durch Bergunfälle zu viele Ressourcen abgezogen werden. Für mich wäre es ein Diskussionsansatz gewesen, statt dem Bergsteigen eher die Bergrettung einzustellen. Das alleine hätte viele zum Denken angeregt, wenn sie auf einmal komplett eigenverantwortlich am Berg unterwegs sind. Es hätte einen erzieherischen Effekt.

Haben Sie Verständnis für Leute, die jetzt noch auf Berge steigen?

Im Sinne der Vorbildfunktion nicht. Man muss aber unterscheiden, um welche Form des Bergsteigens es sich handelt. Da muss man differenzieren. Bergwandern tut meines Erachtens keinem weh. Ich selbst unterlasse es trotzdem. Stattdessen mache ich Waldläufe.

Wie weh tut es einem Bergführer, nicht mehr in die Berge gehen zu dürfen?

Ich bin seit 30 Jahren Vollprofi und lebe von dem Job als Bergführer. Wir sind es gewohnt, dass es saison- und witterungsabhängige Schwankungen beim Umsatz gibt. Ein Hänger von einigen Wochen ist deshalb nicht existenzbedrohend, auch dank der staatlichen Überbrückungshilfe. Im Moment schreibe ich einfach mein drittes Buch. Was mich jedoch stört, ist die Planungsunsicherheit.

Was bedeutet das in Ihrem Fall?

Wir - und damit meine ich nicht nur Bergführer, sondern auch Hüttenwirte - wissen noch nicht, ob und wie weit die Reisefreiheit eingeschränkt bleibt. Falls es so bleibt, stehen wir vor dem Dilemma, dass wir nicht mehr ins Ausland reisen dürfen und dann nur noch mit Gästen aus Österreich den Großglockner und den Dachstein hochrennen. Das macht uns noch abhängiger von der Witterung. Der zweite Punkt ist das derzeit herrschende Veranstaltungsverbot. Dürfen wir dann noch einen Gletscherkurs machen? Lohnt der sich noch bei vier Teilnehmern? Und haben die Hütten überhaupt geöffnet? Daher kann ich im Moment auch den Sommer nicht planen. Das ist das größte Problem.

Info

Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

Als Betreiber einer Bergschule mit rund 100 Veranstaltungen pro Jahr beschäftigen Sie auch mehrere freiberufliche Bergführer. Was tun die derzeit?

Im Moment arbeitet keiner von ihnen. Einige hätten noch einen Job in der Kletterhalle, nur haben die auch geschlossen. Generell machen viele Bergführer den Job nebenberuflich und werden im Sommer wohl in ihren Hauptjob wechseln. Aber für die, die davon hauptberuflich leben, wird es hart. Dabei sind Bergführer eh keine Menschen, die reich werden wollen.

Sie sind in der ganzen Welt unterwegs. Da darf man sich wahrscheinlich dennoch glücklich schätzen, in Mitteleuropa als Bergführer sein zu dürfen.

Das sowieso! Es braucht ja Leute, die sich einen Bergführer leisten können. In der Solukhumbu-Region in Nepal, wo es den Leuten durch den Bergtourismus vergleichsweise gut geht, fällt jetzt alles flach. Und am Kilimandscharo in Afrika schaut es wahrscheinlich noch schlimmer aus.

Hat es nicht auch etwas Positives, wenn nicht mehr so viele Menschen auf Berge steigen? Für die Natur zum Beispiel?

Ich habe schon den Eindruck, dass die Natur in unserem überzogenen Gesellschaftssystem gerade einiges zurückregelt, wobei sich darüber gescheitere Leute als ich den Kopf zerbrechen. Aber für was brauchen wir denn eine intakte Natur, wenn kein Mensch mehr hineindarf? Und ich glaube nicht, dass es Corona für einen vernünftigen Naturschutz braucht.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2020
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