Zugegeben, echte Geheimtipps sind Seeben- und Drachensee nicht. Dafür ist das Tiroler Bergseen-Duo einfach zu gut. Außerdem hält die Ehrwalder Almbahn ums Eck, also nur etwa zwei Fußstunden entfernt, weshalb die Menschen schon vor dem coronabedingten Wanderwahnsinn in Scharen an die türkis leuchtenden Gewässer pilgerten, um dort der infektiösen Selfiesucht zu frönen.
Wer die Seen aber wirklich würdigen will, nimmt vor einem Bad den Weg über den Gipfel des Vorderen Tajakopfs (2450 Meter), genauer: über die Tajakante. Was ein wenig so wirkt, als würde man als Münchner über Nürnberg in die Alpen fahren, hat einen Grund: Von hier oben betrachtet sind die Seen besonders schön.
Wandern und Schwimmen:"Jeder kann sich an die Kälte gewöhnen"
Hansjörg Ransmayr schwimmt durch eisige Gletscherseen. Ein Gespräch über die Anpassungsfähigkeit des Körpers und über die Frage, warum Wasser nicht gleich Wasser ist.
Den Ausblick muss man sich allerdings hart erarbeiten. Denn beim Weg über die Tajakante handelt sich um einen mit der Schwierigkeit D bewerteten Klettersteig, was laut Skala "sehr schwer" bedeutet und entweder viel Armkraft oder - besser - die richtige Technik verlangt. Umdrehen ist keine Option, weil das Absteigen noch stärker an den Nerven zehrt und zudem die Bergsteiger von unten nachrücken. Der typische Almbahnwanderer sollte daher lieber am Drachensee, dem höher gelegenen der beiden Seen, in der Coburger Hütte (1917 Meter) einkehren und beispielsweise das wahrscheinlich beste Tiroler Gröstl Tirols auf der Hüttenterrasse verkosten.
Es sind auch so schon genug Menschen am Klettersteig unterwegs, die der Sache nicht gewachsen sind. Gerade vor den senkrechten, teils überhängenden Schlüsselstellen kann es immer wieder zu kleinen Wartezeiten kommen, was in diesem Fall halb so schlimm ist. Dafür hat man mehr Zeit für das Panorama: unten der Seebensee (1657 Meter), im Norden das Zugspitzmassiv, im Süden ein Meer aus Bergen. Selbst gut Trainierte brauchen locker zwei Stunden für die fast 600 Höhenmeter am Stahlseil. Wer sich zu viel zugemutet hat, ist schnell doppelt so lang unterwegs. Am Gipfel angekommen, sind es zudem noch 500 Höhenmeter bis zur Hütte, 800 bis zum Seebensee und 1400 bis ins Tal.
Unterwegs wird man dann auch merken, dass Drachen- und Seebensee zwar wunderbare Fotomotive sind, manch Tajakanten-gestählter Klettersteiggeher jedoch eingestehen muss, vielleicht doch nicht gestählt genug zu sein, um mehr als nur die Füße im viel zu kalten Wasser baden zu wollen.
Von der Bergstation der Ehrwalder Almbahn sind es 450 Hm bis zu beiden Seen, von der Talstation noch einmal 400 Hm mehr. Der Klettersteigeinstieg ist auf ca. 1850 m oberhalb des Seebensees.
Noch mehr schöne Bergseen finden Sie hier (und die zugehörigen Artikel unter der Karte):

Reedsee in Österreich:Nahezu perfekt
Der Reedsee hat sich seine unberührte Schönheit bewahrt. In seinem klaren Wasser spiegeln sich Bäume, Berge und Himmel.

Sieben-Seen-Tal in Slowenien:Im Schattenreich
Jeder Slowene, so heißt es, müsse einmal im Leben den Triglav besteigen. Die Seen rund um den Berg sind trotzdem nicht überlaufen.

Gaisalpsee im Allgäu:Opfer seiner Beliebtheit
Der Gaisalpsee im Allgäu ist ein Bergsee wie aus dem Bilderbuch - und ein Beispiel dafür, was mit Orten geschieht, die zum Trendziel werden.

Nambino-See im Trentino:Fischen auf hohem See
Der Nambino-See im Trentino liegt auf fast 1800 Metern. Im kühlen Wasser sind die Bergforellen besonders aktiv - manchmal erwischt man sie sogar.

Soiernseen im Karwendel:Der Kini wusste, was schön ist
König Ludwig II. segelte auf den Soiernseen. Im Unterschied zu den Wanderern, die heute hinaufsteigen, ließ er sich allerdings tragen.