Berghotel im Schweizer Engadin:Fex-Appeal

Hotel Fex im Engadin in der Schweiz

Berghütte mit Grand-Hotel-Flair oder doch historische Herberge mit Chaletcharakter: das Hotel Fex im Engadin in der Schweiz

(Foto: Stephan Rumpf)

Um 1850 in St. Moritz erbaut, zerlegt und in einem Seitental des Engadins wieder zusammengesetzt: Das Hotel Fex hat eine eigentümliche Vergangenheit - und beste Aussichten in der Gegenwart. Ein Besuch in der Berghütte mit Gran-Hotel-Flair.

Von Jochen Temsch

Dieser Beitrag ist erschienen am 25. September 2014. Wir haben die Übernachtungspreise aktualisiert. Darüber hinaus ist der Text unverändert.

Draußen ist das Jahr 2015, drinnen das 19. Jahrhundert. Die Räume sind hoch, der Holzboden knarzt, der Schrank für die Wanderstiefel im Foyer war einmal eine Telefonzelle. Eine eigentümliche Atmosphäre empfängt den Gast des Hotels Fex im Fextal. Eine ganz besondere Stimmung, die vielleicht auch daher rührt, dass man als Neuankömmling nicht so recht weiß, ob man sich hier auf 1973 Höhenmetern wie in einer Berghütte mit Grand-Hotel-Flair fühlen soll oder doch eher wie in einer historischen Herberge mit Chaletcharakter. Schon beim Betreten versetzt einen das Fex zurück zu den Anfängen des alpinen Tourismus.

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In den 1850er-Jahren erbaut, stand das Gebäude zunächst in St. Moritz Bad. Balthasar Arquint, ein Concierge des Hotels Victoria in St. Moritz, kaufte es um die Jahrhundertwende, ließ es auseinandernehmen, die Einzelteile mit Pferdefuhrwerken ins hintere Fextal transportieren und dort wieder zusammensetzen. Im Sommer 1904 empfing er die ersten Gäste. Mehr ist nicht bekannt. "Die Menschen mussten hart arbeiten", sagt die heutige Besitzerin des Hotels, Lotte Schilder-Bär, "sie hatten anderes im Sinn als Fotografen zu engagieren oder den Aufbau des Hotels sonst irgendwie zu dokumentieren."

Die Kunsthistorikerin stattete das Hotel mit Möbeln aus der Gründerzeit und dem Jugendstil aus. Seit Jahren forscht sie in Archiven nach der Vergangenheit des Hauses. Dass es ursprünglich nicht für diese Höhe gedacht war, können Kenner der Engadiner Architektur schon an der Dachkonstruktion ablesen: Dem dominierenden Mittelgiebel fehlen die typischen schwarzen Gneisplatten, mit denen die traditionellen Häuser der Region wind- und wetterfest gemacht wurden. Ein alter Steinbruch für diese Platten befindet sich in Sichtweite des Hotels an der Alp da Segl. Der Fexer Gneis war einst neben Zigaretten und Zucker ein begehrtes Schmuggelgut, das über die Grenze nach Italien ins Valmalenco ging. Heute kommen die Gneisplatten für das Engadin wiederum meistens von dort.

Adel, Wetten, Sommerfrische

Was immer den Concierge Balthasar Arquint dazu antrieb, das Hotel Fex an diese Stelle zu versetzen - sicher ist: Es erwies sich als geniale Geschäftsidee. Schon damals florierte der Tourismus im Engadin. Die Zeitungen vermeldeten die Namen der Adligen, die wochenlang mit ihrem Hofstaat in St. Moritz logierten - und Tausende betuchte Nachahmer aus aller Welt zur Sommerfrische anlockten. Und selbst im Winter brummte der Tourismus bereits.

Dieses Jahr feiert das Engadin den 150. Jahrestag einer legendären Wette des Hoteliers Johannes Badrutt aus St. Moritz. Er versprach seinen englischen Sommergästen hemdsärmelige Wintertage - andernfalls übernähme er die Reisekosten ab London und zurück. Das Kalkül ging auf. Die Urlauber kamen, die Preise stiegen.

Sieben Sommer wohnte Nietzsche zur Untermiete

Der kranke, frühpensionierte Friedrich Nietzsche konnte sich im Sommer 1881 nicht einmal mehr ein Zimmer in St. Moritz leisten und wich nach Sils-Maria, das Dorf am Eingang zum Fextal, aus. Er wohnte sieben Sommer lang zur Untermiete in einem bescheidenen Häuschen, das heute ein Museum und eine Forschungsstätte beherbergt, deren Besuch frappierend intime Einblicke in das Leben und Schaffen des Philosophen gibt. Berühmte Künstlerfreunde und Intellektuelle aus ganz Europa folgten ihm bis heute nach. Sie wohnten und wohnen bevorzugt im Hotel Waldhaus, eine Silser Institution mit Weltruf.

Wer es sich leisten konnte, ging vor hundert Jahren der damals schicken Urlaubsaktivität nach: Man fuhr in der Pferdekutsche spazieren und ließ sich mit opulenten Menüs verwöhnen. Und hier kommt wieder der Concierge Arquint ins Spiel, kraft seiner Schlüsselposition als Organisator in einem namhaften Hotel einflussreich und gut entlohnt. Er empfahl den Gästen Ausflüge mit der Pferdekutsche zu seinem eigenen Betrieb im Fextal.

Vier Gänge, regional und in Bio-Qualität

Berghotel im Schweizer Engadin: Mit Blick auf einen Bauernhof: der Speisesaal

Mit Blick auf einen Bauernhof: der Speisesaal

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Speisesaal des Hotel Fex ist im Original aus dieser Zeit erhalten, mit Holzwänden, Fischgrätenparkett und hölzernen Isolatoren an der Decke, über die offene Stromdrähte zu den Lampen laufen. In diesem Raum meint man das Silberbesteck der Herrschaften von damals noch auf dem Porzellan klingen zu hören.

Lotte Schilder-Bär hat Speisekarten für Diners mit zwölf bis 15 Gängen in den Archiven gefunden. Heutzutage gibt es nur noch vier Gänge im Fex, alles in Bio-Qualität und aus lokaler Erzeugung, teils nur wenige Meter vom Hotel entfernt. Während des Essens kann man hinübersehen zu einem der Bauernhöfe, von dem die Zutaten stammen. Flauschige Alpakas stehen auf dem Hof herum, sie zu kraulen, ist eine der Lieblingsbeschäftigungen der Kinder.

Man speist auf Thonetstühlen und lässt den Blick weit durch Panoramafenster schweifen, ins Grüne, zum vergletscherten Talschluss, auf die umliegenden Gipfel des Chapütschin, Piz Güz oder Tremoggia - keine Strommasten oder Liftanlagen verschandeln die Sicht.

Gäste, die im Winter kommen, nutzen den Schnee auf sanfte Art und Weise, vor allem zum Langlaufen und Skitourengehen. Seit 1954 steht das Tal unter Naturschutz. Autos dürfen hier nicht fahren - ausgenommen die der Einwohner, rund 100 Menschen, deren Kleinsiedlungen sich auf sechs Kilometer verteilen. Entsprechend wild wirkt das Fextal.

Drehort für "Clouds of Sils Maria" mit Juliette Binoche

Im Dezember läuft ein Film in den deutschen Kinos an, der die ungezähmte Natur des Oberengadins gehörig romantisiert: "Clouds of Sils Maria" mit Juliette Binoche in der Hauptrolle. Nach den Dreharbeiten, die in der extrem ruhigen Nebensaison teils im Hotel Waldhaus in Sils und im Fextal stattfanden, lästerte Binoche, sie könne sich nicht vorstellen, hier Urlaub zu machen, sie möge keine "Ferien für ältere Leute". Im Hotel Fex war sie nicht. Dort hätte ihr vielleicht der Grund für einen Aufenthalt unmittelbar eingeleuchtet: einfach da sein, auch wenn das vielen gestressten Städtern schwerfällt.

"Manche Gäste fragen mich ganz aufgeregt, was man hier unternehmen kann", sagt die Stellvertreterin der Direktion, Béatrice Kemp, "aber das legt sich dann recht schnell. Hier kann von vor allem eines tun: ankommen und zur Ruhe finden."

Wer nach dem Abendessen im Internet surfen oder zu Hause anrufen möchte, muss auf der Suche nach einer stabilen Verbindung über Kuhweiden stolpern. Das ist die Gelegenheit, den grandiosen Sternenhimmel über dem kaum beleuchteten Tal zu bewundern.

Wegen seiner vorzeitlichen technischen Infrastruktur hat das Hotel Fex nur zwei Sterne. Auf den Zimmern gibt es weder Fernseher noch Telefon. Wer sowieso lieber ganz abschaltet, nimmt sich ein Buch aus der Bibliothek neben dem Speisesaal oder unterhält sich mit den anderen Gästen.

"Das Stille, das aus der Welt Gefallene"

Zum Beispiel Sylvia Hamberger, einer auf die Alpen spezialisierten Biologin. Gemeinsam mit Wolfgang Zängl und ihrem Team von der Gesellschaft für ökologische Forschung in München hat sie 5000 historische Abbildungen von Gletschern zusammengetragen. Die Ausstellung "Gletscher im Treibhaus" und das Projekt gletscherarchiv.de kontrastiert die alten Darstellungen mit Fotos von heute und belegt eindrücklich die Folgen der Klimaerwärmung in den Bergen. Um den Fexergletscher sei es "nicht so dramatisch" bestellt wie um andere, sagt Hamberger, aber fotografieren konnte sie ihn in diesem Sommer nicht, weil zu viel Schnee auf ihm lag. An Belle-Epoque-Hotels wie dem Fex schätzt sie "das Stille, das aus der Welt Gefallene".

Berghotel im Schweizer Engadin: In den schlichten Zimmern von Technik keine Spur

In den schlichten Zimmern von Technik keine Spur

(Foto: Stephan Rumpf)

Es ist eine Stille, die in der Nacht höchstens vom leisen Bimmeln der kleinen Kuhglocken an den Zimmerschlüsseln begleitet wird. Maximal 33 Gäste können im Fex übernachten. Die Zimmer sind hölzern schlicht eingerichtet, keines gleicht dem anderen. Vier Räume wurden behutsam modernisiert, wobei alte Deckenmalereien zum Vorschein kamen. In den anderen Zimmern zeugen noch dunkelbraune Badfliesen aus den 1970ern davon, dass nicht jede vergangene Epoche stilsicher gewesen ist.

Mittags kommen die Tagesausflügler

Bis zum Mittag gehört das Hotel Fex den Gästen allein. Dann kommen Tagesausflügler, zu Fuß oder mit der Pferdekutsche. Die Kutscher haben eine eigene Stube im Hotel, und einer, der dort oft gesessen hat, ist Christoph Klopfstein. Der 70-Jährige hat jahrzehntelang Gäste durchs Fextal befördert, darunter auch den Schah von Persien, Reza Pahlavi, der sich, begleitet von schwer bewaffneten Leibwächtern neben Klopfstein auf dem Kutschbock, zum Essen ins Hotel Sonne im Weiler Fex-Crasta bringen ließ - in den 70er- und 80er-Jahren eines der Ziele für Ausflüge des in St. Moritz wohnenden Jetsets. "Die Stammgäste im Fextal mussten ein Jahr im Voraus reservieren, sonst hätten sie keine Zimmer mehr bekommen, so ging es hier zu", sagt Klopfstein, "das hatte schon Klasse."

Informationen

Anreise: Mit Zug und Postauto via St. Moritz nach Sils-Maria, www.db.de, www.sbb.ch, weiter mit Hoteltransfer.

Unterkunft: Übernachtung mit HP ab 125 Schweizer Franken pro Person. Hotel Fex, Via da Fex 73, CH - 7514 Fex/Sils, Tel.: 0041/818 32 60 00, www.hotelfex.ch, geöffnet im Sommer und Winter.

Weitere Auskünfte: Schweiz Tourismus, Beratung und Buchung kostenlos unter Tel.: 00800/10 02 00 30, www.myswitzerland.com, www.engadin.stmoritz.ch, Nietzsche-Haus: www.nietzschehaus.ch, Gletscherarchiv: www.gletscherarchiv.de

Das Hotel Fex war damals und ist heute noch die einfachere, bodenständige Variante des alten Glanzes. Das merkt man an der Erholung. Nach dem Auschecken dauert es ein Weilchen, bis man tatsächlich wegkommt vom Hotel, zurück ins Jahr 2014.

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