Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Einmal im Leben:Weihnachten in der Berghütte

Niemand stört, nichts piept und bimmelt. Schöner geht es nicht. Nur rankommen muss man an eine.

Von Jochen Temsch

Wenn die Sonne untergeht, ist die Stille hier oben so vollkommen, dass nur noch das Knacken des Feuers im Kamin zu hören ist. Zwei, drei liebe Menschen sind dabei, und wer jetzt nicht hier ist, kommt auch nicht mehr. Im Stall von Bethlehem war mehr Betrieb. Und statt eines großen Sterns prangt darüber die ganze Milchstraße.

Niemand stört, nichts piept und bimmelt. Das Handy ist nutzlos, Empfang gibt es erst wieder auf dem Findling ein paar Hundert Meter den Hang hinauf. Das Essen ist simpel, irgendetwas, das auf dem Holzherd eben leicht hinzukriegen ist. Schön wäre jetzt noch, die 19-Grad-Regel umzusetzen, von den unteren Strichen des Thermometers her. Aber ein dicker Pulli tut es auch. Und sonst? Das reicht. Zusammensitzen, reden und Karten spielen, früh in den Schlafsack schlüpfen und noch einmal rausschauen in die Nacht, die erstaunlich hell ist, weil der Mond in der verschneiten Berglandschaft nicht scheint, sondern strahlt.

Berghütten sind im Süden Deutschlands das, was im Norden Segelyachten sind. Viele wollen eine. Aber wenn schon Hütte, dann richtig, dann in der Pampa und ganz allein, kein Chalet-Resort, das für viel Geld einen auf Omas heiles Landleben mit Fußbodenheizung und Semmelservice macht. Man muss nur jemanden kennen, der jemanden kennt, der eine hat. Und genug Proviant hinauftragen. Dann hält man es ein paar Tage aus, bevor man wieder hinabsteigt in die Zivilisation. Vielleicht.

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