14 Jahre: BER
Die Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg "Willy Brandt", besser bekannt als BER, am 30. Oktober 2011, nein, am 3. Juni 2012, Verzeihung, am 17. März 2013, ach, am 27. Oktober 2013 ... oder war es doch erst im zweiten Halbjahr 2017, hoppla, 2018, aber jetzt: am 31. Oktober 2020 ist ein historisches Ereignis. Auch, weil der Airport schon Geschichte war, bevor reguläre Flüge starteten und landeten. Allerdings keine Erfolgsgeschichte. Man könnte sagen, dass die Marke "made in Germany" ein wenig gelitten hat.
Woanders geht es doch auch zügiger. Und dabei kommt Sehenswerteres heraus als ein recht zweckdienlicher Bau in Schönefeld: ein paar schnelle Beispiele von New York bis Indien.
Zehn Jahre: Grand Central Terminal, New York
Damit Manhattan das Synonym für Urbanität und Wolkenkratzerwelt werden konnte, prägten besonders im frühen 20. Jahrhundert unzählige Baustellen das Stadtbild. Zu den Superlativen der Metropole kam auch "größter Bahnhof der Welt". Grand Central wurde zwischen 1903 und 1913 gebaut - während der bereits existierende Eisenbahnbetrieb in Manhattan mit allen Mitteln aufrechterhalten wurde, wohlbemerkt. Seit der Vollendung können Reisende den Blick nach oben zu einem leuchtenden Sternenhimmel richten - und bewegen sich inzwischen in einer populären Filmkulisse. Ganz real ist der Bahnhof eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten New Yorks. "Meet me at the clock" hat für New Yorker eine klare Bedeutung: das Treffen findet an der berühmten Bahnhofsuhr statt.
Acht Jahre: Kolosseum, Rom
Hätten sie mitleidig gelächelt oder gar verächtlich abgewunken? Jedenfalls wären die Römer von der kleinlauten Einweihung des BER alles andere als beeindruckt gewesen. Ihre eigene Vorstellung von der angemessenen Inbetriebnahme eines Bauwerks demonstrierten sie im Jahr 80 n.Chr. unter Kaiser Titus mit hunderttägigen Feiern, die viele Gladiatoren und tausende Tiere das Leben kosten sollten - und angeblich sogar mit nachgestellten Seeschlachten gekrönt waren. Arbeitsschutz auf der Baustelle, gute Arbeitsbedingungen für das Servicepersonal? Natürlich keine Themen im Alten Rom. Sehr wohl wurde interessanerweise aber ein ausgeklügeltes Evakuierungssystem verwirklicht - solche und andere kuriose Fakten zum Kolosseum haben wir hier gesammelt.
Fünf Jahre: Hagia Sophia, Istanbul
Weniger als sechs Jahre, so die Überlieferung, soll die Errichtung des gewaltigen Kuppelbaus im damaligen Konstantinopel gedauert haben, im Jahr 537 wurde die Hagia Sophia, die "Heilige Weisheit", geweiht. 1000 Jahre lang war die Hagia Sophia die größte christliche Kirche, ein goldenes Machtzentrum, innen wie außen voller Symbolik - bis sie nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 zur Moschee umgestaltet wurde. Die Umwandlung in ein Museum im Jahr 1934, angeregt durch den damaligen Präsidenten Atatürk, sollte beiden Traditionen Rechnung tragen. Seit Juli 2020 ist sie wieder Moschee: Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan trieb die Umwidmung gegen alle Kritik voran.
Die Statik des Bauwerks fasziniert noch heute. Die Hauptkuppel mit einem Durchmesser von mehr als 30 Metern ruht lediglich auf vier Stützpfeilern. 40 Fenster an ihrem unteren Rand sorgen dafür, dass sie optisch zu schweben scheint. Den schnellen Baumeistern des sechsten Jahrhunderts gelang die optimale Form allerdings noch nicht ganz: Nachdem die Kuppel bereits 558 bei einem Erdbeben wieder einstürzte, wurde die zweite Auflage etwas runder nach oben gezogen.
Fünf Jahre: Fatehpur Sikri, frühere Hauptstadt des Großmoguls Akbar I. in Indien
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und dieser wird schnell beschritten - zumindest wenn ein Herrscher Ende des 16. Jahrhunderts beschließt: Ich hätte gerne eine Hauptstadt, und zwar etwas abseits gelegen. Vorteil solcher Machthaber war, dass sie sich weder um Brandschutz oder andere TÜV-Vorgaben scheren mussten - allerdings hätte Großmogul Akbar eine Kleinigkeit bei der Planung berücksichtigen sollen: die Wasserversorgung.
Er und seine Entourage saßen südwestlich von Agra überraschenderweise weitgehend auf dem Trockenen, die Hitze wird nur im Sommer von Monsunregengüssen unterbrochen. So wurde die Hauptstadt des Mogulreichs zwar in nur fünf Jahren von 1569 bis 1574 errichtet, doch bereits 1585 zog Akbar I. mitsamt Hofstaat nach Lahore um. Trotz der kurzen Bauzeit hatten die Meister aber nicht auf schnöde Zweckarchitektur gesetzt, im Gegenteil: Das Palastviertel von Fatehpur Sikri ist seit 1986 als Unesco-Welterbe geschützt.
Vier Jahre: Brasília
Längerfristigen Erfolg hatte Brasilien mit seiner Hauptstadt, die auf dem Reißbrett entworfen wurde: Bis ins kleinste Detail hatten Stadtplaner Lúcio Costa und Architekt Oscar Niemeyer die Viertel durchdacht - und nur 27 Jahre nach der Fertigstellung wurde Brasília zum Unesco-Weltkulturerbe gekürt. Ja, die Geschichte von Brasília kann Planende anderswo blass vor Neid oder rot vor Scham werden lassen. Auch wenn die Idee für das neue Zentrum Brasiliens auf das 19. Jahrhundert zurückgeht: Die eigentliche Bauzeit betrug nur vier Jahre. Obwohl es nicht danach aussieht, war der Bau im Nirgendwo des zentralen Hochplateaus eine Vernunftentscheidung: Das Binnenland sollte gestärkt und besser erschlossen werden. Im Jahr 1956 war etwa der nächste Flugplatz von der künftigen Hauptstadt knapp 200 Kilometer entfernt.
Das Zentrum selbst ähnelt von oben einem Flugzeug, tatsächlich wurde es aber als Kreuz entworfen - nur zwang die Geografie vor Ort zu gebogenen "Balken". Der Anschein passt zu den Gebäuden, die wie Ufos wirken, die vielleicht bald wieder abheben. So scheint Oscar Niemeyer, Meister der geschwungenen Linien, die "fliegenden Untertassen" beim Entwerfen des Kongressgebäudes direkt vor sich gesehen zu haben. Übrigens ist auch der See Paranoá, an dem die Planhauptstadt liegt, künstlich aufgestaut.
Vier Jahre: Daxing International Airport, Peking
In so kurzer Zeit kann einfach kein funktionierender Flughafen gebaut werden? Nun, der flächenmäßig größte der Welt in Peking war bereits nach vier Jahren fertig. Bei der Einweihung 2019 wurde man in China nicht müde, auf diese kurze Zeitspanne wiederholt hinzuweisen: Die Deutschen könnten etwas lernen von China!
Der von Zaha Hadid mitentworfene Airport - Spitzname "Seestern" - wurde etwa 46 Kilometer südlich vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking hochgezogen und soll den im Nordosten gelegenen Capital International Airport entlasten. Pünktlichkeit während der Bauzeit war Staatsbürgerpflicht und der Druck groß: Der umgerechnet 15 Milliarden Euro teure Flughafen wurde in den Staatsmedien als Symbol für Chinas Leistungsfähigkeit und Wachstum präsentiert - und das rechtzeitig zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober 2019. Es war "als würde man jeden Tag ein 18-stöckiges Gebäude hochziehen", zitierte das Luftfahrtmagazin Wingmag den Bauleiter.
Zwei Jahre: Eiffelturm, Paris
Gut, man könnte einwenden, dass eine Bauzeit von zwei Jahren für ein stählernes Eingangsportal einer Weltausstellung keine allzu besondere Leistung ist. Aber das Projekt geriet dann doch etwas größer: 40 Jahre lang blieb der Eiffelturm mit seinen 324 Metern das höchste Gebäude der Welt.
Am 18. Januar 1887 begannen die Bauarbeiten am Fundament, ab Juli desselben Jahres wuchs der Turm in die Höhe. 18 038 Einzelteile aus Schmiedeeisen mussten mit Nieten zusammengefügt werden. Die Konstruktionsidee stammte im Übrigen gar nicht von Gustave Eiffel selbst. Heute würde man ihn wohl den Projektleiter nennen. Die beiden bei ihm angestellten Ingenieure Maurice Koechlin und Emile Nouguier entwarfen das Metall-Gerippe, der Architekt Stephen Sauvestre sorgte für den optischen Feinschliff.
Die Wertschätzung für ihre bahnbrechenden Ideen hielt sich in Grenzen, von der "Schande von Paris" sprachen die Kritiker. Am 31. März 1889 wurde der Turm eröffnet, planmäßig bereits einige Wochen vor dem Start der Weltausstellung. Und tatsächlich gewöhnten sich die Pariser recht schnell an den neuen Anblick. Der ursprüngliche Plan, das Bauwerk nach 20 Jahren wieder zu demontieren, wurde bald zu den Akten gelegt. Die Schande war längst zum Wahrzeichen geworden.
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18 Monate: Empire State Building
Es war ein Egotrip in Hausform, eine Stein und Stahl gewordene Kampfansage an die Konkurrenz: Mitten in der großen Wirtschaftskrise ließ der damalige Vizechef von General Motors, John Jakob Raskob, das Empire State Building hochziehen, um das Chrysler Building ganz in der Nähe zu übertrumpfen. Oft mehr als vier Stockwerke pro Woche schnell, wuchs 1930/31 das am Ende höchste Gebäude der Welt in den Himmel über Manhattan. Das Motto: "Möglichst hoch, ohne dass es umfällt!" Wäre der Wettbewerb mit dem Chrysler Building übrigens nicht gewesen, wäre das Empire State Building weitaus weniger ansehnlich ausgefallen: Ursprünglich war nur ein schlichter Hochhausblock mit ein paar Vorsprüngen geplant. Doch weil der Abstand deutlicher ausfallen sollte, wurde nochmals aufgestockt: So erhebt sich das Empire State Building nun dank Turm auf dem Turm 381 Meter hoch (mit der später montierten Antenne sogar 444 Meter), das Chrysler Building "nur" 319 Meter. Bis 1972 hielt der globale Höhenrekord.
Der Preis des schnellen Ruhms: So schlecht bezahlte wie geschützte Arbeiter begannen schon morgens um halb vier die Schicht - im September 1930 errichteten sie in nur zehn Tagen 14 Stockwerke. Auch das Schicksal der 3500 Bauarbeiter gehören zur Vergangenheit der weltberühmten Sehenswürdigkeit: 14 Menschen kamen ums Leben. Beim Bau des Chrysler Buildings starb kein einziger, obwohl es ebenfalls in eineinhalb Jahren fertig wurde.
Aber, den Verantwortlichen für den Pannenflughafen BER zum Trost, es kann auch mal länger dauern. Sehr viel länger:
144 Jahre (voraussichtlich): Sagrada Família, Barcelona
Wenn heutzutage jemand sagt, er nehme sich ein Langzeitprojekt vor, spricht er meist von Monaten, höchstens ein paar Jahren. Als 1882 Antoni Gaudí sagte, er übernehme da mal so ein Gotteshausprojekt, dachte er langfristiger: Die Basilika "Sagrada Família" soll erst im Jahr 2026 fertig werden, zum 100. Todestag des Schöpfers (also Gaudís). Außer der Corona-Lockdown reißt vorher so große Finanzierungslücken, dass es noch länger dauert, bis die "Heilige Familie" komplett ist - eine Sehenswürdigkeit mitten in Barcelona ist sie längst. Das ist gut so, denn die hohen Baukosten werden nicht nur mit Spenden, sondern auch Eintrittsgeldern beglichen. Zum Ruhm trägt der Unesco-Welterbetitel bei; kaum ein anderes Gebäude dürfte diesen halbfertig verliehen bekommen haben.
Der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ist ebenfalls geplant als höchste Kirche der Welt: Der größte der 18 Türme soll 2022 fertig werden und dann 172,5 Meter aufragen - und wird damit gemäß Antoni Gaudís Wunsch knapp unterhalb des 180 Meter hohen Hausbergs Montjuïc bleiben. Das Menschenwerk soll nicht weiter in den Himmel ragen als Gottes Schöpfung ringsum.
Übrigens könnte die Sagrada Família zudem den Rekord halten als unübersehbarster Schwarzbau der Welt: Erst 2019 wurde eine offizielle Baugenehmigung erteilt - und kostete 4,6 Millionen Euro extra. Wie der Turmbau zu Barcelona zu einem Ende kommt, sieht man hier im Video - und keine Sorge, natürlich in Zeitraffer.
Unendliche Bauzeit: Kölner Dom
Wo beim BER viele hofften, dass er bald fertig werden möge, aber nicht daran zu glauben wagten, verhält es sich beim Kölner Dom genau anders herum: Wer ihn sieht, glaubt ein fertiges Gotteshaus der Superlative vor sich - und irrt, denn am Kölner Dom gibt es immer etwas zu tun. Hoffentlich! Denn sollte er jemals komplett sein, dann geht die Welt unter. Behauptet zumindest der Volksmund, und der muss es ja wissen.
Die Kern-Bauzeit des Kölner Doms erscheint sowieso wie eine Ewigkeit - was auch an einer Zwangspause liegt, welche der BER locker unterbietet: Sie dauerte 300 Jahre. Auch wenn man die Vorgängerbauten unterschlägt, die unter dem gewaltigen Kirchenschiff ruhen, zog sich die Zeit von der Grundsteinlegung bis zur (Beinahe-)Fertigstellung: 1248 wurde der Abriss des "Alten Doms" beschlossen und gleich der Bau des Nachfolgers begonnen - schließlich wollte Friedrich I. Barbarossa seine Kriegsbeute würdig aufbahren: die Gebeine der Heiligen drei Könige.
Bis 1500 wurde munter weitergebaut, dann schwand mit dem Geld das Interesse oder umgekehrt. Im 18. Jahrhundert nutzten Napoleons Truppen, diese Banausen, den brachliegenden Dom gar als Pferdestall. Sogar über den Abbruch der gotischen Baustelle wurde nachgedacht (dem ein oder anderen war dieser Gedanke auch in Bezug auf den BER durch den Kopf geschossen), bis man Pläne für die mittelalterliche Westfassade wieder entdeckte. Romantiker waren begeistert, die Finanzierung wurde geregelt und ab 1842 endlich weitergebaut. 1880 feierte man die Fertigstellung, offenbar mit Gottes Segen, denn die Welt dreht sich noch. Vielleicht auch, weil es noch immer genug zu tun gibt am ewig bröckelnden Mauerwerk. Hoffentlich.