Rundreise:Nimm vier - eine Städtetour durch Belgien

Warum nur eine Stadt besuchen? In Brügge, Antwerpen, Brüssel und Lüttich gibt es das Beste vom Mittelalter bis zur futuristischen Gegenwart. Und natürlich Pommes und Bier.

Von Jessy Asmus und Irene Helmes

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(Foto: Jessy Asmus)

Ein Grundübel der Planung von Städtereisen ist es, ständig Entscheidungen treffen zu müssen: Hierhin oder dorthin? Wenn A, dann geht B nicht und C ist sowieso zu weit weg. Meist heißt es aufgrund der Distanzen "entweder oder". Einen Ausweg bieten Länder wie Belgien, in denen sehenswerte Orte ganz nah beieinander liegen. Auf der Tour Brügge, Antwerpen, Brüssel und Lüttich etwa lässt sich bequem eine kleine Zeitreise durch die Geschichte des Nachbarlandes unternehmen, das trotz seiner Vorzüge hierzulande kaum als lohnendes Urlaubsziel wahrgenommen wird.

Brügge

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(Foto: Jessy Asmus)

Los geht es nahe der Küste Westflanders. Hier wartet das belgische Vorzeigestädtchen schlechthin: Brügge. Die Altstadt ist mit ihren Gassen eine Sehenswürdigkeit an sich. Seit dem Jahr 2000 findet sich Brügge auf der Unesco-Welterbeliste. Das ist auch dem Glück zu verdanken, dass weder Großbrände, Überschwemmungen noch die vielen Kriege über die Jahrhunderte hinweg schlimmen Schaden angerichtet haben. Heute chauffieren Pferdekutschen Besucher durch die Gassen. Autolärm ist weit weg, touristisches Gewusel jedoch allgegenwärtig.

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(Foto: Jessy Asmus)

Als Handelszentrum blühte Brügge im Mittelalter auf, verband Norden und Süden, das Baltikum und den Mittelmeerraum. Später verlor die Stadt an Bedeutung und verarmte. Dass seither hier nicht mehr viel passierte, ist inzwischen ein Vorteil. Mit dem Mittelalter-Hype ist das authentisch wirkende Brügge wieder beliebt geworden, seine besondere Atmosphäre wurde auch schon in der schwarzen Komödie "Brügge sehen und sterben" verewigt. Nur 20 000 Menschen leben heute innerhalb der alten Stadtmauern, etwa 100 000 außerhalb. In der Hochsaison sind mehr Gäste als Einheimische in der Altstadt. Aber auch nach Ende des Sommers finden Kulturevents statt - wie das Jazz Festival, zum nächsten Mal im Oktober 2016.

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(Foto: Jessy Asmus)

Vor mittelalterlicher Kulisse knipsen Japaner und Amerikaner in Brügge um die Wette und für die vielen jungen Pärchen im Romantikurlaub gibt es eine extra "Places to kiss"-Route (das und mehr auf dem Plan von "Act like a local"). À propos lokal: Der belgische Dialekt nimmt hier interessante Züge an. Es macht Spaß, einige Phrasen einzuüben. Und hört man nicht die wunderhübschen kleinen Häuser rufen: "Zie je me hèèèrrn?" (Liebst du mich?) Noch mehr Tipps mit Augenzwinkern von Einheimischen für ihre Gäste finden Sie hier.

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(Foto: Jessy Asmus)

Lohnend ist eine Besichtigungstour, die im Südwesten der Altstadt beginnt (in dieser Ecke liegt auch der Bahnhof). Von dort flaniert man durch den Kern aus Gassen und Kanälen zu den Mühlen im Nordosten. Bei den oberen Mühlen warten urige Lokale, in denen der Spaziergang bei einem Kaffee oder einem Trapistenbier neben Karten spielenden alten Herren enden kann. "Pintje én?", ein Bierchen?, lautet die obligatorische Frage hier. Die Vielfalt der belgischen Spezialität von süß bis herb ist bekannt. Dass das Ganze meist auch deutlich stärker zu Kopf steigt, wird aber leicht vergessen. So kann schnell dieser Satz nützlich werden: "Kè histern te vèle gezopn e kè lichtjes zéér I me kop" (Ich habe gestern Abend zu viel getrunken.) Womöglich ein guter Zeitpunkt, um in die nächste Stadt weiterzuziehen!

Antwerpen

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(Foto: Jessy Asmus)

Die Hafenstadt in Flandern liegt gut 90 Kilometer weiter im Osten und wie Brügge nahe an der niederländischen Grenze. Als Brügge einst begann, an Bedeutung zu verlieren, war Antwerpen eine der größten Städte Europas. Im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance liefen hier am Fluss Schelde Handelsrouten aus aller Welt zusammen. Das heutige Flair können Besucher besonders gut auf Leihrädern erkunden. Tipp: Über die App von Velo Antwerpen sind nach einmaliger Anmeldung die ersten 30 Minuten jeder Fahrt kostenlos.

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(Foto: Jessy Asmus)

Durch den Seehandel, vor allem von Diamanten, wurde Antwerpen reich. Noch immer spielen die Juwelen eine große Rolle in der Stadt, wenn auch eher hinter den Fassaden. Die reiche Geschichte spiegelt sich im Baustil - die Straßen sind durch pompöse Häuserfronten geprägt. Auch wenn manche davon inzwischen etwas schäbig und düster wirken. An der Schelde befindet sich die Burg Steen (das älteste erhaltene Gebäude Antwerpens) und im Norden liegt das 2011 eröffnete Museum aan de Stroom, von dessen Dach man kostenfrei über die ganze Stadt schauen kann. Weitere Sehenswürdigkeiten: der Grote Markt, das Stadhuis und das jüdische Viertel. Dort liegt auch ein Hotel mit sehr besonderem Flair, mehr dazu hier.

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(Foto: Jessy Asmus)

Ein Spaziergang durch die südliche Innenstadt lohnt sich, wenn man bummeln oder gut essen möchte. In den Gassen und Plätzen liegen Fisch- und Muschelrestaurants, Kaffeehäuser und wohl sortierte Boutiquen wie hier rund um den Marnixplaats. Es gibt viele lokale Schmuckdesigner in Antwerpen, denen Touristen in ihren offenen Ateliers bei der Herstellung zusehen können (auch wenn die eigentlichen Läden oft nicht geöffnet haben). In der Innenstadt wiederum befinden sich Boutiquen in historischen Ladenlokalen wie auch in modernen Kaufhäusern.

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(Foto: Jessy Asmus)

Die Antwerpener Modeschulen gelten als Talentschmieden. In die Bildung der Nachwuchsdesigner ist viel investiert worden, die Labels sind modern und zukunftsorientiert. Auch sämtliche internationale Modemarken haben sich im Fashion District der Hafenstadt angesiedelt. Wer shoppen möchte, sollte früh dran sein: Nach 18 Uhr ist fast überall Feierabend. Zum Ausgleich gibt es in Antwerpen ein lebendiges Nachtleben mit vielen Bars. Das hiesige Bier heißt "Bolleke De Koninck" und wie überall in Belgien kann man bis in die späten Abendstunden Pommes essen. (Insider-Tipps des Blogs "Spotted by Locals" für Antwerpen sind hier zusammengestellt.) Zum Abschied noch einmal ein Blick bei Sonnenuntergang vom anderen Ufer der Schelde, bevor es zur nächsten Etappe geht.

Brüssel

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(Foto: Jessy Asmus)

Von den Spuren der reichen Vergangenheit in Brügge und Antwerpen geht es immer weiter in die belgische Gegenwart: nach Brüssel. Auch diesmal ist es nur ein Katzensprung, etwa 40 Kilometer nach Süden. Zuletzt, nach den Terrorakten vom 22. März, hat die Stadt eine schlimme Zeit erlebt, es kommen auch weniger Touristen. Sehenswert ist die Stadt wie eh und je. Das Kulturzentrum Flagey dient als Ausgangspunkt für einen ersten Spaziergang durch das Viertel Ixelles. Zu Fuß lässt sich hier im Süden der Innenstadt der Jugendstil bestaunen. Das Viertel beherbergt heute zahlreiche Szenebars. (Weitere Bilder zum Brüsseler Jugendstil sind hier zu sehen.) Beeindrucken kann auch das Magritte-Museum nahe des Warandeparks, das die lebenslange Entwicklung des Künstlers zeigt. Es ist faszinierend zu sehen, wie er auch nach Jahrzehnten immer wieder Motive aufgriff, um sie zu perfektionieren.

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(Foto: Jessy Asmus)

Der Architekturmix Brüssels erzählt ein weiteres Kapitel der jüngeren belgischen Geschichte: In der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit wollten manche Brüssel in ein europäisches Manhattan verwandeln. Dutzende Hochhäuser sollten gebaut und ein Straßentunnel errichtet werden. Im Zuge der Ölkrise der 1970er wurden die Pläne nicht fertig gestellt. Die Hochhäuser am botanischen Garten muten dennoch wie der Teil einer Megastadt an. Das Europaviertel beheimatet den Sitz der EU-Kommission, internationale Vertretungen und den hiesigen Sitz des EU-Parlaments mit dem 2011 eröffneten "Parlamentarium". Es ist täglich geöffnet und führt Besucher mit multimedialen Installationen in die gemeinsamen politischen Strukturen ein. Ein eindrückliches Erlebnis in Zeiten von Brexit und anderen politischen Krisen. Danach kann man es Einheimischen und EU-Mitarbeitern gleich tun und entlang der Rue de la Loi einen Snack für die Mittagspause aussuchen. Beliebt für ein schnelles Picknick im Grünen ist der nahe "Jubelpark".

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(Foto: Jessy Asmus)

Und auch jenseits von Jugendstil und EU hat die belgische Metropole viele Facetten. Wer neugierig auf eine völlig untouristische Seite der multiethnischen Stadt ist, kann zum Beispiel eine kurze Radtour im Norden unternehmen: Auf dem Weg vom Nordbahnhof aus über das Rotlichtviertel in der Rue Arschot und den Refugee-Park Richtung Kanal lassen sich in kürzester Zeit Eindrücke der komplexen Gegenwart Brüssels sammeln. Auf der anderen Seite des Kanals gibt es vor dem Veranstaltungsgebäude Tour & Taxis Gelegenheit, eine Rast einzulegen. Von dort aus führt der Kanal südlich nach Molenbeek, wo an Markttagen mehrere hundert Meter Verkaufsstände warten - und die wohl besten Falafel der Stadt.

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(Foto: Jessy Asmus)

Und selbstverständlich: Pommes gibt es überall in Brüssel! Das Besondere: Sie werden zweimal bei unterschiedlichen Temperaturen in Rinderfett frittiert. Unverzichtbar sind dazu die üppige Soßen wie "Samurai" und "Tartar". Von dieser großen Auswahl muss man sich auch bei der letzten Station der Städtetour nicht verabschieden. Eine Stunde bzw. 100 Kilometer im Südosten liegt Lüttich.

Lüttich

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(Foto: Jessy Asmus)

Hier liegt der Mittelpunkt Walloniens. Die Stadt existiert seit der Römerzeit, aber heute fallen besonders die Elemente seit der Zeit der Industrialisierung auf. Der Blick vom Berg mit der Zitadelle zeigt ein recht graues Panorama. Lüttich war seit dem 19. Jahrhundert ein Zentrum der Kohle- und Stahlindustrie, der Spitzname damals: "die glühende Stadt". Inmitten schöner Natur im Umland zeugen Industriebauten davon. Ähnlich wie im nahen Ruhrgebiet brachte der Strukturwandel seit den 1970ern eine tiefe Krise.

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(Foto: Jessy Asmus)

Zugleich zeigt sich hier aber auch die futuristische Seite Belgiens. Wer etwa mit dem Rad am Fluß Maas entlang fährt, erkennt einen frappierenden Kontrast zu den mittelalterlichen Kanälen Brügges oder den pompösen Fassaden Antwerpens. Trotz aller Probleme ist in Lüttich zuletzt viel Neues entstanden, wie etwa das 2016 eröffnete ambitionierte Kunst- und Ausstellungszentrum La Boverie.

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(Foto: Jessy Asmus)

In Erinnerung bleiben extravagante Neubauten wie der futuristische Hauptbahnhof Liège-Guillemins nach Plänen des Stararchitekten Santiago Calavatra. Dieser soll mehr sein als Durchgangspunkt für Züge - 2016 findet dort etwa eine große Ausstellung zu Salvador Dalí statt. Außerhalb allerdings wartet vor allem Natur, die besonders seit dem Abwandern der Schwerindustrie wieder mehr sich selbst überlassen worden ist. Die Ardennen sind nah, die Gegend ist besonders bei Rennradlern beliebt. Immer noch nicht genug von Belgien? Warum sich auch ein Abstecher in die Stadt Gent lohnt, lesen Sie hier.

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