Bedrohtes Welterbe Taj Mahal:Glanzstück voller Flecken

The Taj Mahal in Agra, Uttar Pradesh

Scheint schön: Taj Mahal im Morgenlicht.

(Foto: dpa)

Fast vierhundert Jahre lang trotzte der Taj Mahal in Indien Kriegen, Stürmen, Fluten und Erdbeben. Nun aber richten Luftschadstoffe, Insekten und Besuchermassen immer größere Schäden an.

Von Arne Perras

Schlamm macht schön. Das wissen nicht nur Kosmetiker, sondern auch die Denkmalpfleger am indischen Taj Mahal. Das einst strahlend weiße Mausoleum bekommt deshalb Schlammpackungen aus sogenannter Fuller-Erde verordnet. Sie sollen die Marmorfassade reinigen und dem Monument seinen alten Glanz zurückgeben. Die Schönheitskuren an dem Bauwerk in der Stadt Agra, etwa 200 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Delhi, gehen nun schon ins vierte Jahr; man kann sehen, dass sie die Wände aufhellen.

Dennoch wirken längst nicht alle glücklich, die sich mit der Zukunft des Taj Mahal beschäftigen. Indiens Verfassungsgericht klang eher beunruhigt, als es nun beim Bundesstaat Uttar Pradesh eine Strategie für die Rettung des Bauwerks anmahnte. Die Richter fordern einen durchdachten Plan, um das Monument aus dem 17. Jahrhundert nicht nur kosmetisch aufzupeppen, sondern in seiner zeitlosen Schönheit für viele künftige Generationen zu bewahren.

Gebraucht werde eine "weiter reichende Vision", urteilten die Richter. Alle müssten sich zusammensetzen, damit "das Monument nicht nur für die nächsten 25 bis 50 Jahre geschützt ist, sondern mindestens für 400 bis 500 Jahre".

Immerhin ist der Taj Mahal Indiens Wahrzeichen und damit vergleichbar mit den ägyptischen Pyramiden oder der chinesischen Mauer. Kein anderes Bauwerk ist diesseits und jenseits indischer Grenzen so bekannt wie das Mausoleum in Agra. Das Bauwerk ist Welterbe, die Unesco nennt es ein "Juwel muslimischer Kunst in Indien". Großmogul Shah Jahan ließ den Taj Mahal einst errichten, um seiner verstorbenen Liebe, Mumtaz Mahal, ein Denkmal zu setzen.

Vollkommen sollte es sein, ein Monument für die Ewigkeit. Nicht dass der Taj Mahal akut vor dem Einsturz stünde. "Die Substanz ist gut", sagt Bhuvan Vikram, der staatliche Chefarchäologe für das Monument. "Der Taj Mahal ist immer noch ein sehr solides Gebäude, das waren großartige Architekten. Und es kann noch lange glänzen. Vorausgesetzt, es werden die richtigen Schritte unternommen."

Wer durch das große Tor des Gartens kommt und in der Ferne die Kuppeln und Minarette erblickt, kann sich dem schlichten Glanz und der vollendeten Symmetrie des Taj Mahal kaum entziehen. Archäologe Vikram gerät ins Schwärmen, wenn er erzählt, wie es sich anfühlt, im Innern der Mauern umherzuspazieren. "Da ist von der Außenwelt nichts mehr zu sehen, nur Marmor und freier Himmel, als schwimme man in einer anderen Welt."

Es gibt Verbote, Öl und Holz zu verbrennen, doch die Luft ist nicht besser geworden

Die Welt da draußen allerdings, jenseits der Mauern, ist laut, hektisch und vor allem: schmutzig. Agra ist eine quirlige Stadt. Und sie wird von all jenen Plagen heimgesucht, die typisch sind für die Ballungszentren Indiens. Delhi erstickt im Verkehr und tut sich schwer, die giftigen Schadstoffe in der Luft zu verringern. Und Agra?

Denkmalschützer Vikram hält es für nötig, den Einsatz von Elektroautos und gasbetriebenen Fahrzeugen zu fördern. "Es gibt sie schon, aber wir bräuchten mehr davon". Fabriken wurden angewiesen, statt Öl nur noch Gas zu verbrennen, Krematorien dürfen kein Holz mehr verheizen, das Verbrennen von Kuhdung ist untersagt. Autos sind aus einer Schutzzone rund um den Taj Mahal verbannt worden. Dennoch muss laut Vikram noch mehr geschehen, um den Taj Mahal zu schützen.

Messungen hätten ergeben, dass die Schadstoffwerte seit einigen Jahren mehr oder weniger konstant seien, sagt der Archäologe. Das ist keine gute Nachricht, wenn man sieht, was der Dreck schon angerichtet hat am Taj Mahal. Verfärbungen sind sichtbar, gelbe, grüne und braune Flecken. "Und es ist nicht gut, ständig zu putzen", sagt Vikram. Nicht einmal mit Schönheitsschlamm.

Trägt man ihn zu oft auf, leidet der Stein. Und mit jedem Gerüst, das errichtet werden muss, steigt das Risiko, dass etwas an diesem kostbaren Bau zu Bruch geht. Derzeit sind Experten dabei, ein passendes Gerüst für die Reinigung der Kuppel auszutüfteln. Da darf man sich keine Fehler leisten. "Als Denkmalpfleger sind wir natürlich stolz, ein so fantastisches Bauwerk zu hüten", sagt Vikram. "Aber wir spüren auch eine Last." Seine Mannschaft muss schützen, was sich immer schwerer schützen lässt.

Fast vierhundert Jahre lang trotzte der Taj Mahal Kriegen, Stürmen, Fluten, Erdbeben. Der Bau schien seinem Ruf als Denkmal für die Ewigkeit alle Ehre zu machen. Und der Monsun reichte aus, um das Bauwerk abzuwaschen. Damit aber ist es vorbei. Indiens Wahrzeichen ist gezeichnet. Und die Spuren an der Fassade erinnern jeden Tag daran, dass Indien noch große Anstrengungen unternehmen muss, um die Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen.

Der Taj Mahal steht am Ufer des Yamuna, über den ein früherer Mogulherrscher voller Entzücken sagte: "Sein Wasser ist süßer als Nektar." Heute brüten in der stinkenden Kloake massenhaft Insekten. Deren Ausscheidungen färben den Taj Mahal grün.

Hindu-Extremisten provozieren: "Taj Mahal, ein Schandfleck"

Im Fluss leben keine Fische mehr, welche die Mücken vertilgen könnten. Algen dienen den Insekten als Nahrung, sie vermehren sich zu bestimmten Zeiten prächtig. Immer häufiger aber führt der Yamuna kaum noch Wasser, das sandige Flussbett wird dann zu einem weiteren Problem, weil die Luft staubiger wird. Wenn der Wind kräftig bläst, wirkt der Staub wie Schmirgelpapier auf dem Marmor der Fassade. "Auch dieses Problem gilt es zu lösen", sagt Vikram. "Wir brauchen den geplanten Damm flussabwärts, damit am Taj Mahal wieder mehr Wasser fließt."

So hängt alles mit allem zusammen, die Richter haben allen Grund, einen umfassenden Rettungsplan anzumahnen. Sie wundern sich über Nachrichten von abgeholzten Bäumen und neuen Hotels. Agra ist Touristenmagnet, was es natürlich dem Taj Mahal zu verdanken hat. Und was für viele Sehenswürdigkeiten der Welt gilt, lässt sich auch in Indien beobachten: "Der Taj Mahal wird Opfer seiner eigenen Schönheit", sagt Vikram.

Kamen vor 15 Jahren noch 5000 Besucher am Tag, schnellte die Zahl später auf bis zu 80 000 Besucher hoch. Der Eingang zum Gebäude ist ein Nadelöhr, und das letzte, was der Archäologe sehen will, sind schwitzende Hände, die zu Tausenden auf den Marmor patschen. Fett der Haut dringt in den Stein ein und lässt sich nicht entfernen.

"Das wird schwarz", sagt Vikram. Hätte der Denkmalpfleger einen Wunsch frei, dann diesen: "Deckelt die Besucherzahl!" Eine tägliche Grenze von 30 000 bis 40 000 wird bereits diskutiert, aber beschlossen ist sie noch nicht. Denn viele wollen mitverdienen am Boom, Einschränkungen sind da unpopulär.

Manchen gefällt das Bauwerk ohnehin nicht, es sei "erbaut von Verrätern"

Es gibt allerdings auch Inder, die den Taj Mahal gar nicht als ihr Wahrzeichen akzeptieren. Von Zeit zu Zeit pöbeln politisch rechts stehende Hindu-Politiker gegen das Bauwerk. Und seitdem die hindu-nationalistische Partei BJP in Delhi regiert, fühlen sich religiöse Eiferer ermuntert, einen kruden Kulturkampf zu führen. Die Regierung von Uttar Pradesh, ebenfalls in den Händen der BJP, vollbrachte das Kunststück, eine Broschüre mit Sehenswürdigkeiten herauszubringen, in dem ausgerechnet ein Glanzlicht fehlte: der Taj Mahal.

Der örtliche Ministerpräsident hat deutlich gemacht, dass das Mausoleum für ihn kein Ausdruck indischer Kultur ist. Seine Kritiker halten ihn für einen religiösen Chauvinisten. Viele haben auch nicht vergessen, dass ein rasender Hindu-Mob einst eine alte Moschee im nordindischen Ayodhya zertrümmerte, weil sich unter dem Fundament angeblich ein Hindu-Tempel befunden haben soll.

Natürlich steht der Taj Mahal unter dem strengen Schutz des Staates. Den BJP-Abgeordneten Sangeet Som kann das jedoch nicht beeindrucken. Er nennt den Taj Mahal einen "Schandfleck der Geschichte", erbaut von "Verrätern", die keinen Platz hätten in Indiens Geschichte. Der Oppositionspolitiker Shashi Tharoor sieht es so: Hindu-Extremisten empfinden es als Demütigung, dass ein Land mit großer Hindu-Mehrheit das Bauwerk eines muslimischen Herrschers als Wahrzeichen pflegt. Wenn das so ist, "werden wir die Geschichte eben ändern", droht Som.

Die Denkmalpfleger können nur hoffen, dass dies die verirrte Stimme eines Radikalen bleibt. Ansonsten müssen sich die Hüter des Taj Mahal noch gegen ganz andere Gefahren wappnen.

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