Bayerns Bahnchef zur Leserkritik:"Uns wurmt es ja selbst"

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Nach Hunderten Beschwerden aufgebrachter Reisender verspricht Bayerns Bahnchef: Alles wird gut. Oder wenigstens besser.

A. Roß, A. Ramelsberger, M. Hummel

In den vergangenen Tagen haben Hunderte Bahnkunden der Süddeutschen Zeitung von ihren Erlebnissen im täglichen Nahverkehr berichtet. Es sind Geschichten von zerfetzten Nerven, mitgenommenen Zugbegleitern und Chaos auf dem Bahnsteig. Die SZ hat mit dem Mann gesprochen, der das alles ändern soll: Klaus-Dieter Josel. Er ist der Bevollmächtigte der Bahn für Bayern.

Klaus-Dieter Josel soll die Probleme der Bahn in Bayern beheben. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Aufgebrachte Menschen versuchen, überfüllte Züge zu entern. Schüler kommen zu spät zur Schule. Züge enden plötzlich, ohne dass den Fahrgästen jemand Bescheid gibt. Sind das alles nur die Klagen von Querulanten?

Josel: Wir nehmen diese Klagen sehr ernst. Derzeit haben wir drei große Probleme: den Fernverkehr, wo uns die Achsprobleme des ICE zu schaffen machen und wir deswegen mit Ersatzfahrzeugen fahren müssen, die fehlenden neuen Fahrzeuge für den Fugger-Express, die uns nicht geliefert wurden. Und die Kapazitätsprobleme bei der Mittelfrankenbahn. Wir sind an allen drei Themen dran, es wird in absehbarer Zeit besser.

SZ: Noch ist davon nichts zu spüren. Vor allem in Augsburg drängeln sich die Menschen in den Zügen. Die Züge sind voll, obwohl noch 100 Leute auf dem Bahnsteig warten. Und niemand sagt den Leuten, dass der nächste Zug mehr Platz bietet.

Josel: Sie laufen bei mir offene Türen ein. Da muss jemand sein, der sich der Reisenden auf dem Bahnsteig annimmt. Eine Art Kümmerer. Im Nahverkehr gibt es seit vergangenen Donnerstag schon zwei dieser Kümmerer, einen auf dem Bahnsteig und einen in der Leitzentrale. Seit Donnerstag funktionieren auch die Anschlüsse im Nahverkehr besser.

SZ: In Franken fehlen Züge, beim Fugger-Express gibt es Engpässe. Wie lange wollen Sie die Fahrgäste noch so unkomfortabel zusammenpferchen?

Josel: Wir hatten vor der Fahrplanumstellung 50 Züge zwischen Nürnberg, Augsburg und München. Heute sind es 77. Das Netz ist an den Grenzen seiner Belastung angekommen. Wir haben den auch von der Politik gewollten Halb-Stunden-Takt zwischen den großen Städten eingeführt. Und wir haben erst im Oktober erfahren, dass der Hersteller die versprochenen neuen Züge nicht fristgerecht liefern kann. Da mussten wir die Reißleine ziehen. Allmählich rollen die Züge jetzt ein: Derzeit haben wir vier neue Wagen testweise im Einsatz, bald werden es mehr sein. Uns wurmt es ja selbst, dass die neuen Fahrzeuge nicht da sind. Aber allmählich wird es besser.

SZ: Mit einer präzisen und rechtzeitigen Information ließen sich doch die Kundenströme besser lenken. Etwa eine Durchsage: "Fahren Sie eine halbe Stunde später, da ist der Zug nur halb voll." Wie soll man das sonst vorher wissen?

Josel: Wir haben alle Abo-Kunden angeschrieben, Faltblätter in den Zügen ausgelegt, dass wir neue Zugverbindungen einsetzen. Es gab also schon Informationen im Vorfeld. Ich denke, dass wir jetzt auf gutem Weg sind, was die Auslastung der Züge angeht.

Auf der folgenden Seite: Was der Bahnchef in Sachen Erstattung zusichert.

SZ: Viele Ihrer Kunden verzweifeln an der Informationspolitik der Bahn. Bahnfahrer werden mit ihren Problemen allein gelassen. Warum funktioniert das nicht?

Josel: Damit bin ich auch nicht zufrieden, hier müssen wir besser werden. Das Thema Informationsqualität werde ich intern vorantreiben. Eigentlich erhalten die Zugbegleiter und Ansager auf den Bahnhöfen gute Informationen aus der Zentrale. Diese Informationen müssen noch zu den Fahrgästen gelangen. Die Zugbegleiter haben eigens Handys bekommen mit einer Vielzahl von Daten und Informationen. Und natürlich muss eine Ansage auch so gemacht werden, dass der Fahrgast sie versteht. Wenn gerade ein Güterzug durchfährt, dann muss man sie halt noch mal machen.

SZ: Was ist denn so schwierig daran, die Reisenden schnell zu informieren? Oder sind Bahnbedienstete einfach maulfaul?

Josel: Nehmen wir den Fall Augsburg. Dort ist augenblicklich aufgrund des Ersatzfahrplans die Fülle der Durchsagen einfach zu hoch. Denn ein Zug hat mal drei, mal vier Wagen weniger, oder er kommt auf einem anderen Gleis an. Das müssen wir unseren Mitarbeitern noch einmal vernünftig auf ihren Monitoren aufbereiten, damit sie die Ansagen zuverlässig machen können. Da sind wir noch nicht so gut, wie wir sein müssen.

SZ: Und wenn man sich dann beschweren will, hängt man in den langen Warteschlangen vor den Schaltern fest. Viele haben nicht die Zeit, sich für eine Rückerstattung eine halbe Stunde anzustellen.

Josel: Die Kunden müssen nicht Schlange stehen. Es reicht, uns einen Brief zu schreiben mit Datum und Abfahrtszeit des Zuges, 20-mal kam nur der IC statt des ICE. Oder: Es gab keine erste Klasse, obwohl der Kunde dafür gezahlt hat. Das Einreichen der Fahrkarte, vom Zugbegleiter bestätigt, reicht aus. Ohne weitere Stempel gibt es dann eine Erstattung. Wenn der Kunde nicht die Qualität bekommt, für die er bezahlt hat, erstatten wir die Differenz zurück.

SZ: Hauptkritikpunkt sind immer wieder die Verspätungen. Zehn bis 15 Minuten sind im Regionalverkehr inzwischen die Regel, Anschlusszüge werden nicht erreicht, und häufig fährt der vollbesetzte Zug erst mit großer Verspätung ab. Warum?

Josel: Auch wenn Sie das nicht glauben, wir fahren im Fern- und Nahverkehr im Durchschnitt mit über 90 Prozent der 6000 Züge in Bayern pünktlich, das ist eine gute Quote. Im dichten Berufsverkehr treten aber schnell Schneeballeffekte auf. Eine Verspätung an der einen Stelle führt in einem eng vertakteten System zu Folgeverspätungen an mehreren anderen Stellen. Bis zu fünf Minuten Verspätung gilt ein Zug auch als pünktlich.

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© SZ vom 28.01.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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