Mit bis zu 50 Meter langen Tentakeln schwebt sie lautlos durch die Weltmeere, und wer ihren Weg streift, dem drohen höllische Schmerzen. Die Portugiesische Galeere (Physalia physalis) mit ihrem irisierenden, meist blau schimmernden Körper ist eine der giftigsten Nesseltierarten der Welt. Jetzt, kurz vor Beginn der Sommersaison, wurde auf Mallorca ein totes Exemplar vor der Küste der Inselhauptstadt Palma entdeckt. Kurz darauf berichteten Medien auch von mindestens zwei lebenden Exemplaren, die gesichtet worden seien.
Als Konsequenz gab es Badeverbote: Rote Flaggen seien an Stränden der Viertel Can Pastilla und Molinar gehisst worden, berichteten Regionalzeitungen wie Diario de Mallorca übereinstimmend unter Berufung auf die Stadtverwaltung. Die betroffenen Strände liegen östlich des Hauptstadtzentrums, unweit des bei deutschen Touristen beliebten "Ballermann"-Strandes. Badegäste wurden von der Stadt gebeten, weitere Sichtungen der giftigen Nesseltiere den zuständigen Behörden zu melden.
Inzwischen seien die Badeverbote wieder aufgehoben worden, berichtet die Mallorca Zeitung unter Berufung auf eine Sprecherin der Stadtwerke Emaya. Man habe keine weiteren Exemplare der giftigen Nesseltiere entdeckt.
Der erste Fund Anfang der Woche an dem beliebten Strand Ciudat Jardi - zwischen "Ballermann" und Stadtzentrum - löste einigen Wirbel aus. Die Regionalzeitung Última Hora brachte auf Seite eins ein großes Bild. Die Stadtverwaltung startete unter anderem mit einem großen Schiff Suchaktionen, die auch in den kommenden Tagen anhalten sollen, und sie bat die Regionalregierung der Balearen um Unterstützung. Der regionale Notdienst rief Strandgäste zu extremer Vorsicht auf.
Für den Menschen verläuft eine Begegnung mit dem Nesseltier - anders als für kleinere Fische - unter Umständen sehr unangenehm, aber nur selten tödlich. Man kann die Gefahr im Fall der Portugiesischen Galeere auch schon im Vorfeld gut erkennen, wie Winfried Hochstetter, Leiter des Aquariums Wilhelmshaven, erklärt. "Das Gute ist, dass man sie vorher sieht, denn sie hat eine Gasblase, die aus dem Wasser herausguckt", sagt der Experte.
Polypen mit einer Art Harpune
Strenggenommen ist die oft als Qualle titulierte Portugiesische Galeere eigentlich gar keine Qualle, auch wenn sie so aussieht. Vielmehr ist sie eine riesige Polypenkolonie, in der jedes Individuum eine bestimmte Aufgabe übernimmt - sei es Fressen, Verdauung, Fortpflanzung oder Abwehr von Feinden. So sehr sind die Organismen miteinander verwoben und aufeinander angewiesen, dass sie alleine nicht lebensfähig wären.
Kennzeichen ist die bis zu 30 Zentimeter messende sackförmige Gasblase, die wie ein Segel funktioniert und für den Auftrieb des Tieres sorgt. "Bei Kontakt mit den Nesselzellen an den Fangarmen explodieren diese und injizieren mit einer Art Harpune Gift unter die Haut", erläutert Hochstetter. Die Folge: Stark brennende Wundmale, die wie Striemen nach Peitschenhieben aussehen. Das Fachmagazin Toxins berichtet auch von Kopfschmerzen, Übergeben, Bauchschmerzen und Durchfall. Bei Allergikern ist ein allergischer Schock möglich, der im schlimmsten Fall zum Tode führt. Im Februar waren in Thailand 23 Badegäste ins Krankenhaus gebracht worden.
Unverdünnter Essig kann helfen
Betroffene sollten die Kontaktstellen mit unverdünntem Essig behandeln - zu diesem Schluss kommt zumindest Toxins. Umstritten ist, ob Meerwasser bei der Wundreinigung hilft. "Es gibt keine universell akzeptierte Erste-Hilfe-Maßnahme für Physalia-Stiche", schreiben die Forscher. "Alkohol und Hausmittel wie Urin, Backpulver und Rasiercreme (...) machen es aber wahrscheinlich noch schlimmer."
Mallorca ist nicht allein mit seinem Galeeren-Dilemma: Exemplare waren im April bereits vor den Balearen-Inseln Formentera und Ibiza gesichtet worden. Allein auf Formentera wurden damals rund 100 Tiere eingesammelt. Und vorige Woche waren in der Provinz Alicante an der Costa Blanca ebenfalls mehrere Physalia physalis angespült worden. Ein Elfjähriger wurde am Arm "gestochen" und ins Krankenhaus gebracht.
Mit Netzen und Drohnen auf Quallenjagd
Die Folge: Auf einer Länge von knapp 120 Kilometern wurden in Alicante Strände gesperrt. Die Behörden dort erwägen den Einsatz von Netzen und Drohnen. Hochstetter sagte: "Man kennt das aus Australien, wo es ein Problem mit Würfelquallen gibt: Solche Netze funktionieren." Dennoch, sollten noch mehr Portugiesische Galeeren entdeckt und noch mehr Strände gesperrt werden, sind das keine guten Vorzeichen für den Sommer 2018 - denn Touristen sorgen in Spanien immerhin für rund elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ein Grund zu Panik bestehe nicht, sagt Hochstetter. Im Mittelmeer kämen Portugiesische Galeeren immer mal wieder vor, je nach Windrichtung würden sie zusammengedrückt und manchmal eben auch in Richtung Strand gespült. "Aber die Fahrt zum Meer ist wahrscheinlich gefährlicher als die Qualle", meint er und rät, vor jedem Bad einfach die Wasseroberfläche abzusuchen.