Süddeutsche Zeitung

Mallorca:"Es macht uns nichts aus, wenn diese Art von Touristen wegbleibt"

  • Auf Mallorca wächst die Kritik am Massentourismus.
  • Nun plant die Inselregierung deutliche Einschnitte: Die Zahl der Gästebetten soll um mehr als ein Viertel reduziert werden.

Von Thomas Urban

Bislang waren es nur Warnschüsse: punktuelle Kontrollen, ob Wohnungsbesitzer privat ihre vier Wände ohne Lizenz an Touristen vermieten. Oder ob Bar- und Discobesitzer wirklich konsequent Alkoholexzesse unterbinden. Doch die rot-grüne Regionalregierung in Palma de Mallorca, die vor drei Jahren die mit der Tourismusbranche vielfältig verquickten Konservativen abgelöst hat, lässt in diesem Sommer keinen Zweifel daran, dass sie mit ihrem Programm Ernst machen will: Weg vom Sauf- und Massentourismus! Nun wurde der nächste Schritt bekannt gegeben: Die Zahl der Betten auf der Ferieninsel soll innerhalb des nächsten halben Jahrzehnts um mehr als ein Viertel schrumpfen, von maximal 440 000 auf 320 000.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden vorläufig keine Genehmigungen für den Bau von Hotels und Ferienwohnungen erteilt. Bestehende Beherbergungsbetriebe werden genau überprüft, ob sie dem geforderten Standard an Komfort entsprechen, und notfalls geschlossen. Auch soll eine neue Gebührentabelle ihren Teil zum Rückgang der Touristenzahlen beitragen. Zwar wurde schon vor einem Jahrzehnt eine Gästebettenbörse eingeführt, über die Lizenzen vergeben werden, um den Dauerkonflikt zwischen den Besitzern von Privatquartieren und Hotelbetreibern zu entschärfen. Die Behörden verfügten allerdings nicht über das Personal, die Einhaltung der Bestimmungen zu überprüfen, auch fehlte es an politischem Willen dazu. Die private Vermietung von Wohnungen an Touristen führte allerdings zu einem erheblichen Preisanstieg auf dem Mietmarkt. Auch verdrängten Boutiquen, Bars und Andenkenläden immer mehr Traditionsgeschäfte. Seit 2013 sind die Mieten für Wohnungen und Ladenlokale in der Inselhauptstadt Palma um 40 Prozent gestiegen.

Die Stadtregierung hat aus diesem Grund bereits die Zahl der Lizenzen für die Vermietung von Privatwohnungen an Touristen drastisch reduziert, in den zentralen Stadtteilen sogar völlig verboten, sehr zum Ärger von Internetmaklern wie Airbnb. Noch 2017 hatten diese rund 25 000 Wohnungen in der 400 000-Einwohner-Stadt in Beschlag genommen.

Oberbürgermeister Antoni Noguera weist die Kritik der konservativen Opposition im Stadtrat zurück, er wolle den Ast absägen, auf dem die Mallorquiner sitzen: "Wir geben den Einwohnern ihre Stadt zurück." Die Preise für die wenigen verbliebenen Lizenzen wurden kräftig erhöht: bis zu 4000 Euro pro Schlafplatz und Saison, je nach Stadtteil. Im vergangenen Jahr haben mehr als zehn Millionen Touristen auf Mallorca Urlaub gemacht - knapp die Hälfte von ihnen waren Deutsche.

In der Hochsaison schieben sich Menschenmassen durch die Altstadt von Palma - und vergällen den Alteingesessenen das Leben. Noch mehr hatten bislang die Bewohner der Straßen in Strandnähe auszuhalten. Besonders ärgerte es sie, dass von den Sauforgien am legendären Ballermann und anderen Orten nur ein paar Geschäftsleute profitierten. Mitunter wird dort immer noch kräftig gelärmt, obwohl das Trinken von Alkohol außerhalb der Gastronomiebetriebe mittlerweile mit happigen Geldbußen geahndet wird. Noguera sagt dazu: "Es macht uns nichts aus, wenn diese Art von Touristen in Zukunft wegbleibt."

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SZ vom 19.07.2018/edi
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