Balearen:Das neue Mallorca

Drei Schilder weisen darauf hin, was am Strand von Platja de Palma auf Mallorca verboten ist.

Rauchen, Gläser und Hunde sind am Strand schon verboten. Vielen Einheimischen geht das nicht weit genug.

(Foto: imago)

Bleiben in diesem Sommer tatsächlich die deutschen Gäste fern? Wohl eher nicht. Aber es besteht die Chance, dass sich die Situation auf der überfüllten Urlauberinsel etwas entspannt.

Von Brigitte Kramer

Kürzlich titelte der Stern "Alarm am Ballermann. Immer weniger Deutsche fliegen nach Mallorca." Andere Medien schlossen sich an. Einige Hoteliers sprechen in den Artikeln von einem "Einbruch" der Gästezahlen, ihre Häuser seien im Juni nur halb ausgelastet. Man müsse jetzt die Preise senken, um die Sommersaison zu retten. Bleiben Mallorcas Strände also diesen Sommer leer? Wohl eher nicht. Der Flughafen in Palma erwartet einen Besucherrückgang für den Hochsommer von gerade mal gut drei Prozent. Und wie die Botschaft klingt, hängt ohnehin vom Standpunkt des Betrachters ab.

Für viele, die auf der Insel leben, wäre etwas weniger Tourismus kein Drama, sondern ein Segen. Mallorca und auch Ibiza sind in den vergangenen Jahren an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen. 16,6 Millionen Touristen, eine absolute Rekordzahl, haben 2018 auf den Balearen Urlaub gemacht.

Mallorca und die Nachbarinseln leben vom Tourismus, die Branche erwirtschaftet knapp die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes der Balearen. Doch der Erfolg hat auch eine Kehrseite, Menschen wie Jaume Garau oder Joe Holles erleben sie tagtäglich. Der eine ist auf der Insel geboren und lebt seit 30 Jahren in Palmas Altstadt, in einer Straße "wo früher 95 Prozent meiner Nachbarn Einheimische waren, jetzt sind es noch gefühlt 20 Prozent". Garau ist Psychologe und ehemaliger Abgeordneter der Sozialisten im Balearenparlament. Rechts neben ihm wohnen Schweden, links Deutsche, gegenüber Briten. "Kosmopolitische Städte finde ich gut", sagt er, "aber irgendwas stimmt nicht mehr."

Joe Holles, geboren in Hampstead bei London, lebt seit seinem fünften Lebensjahr in Valldemossa, "dem Dorf mit einer der höchsten Touristenzahlen pro Einwohner weltweit", wie der 34-Jährige es ausdrückt. In dem Ort in den Tramuntana-Bergen haben nur 2000 Menschen ihren festen Wohnsitz, aber jedes Jahr kommen mehr als eine Million Menschen, um hier ihren Urlaub zu verbringen. Der Alltag sei schwierig, sagt Holles, der Philosophie studiert hat und im Kulturmanagement arbeitet. "Die Wanderwege erodieren, auf den Straßen kommt man nicht mehr durch."

Wahlmallorquiner und Urlauber verändern die Insel. Natalia Bueno, Verbandssprecherin mallorquinischer Immobilienmakler, sagte jüngst der Mallorca Zeitung, dass knapp ein Viertel der Kunden Ausländer seien. Sie kommen aus Deutschland, Skandinavien oder Frankreich, aber auch Russen, Chinesen, US-Amerikaner, Kanadier und Australier lieben offenbar Mallorca. 2017 und 2018 sind die Preise deshalb drastisch gestiegen: Bei den Mieten um bis zu 50 Prozent, bei den Kaufpreisen um rund 20 Prozent. Einheimische mit durchschnittlichem oder niedrigem Einkommen bleiben oft auf der Strecke.

Die Bürgervereinigung ist dem Tourismus gegenüber kritisch, aber nicht feindlich eingestellt

Jaume Garau und Joe Holles wollen das nicht weiter hinnehmen. Beide gehören zu den Gründern der Bürgervereinigung Iniciatives XXI, die sich dem Schutz der Insel verschrieben hat und dezidiert "nicht tourismusfeindlich" ist, wie Holles sagt. "Wenn man Kritik übt, heißt das nicht, dass man alles ablehnt."

Nach einem "Gentrifizierungs-Observatorium" mit Fakten zum Ausverkauf von Palmas Boom-Vierteln Santa Catalina, El Molinar oder Calatrava hat die Gruppe dem Rathaus und der Balearenregierung nun ein "Manifest gegen Kreuzfahrtschiffe" vorgelegt. Mehr als 30 Vereinigungen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben es unterzeichnet, im Netz sind bislang mehr als 8000 Unterschriften zusammengekommen.

Garau und seine Mitstreiter fordern, die Zahl der Kreuzfahrtschiffe im Hafen auf eines pro Tag zu begrenzen - oder auf 4000 Passagiere. "Es geht uns vor allem um die Megakreuzer", sagt Garau, "wenn da mehrere zusammenkommen, spucken sie Zigtausende Leute auf einmal aus." Die Folge davon sei, dass sich die Gewerbelandschaft in der Altstadt verändert habe. Eisdielen und Souvenirshops verdrängen Läden, in denen bislang Einheimische einkaufen konnten.

Die Balearenregierung hat angekündigt, die Schiffe auf andere Häfen der Inseln zu verteilen, und im Rathaus denkt man über eine Begrenzung auf drei Schiffe pro Tag nach. Zu der Besucherflut kommt die Luftverschmutzung. Kreuzfahrtschiffe lassen im Hafen wegen der Bordelektronik und der Kühlung den Motor laufen. Einer Studie von "Transport and Environment" zufolge, der Dachorganisation nicht staatlicher Organisationen für nachhaltigen Verkehr in Europa, belegt Palma Platz zwei im Negativ-Ranking der mediterranen Hafenstädte, deren Luft durch Kreuzfahrtschiffe am stärksten belastet ist. Hinter Barcelona, aber noch vor Venedig.

Kreuzfahrttouristen seien nur ein kleiner Teil des Problems, wehrt sich indes Alfredo Serrano, der in der internationalen Kreuzfahrtorganisation Clia für Spanien spricht. Sie machten am Gesamtumfang der Mallorca-Urlauber nur sechs bis acht Prozent aus, "und sie sind die idealen Besucher: Sie sind gut erzogen, kommen am liebsten im Mai und Oktober und geben Geld aus". Serrano nimmt bei der Abwicklung der Landgänge die Stadt in die Verantwortung. "Kreuzfahrttouristen sind mittlerweile die einzigen, bei denen man ein Jahr im Voraus weiß, wie viele wann kommen werden."

Und nicht alle besuchen Palma. Viele buchen einen Ausflug nach Valldemossa. Dort gehen sie durch kopfsteingepflasterte Gassen, die links und rechts mit Cafés gesäumt sind. Joe Holles täglicher Anblick. Er hat vergangenes Jahr beschlossen, die Diskussion um Mallorcas Zukunft mit einem Dokumentarfilm zu vertiefen. Drei Monate lief "Overbooking" in Palma im Kino, die ersten vier Wochen war der Film täglich ausverkauft. Er ist damit der erfolgreichste spanische Dokumentarfilm, der je gedreht wurde. "Wir haben alle zu Wort kommen lassen", sagt Holles, der den Film produziert hat, "denn es geht uns alle an." Für ihn steht fest: Mallorca braucht weniger Masse und mehr Qualität, sowohl beim Angebot als auch bei den Besuchern. "Valldemossa ist voll mit Restaurants, aber es gibt nicht eines, das lokale Produkte anbietet."

Für Garau und Holles ist der scheinbar leichte Rückgang der Besucherzahlen ein gutes Zeichen. Wobei die Passagierzahlen des Flughafens in Palma denen der Hoteliers widersprechen. Demnach kamen zwischen Januar und April 10,3 Prozent mehr ausländische Touristen auf die Balearen. Nicht alle steigen in Hotels ab, immer mehr Urlauber schlafen in einem der 90 000 Betten, die legale Ferienwohnungen und Fincas auf Mallorca bieten.

Für den Sommer wird dennoch ein Besucherrückgang erwartet, denn in der Hochsaison ist die Insel das teuerste Urlaubsziel Spaniens. Nordafrika und das östliche Mittelmeer sind wieder zurück auf dem Markt und dort ist es für die Urlauber günstiger. Für Holles ist das kein Problem. "Wir wollten die Billigtouristen doch ohnehin loswerden", sagt er. Das aber könne nur gelingen, wenn man nicht nur neue Angebote für Radler, Wanderer, Golfer, Segler oder Kulturinteressierte lanciere, sondern auch alte streiche. "Man kann nicht immer nur addieren, man muss auch mal was abziehen." Dafür fehle vielen Unternehmern aber der Mut, "und die bremsen Mallorcas Modernisierung".

Joe Holles arbeitet schon am nächsten Film, "Rethinking" soll der heißen - Mallorca neu gedacht. Dann will er über die Bestandsaufnahme hinausgehen und neue Konzepte vorstellen.

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