Süddeutsche Zeitung

Privatzug "Luxon":Bahnfahren wie die Queen

Ein eigener Zug, ganz ohne fremde Mitfahrer - das geht. Nur ganz billig ist es nicht.

Von Eva Dignös

Die Geschäftsreisende schräg vorne rettet in der Telefonkonferenz lautstark die Firma, bei der Familie am Vierertisch wird zum fünften Mal "Bobo Siebenschläfer" vorgelesen und der Nebenmann pellt als Mittagssnack ein hartgekochtes Ei - eine Zugfahrt im Großraumwagen ist irgendwie immer auch das pralle Leben. Und manchmal ein bisschen zu viel davon. Erst recht während einer Pandemie, wenn zu viele Nasenspitzen über FFP2-Masken hervorschauen.

Der gut betuchte Flugreisende entzieht sich den Mitreisenden im Privatjet, auf Schienen kennt man dieses Prinzip eher als Privileg vormals und aktuell gekrönter Häupter, wobei auch der "Royal Train" von Queen Elizabeth II. längst nicht mehr so opulent mit Samt und Seide ausgestattet ist wie der Salonwagen ihrer Ururgroßmutter Queen Victoria. Aber immerhin: ein eigener Zug.

Samt und Seide gibt es im Luxon auch nicht. Stattdessen eine bunt beleuchtete Bar, ein Panoramadach und eine Modelleisenbahn auf der Toilette. Der Salonwagen samt Lokomotive ist eine Art Privatjet auf Schienen. Er hat eine Zulassung für die meisten Strecken in Europa, man könnte mit ihm nach Rom reisen, nach Paris oder am Rhein entlang. Ein gekröntes Haupt ist dafür nicht erforderlich, ein gut gefülltes Konto schon: Auf eine mindestens fünfstellige Zahl auf der Rechnung sollte man sich einstellen, 15 000 Euro beispielsweise kostet ein zweistündiger Ausflug mit 20 Personen von München nach Rosenheim und zurück, Catering der gehobenen Art inklusive.

Der Zug wird von Privatleuten für Geburtstagsfeiern oder fürs Candle-Light-Dinner gebucht, von Firmen für Vertragsunterzeichnungen und Kundenevents. Auch so manches politische Gespräch sei unter dem Glasdach schon geführt worden, erzählt Alex Dworaczek, Geschäftsführer des Betreibers Rail Adventure. Das Münchner Unternehmen verdient sein Geld eigentlich mit nicht ganz so luxuriösen Bahnreisen: Es ist auf Test- und Überführungsfahrten mit neuen Zügen spezialisiert.

Ein ausrangierter Aussichtswagen von 1962, Teil des legendären Trans-Europ-Express (TEE) Rheingold, passt da eigentlich nicht ins Portfolio, trotzdem kaufte man 2011 den nahezu schrottreifen Waggon mit der charakteristischen transparenten Kuppel. Acht Jahre dauerte die Sanierung, "wir hatten keinen Zeitdruck", sagt Dworaczek.

Der Wagen wurde komplett entkernt, statt 60er-Jahre-Charme gibt es nun eine Bar und eine Lounge und dazwischen das acht Meter lange Panoramadeck mit Glasdach. Bis zu 20 Personen können mitfahren, bestuhlt wird ganz nach Kundenwunsch mit Liegesesseln, Konferenztisch oder Sitzgruppen.

Nicht ganz das Ambiente für ein hartgekochtes Ei aus der Lunchbox oder eine Currywurst aus dem Bordrestaurant. Fürs Catering holte man das Münchner Gastro- und Hotellerieunternehmen Geisel Privathotels ins Boot beziehungsweise in den Zug. Und auch hier ist je nach Budget vieles möglich, bis hin zur Exklusiv-Verköstigung durch Sternekoch Tohru Nakamura.

Lediglich zum Schlafwagen lässt sich der Luxon nicht umbauen - für eine Übernachtung müsste man einen Zwischenstopp einlegen. Fahrplantechnisch ist das kein Problem. Zwischen den regulären Bahnverbindungen für den Sonderzug einen Platz auf den Gleisen zu finden, ist weniger kompliziert, als man meinen möchte, sagt Dworaczek. "In Deutschland können wir innerhalb von drei Stunden losfahren." Im Ausland ist etwas mehr Vorlauf erforderlich, aber theoretisch ist auch eine Fünf-Sterne-Interrail-Tour durch Europa möglich: In 20 Ländern ist der Luxon zugelassen.

Bis zu 200 Kilometer pro Stunde schafft die E-Lok, die den Panoramawagen zieht. Damit sind Reisezeiten möglich, die mit denen eines ICE vergleichbar sind, spart man sich doch lästige Zwischenstopps an Bahnhöfen, an denen man gar nicht aussteigen möchte. Losgefahren wird dort, wo der Kunde es wünscht, am Flughafen, an der S-Bahn-Station vor der Haustür oder auf Gleis 18 1/2 am Münchner Hauptbahnhof - das klingt nach Harry Potter, gibt es aber wirklich.

Nur ein Wunsch lässt sich auch im Luxon nicht erfüllen: Rauchen ist an Bord nicht erlaubt - da unterscheidet sich der Privatzug nicht vom schnöden Großraumwagen der Deutschen Bahn.

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