Süddeutsche Zeitung

Bahn informiert über Verspätungen per E-Mail:Ein feiner Zug - endlich

Bisher musste man am Bahnsteig frieren, wenn der Zug nicht kam. Doch ab sofort informiert die Deutsche Bahn ihre Fernverkehrs-Fahrgäste per E-Mail über Verspätungen. Verbraucherschützer sind voll des Lobes.

Daniela Kuhr

Für Bahnfahrer eine vertraute Situation. Man hechtet aus dem Auto oder der U-Bahn, rast die Treppe hoch, quer durch die Bahnhofshalle, immer die sperrige Reisetasche in der Hand - und all das nur, um auf dem Bahnsteig abgehetzt festzustellen: Der Zug hat 20 Minuten Verspätung. "Mist" - ist in dem Moment alles, was einem dazu noch einfällt.

Die Bahn will das nun ändern. Zwar leider nicht, indem ab sofort alle Züge pünktlich sind, aber wenigstens sollen Fahrgäste sich nicht mehr unnötig abhetzen. "Unsere Kunden sagen uns immer wieder, wie wichtig eine frühzeitige Information im Störungsfall ist", sagt Ulrich Homburg, Personenverkehrsvorstand, zur Süddeutschen Zeitung.

Und deshalb will das Unternehmen von dieser Woche an im Fernverkehr einen neuen kostenlosen Service bieten: Reisende, die bei www.bahn.de ein Benutzerkonto "Meine Bahn" eingerichtet haben und mit dieser Anmeldung eine Fernverkehrs-Fahrkarte kaufen, sollen im Störungsfall oder bei einer Verspätung von mehr als zehn Minuten automatisch per E-Mail informiert werden. Die Nachricht wird frühestens zwei Stunden vor der geplanten Abfahrt verschickt. Doch selbst wenn die Verspätung erst kurz davor entsteht, wird der Reisende noch informiert. "Wer dann bereits auf dem Weg zum Bahnhof ist, kann sich entspannen. Wer noch zu Hause ist, kann vielleicht noch eine Tasse Kaffee trinken", sagt Homburg. Hier beschreibt die Bahn den neuen Service auf ihrer Website.

Die E-Mail wird einen Link auf eine Seite enthalten, wo der Fahrgast aktuell über das Problem informiert wird. "Dort steht dann etwa, dass der Zug 15 Minuten verspätet ist", sagt Mathias Hüske, zuständig für den Vertrieb im Internet. "Oder der Reisende erfährt, dass bei seiner Verbindung die Gefahr besteht, den Anschlusszug zu verpassen - möglichst gleich mit einer Alternativverbindung."

Wer ein "Meine Bahn"-Konto hat - immerhin bereits mehr als fünf Millionen Bahnfahrer - wird dort künftig ein Feld vorfinden mit der Frage, ob er das Angebot nutzen will. "Setzt man ein Häkchen, bekommt man ab sofort die Mails", sagt Hüske. Ziel ist, den Service eines Tages auszubauen, "damit auch Menschen teilnehmen können, die im Reisezentrum oder am Automaten gebucht haben".

Verbraucherschützer loben das Projekt

Profitieren werden in erster Linie Reisende mit Smartphones oder iPads, sie haben am leichtesten Zugriff auf ihre Mails. Der Unterschied zur App, die die Bahn schon anbietet, liegt darin, dass man bei der App nur dann über Verspätungen informiert wird, wenn man sie aufruft. Die Mail aber verschickt die Bahn von sich aus. Würde sie die Infos zudem per SMS verschicken, könnten zwar mehr Reisende den Service nutzen, allerdings wäre das für die Bahn deutlich teurer. Daher verzichtet sie vorerst darauf. Ohnehin handelt es sich zunächst um einen Pilotversuch. "Wir wollen testen, wie zuverlässig das System funktioniert und wo wir nachbessern müssen", sagt Hüske.

Verbraucherschützer - normalerweise ziemlich kritisch bei der Bahn - finden das Projekt gut. "Mir wäre zwar lieber, wenn es gar nicht erst zu Verspätungen käme, aber das ist doch mal ein feiner Zug der Bahn", sagt Holger Krawinkel, Verkehrsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Doch würden sich Kunden noch mehr wünschen. So ist vielen ein Rätsel, warum man nicht längst bei Online-Reservierungen gleich einen bestimmten Platz angeben kann - wie es bei Fluggesellschaften ja auch möglich ist. "Da arbeiten wir dran", sagt Hüske. "Das wird bald kommen."

Auch an den Verspätungen will die Bahn arbeiten. Da aber brauchen die Kunden noch Geduld. Erst in der vergangenen Woche teilte der Konzern mit, dass nach den Wintermonaten wieder mehr gebaut und der Güterverkehr zunehmen wird. Beides verheißt nichts Gutes. Das neue Angebot dürfte also gefragt sein.

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SZ vom 20.02.2012/fran
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