Bahn im Winter:Herr Grube, was ist winterfest?

Kürzlich präsentierte die Deutsche Bahn ihre Wintervorbereitungen. Szenen wie Anfang 2010, als Tief "Daisy" den Zugverkehr lahmgelegt hatte, sollten sich nicht wiederholen. So war der Plan.

Daniela Dau

Wie sich die Bilder doch gleichen: Schneeverwehungen über Zuggleisen, frierende Bahnkunden auf den Bahnsteigen, in den Bahnhöfen liegengebliebene ICE-Züge.

Anfang des Jahres hatte Sturmtief Daisy das Land mit Schnee und Eis überzogen und den deutschen Zugverkehr zeit- und streckenweise zum Erliegen gebracht. Schnee und aufgewirbelter Schotter beschädigten die Züge, Weichen froren ein, es gab zu wenig Ersatzzüge und die Inspektion vieler Fahrzeuge zog sich wegen vereister Fahrwerke und zu wenig Personal in die Länge.

Hunderttausende Passagiere froren auf schneeverwehten Bahnsteigen. Aus dem Imageschaden wollte das Unternehmen Lehren ziehen, ein Winter-Desaster sollte sich nicht wiederholen. Hat es aber.

Erhebliche Beeinträchtigungen

"Die Deutsche Bahn ist organisatorisch, technisch und personell auf den Winter vorbereitet", ließ die Bahn noch vergangene Woche verlautbaren. Als der dann trotz meteorologischer Vorhersage für die Bahn scheinbar wieder urplötzlich über Deutschland hereinbrach, sah die Realität so aus: Vor allem in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordbayern war der Bahnverkehr durch Verwehungen und Weichenstörungen erheblich beeinträchtigt.

Der Verkehr aus Leipzig in Richtung Nürnberg musste zeitweise eingestellt werden, Helfer schenkten Tee und Kaffee an die gestrandeten Fahrgäste aus. Auch in Eisenach, Gotha, Erfurt, Leipzig und Dresden blieben zahlreiche Züge stehen. Auf dem Frankfurter Hauptbahnhof mussten Hunderte Reisende in ICE-Zügen übernachten - ihre Zugstrecke war gesperrt und wegen einer Messe in der Stadt waren keine Hotelzimmer zu bekommen. Wegen der andauernden Witterungsverhältnisse müssen auch Zugreisende in Schleswig-Holstein mit größeren Verspätungen und Zugausfällen rechnen.

Langsamer fahren, zusätzliche Waggons

Dabei hatte die Deutsche Bahn nach eigener Auffassung doch so viel getan, um die massiven Störungen und Ausfälle des vergangenen Winters vergessen zu machen. Bahn-Chef Rüdiger Grube und seine Mitarbeiter hatten angekündigt, die Bahn werde winterfest.

Rund zwei Drittel der mehr als 65.000 Weichen sind mit speziellen Heizeinrichtungen ausgerüstet. Um Zugschäden durch aufgewirbelten Schotter zu vermeiden, wird die Fahrgeschwindigkeit je nach Strecke auf 200 Kilometer pro Stunde verringert. Zusätzlich angeschaffte Enteisungsanlagen sollen mehr Züge schneller von Schnee und Eis befreien.

Um mehr ICE-Züge zur Verfügung zu haben, stellte die Bahn "ausgewählte Verbindungen mit saisonal geringerer Nachfrage" bis zum Frühjahr auf lokbespannte Intercity-Züge um. Damit diese mit angemessener Waggonzahl fahren können, ging die Bahn auf Einkaufstour in Nachbarländern. "Wir haben von der niederländischen Eisenbahn zehn Reisezugwaggons zurückgekauft", meldete ein Sprecher der Bahn Erfolg. Auch die Schweizer Bundesbahnen stellen elf zusätzliche Waggons zur Verfügung. Ob all dies genügt angesichts von täglich mehr als 300.00 Fahrgästen im deutschen Zugverkehr?

"Alle reden vom Wetter. Wir nicht"

Offenbar glaubte die Bahn selbst nicht recht daran, dass ihre Maßnahmen ausreichen könnten, um einen reibungslosen Zugverkehr in der kalten Jahreszeit zu gewährleisten. "Bei extremen Witterungsverhältnissen sind uns trotz umfassender Vorbereitungen natürliche Grenzen gesetzt", baute Detlef Barner, bei der DB Netz AG verantwortlich für die Wintervorbereitungen, vor.

Kleinere Maßnahmen, die nicht viel kosten

Das Argument "höhere Gewalt" lässt Anton Hofreiter indes nicht gelten. "Wenn man so wie die Bahn in den vergangenen zehn Jahren auf Teufel komm raus an der Infrastruktur und am rollenden Material gespart hat, dann muss man sich nicht wundern." Mit Wehmut erinnert sich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag an eine Werbekampagne der Bahn aus den sechziger Jahren. "Ein Zug im Schnee war auf den Plakaten zu sehen und darüber stand: 'Alle reden vom Wetter. Wir nicht'".

Die jetzt getroffenen Wintervorbereitungen haben für Hofreiter "eher kosmetischen Charakter, das sind kleinere Maßnahmen, die nicht viel kosten". Sicher, man habe sich bemüht. Doch für fundamentale Veränderungen nach dem letzten Katastrophenwinter sei zum einen die Zeit zu kurz gewesen, zum anderen fehle auch der unternehmerische Wille zur Investition in das Gleisnetz, in Signalanlagen, in Weichenheizungen, in Wartungspersonal. Solange dies so bleibe, kann der Grünen-Politiker Bahnreisenden wenig Hoffnung auf Besserung machen.

"Solche Bilder werden wir in diesem Winter noch öfter sehen. Und im Winter 2011/12 auch."

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