Badespaß deluxe:Fragen Sie Dr. Beach!

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Der Geologe Stephen Leatherman kürt alljährlich die besten Badestrände der USA zum Schwimmen - natürlich nach streng wissenschaftlichen Kriterien.

Katrin Kerner

Amerikaner hatten schon immer eine Vorliebe für Gewinner. Ranglisten sind hier ein ewiger Renner, und es scheint immens wichtig zu sein, wer oder was der oder das Beste im ganzen Land ist.

Auf Platz vier der Liste: der Strand der Caladesi Island in Florida (Foto: Foto: Visit Florida)

Hotels, Restaurants, Filme und Bücher, ja selbst Krankenhäuser oder Schulen: Alles wird ständig getestet, bewertet und beurteilt. Kein Wunder also, dass es inzwischen auch eine Hitliste mit den besten Stränden der USA gibt.

Aufgestellt wird sie alljährlich vom Geologen Stephen Leatherman von der Florida International University in Miami, besser bekannt als Dr. Beach. Als Wissenschaftler befasst er sich mit dem Spezialgebiet der Küstenerosion, zu seiner ungewöhnlichen Nebenrolle als Strandmacher kam er durch puren Zufall.

"1989 erhielt ich einen Anruf von einem Reisemagazin, die wollten von mir eine Liste der zehn besten Strände haben", erzählt Leatherman. "Ich war in Eile und ratterte einfach 10 Strände runter, die mir zuerst in den Sinn kamen." Umso erstaunter war er, als die veröffentlichte Liste einige Zeit später einen wahren Medienansturm auslöste. Glückliche Gewinner riefen an, doch vor allem auch die Orte, die nicht mit auf der Liste waren und wissen wollten, warum.

Das veranlasste Leatherman, die Sache wissenschaftlich anzugehen. Er entwickelte eine Liste von 50 Kriterien, um Strände objektiv bewerten zu können; sie reichen von der Sandfarbe über die Luft- und Wassertemperatur bis hin zu Umwelteinflüssen und Sicherheitsaspekten.

Informationen über 650 öffentliche Strände füllen nun seine Datenbank, die jedes Jahr durch weitere Stippvisiten aktualisiert wird. Und jedes Jahr halten Strandgemeinden in den ganzen USA den Atem an in der Hoffnung, vielleicht dieses Mal das große Los zu ziehen.

Natürliche Schönheit

Die begehrte Auszeichnung für den "Besten Strand 2005" ging an North Beach im Fort De Soto Park, der zu Füßen der Stadt St. Petersburg an Floridas Golfküste liegt. Verglichen mit seinen Vorgängern mag dieser Strand zunächst wie ein Mauerblümchen erscheinen. Schlanke Kokospalmen sucht man am North Beach vergeblich.

Man findet hier auch keine Korallenriffe, keine hohen Dünen oder eine besonders phänomenale Aussicht. "Ehrlich gesagt wird einem dieser Strand nicht beim ersten Anblick dem Atem verschlagen", gibt Leatherman zu. "Was ihn auszeichnet, ist die Tatsache, dass man hier innerhalb einer dicht besiedelten Region ein großes Gebiet hat, das völlig unbebaut und geschützt ist, damit sich die Bevölkerung dort erholen kann. Es ist das Gesamtpaket, das hier zählt, ein Strand, an dem man sich rundum wohlfühlen kann." Eine natürliche Schönheit eben, ganz ohne Starallüren.

Nicht, dass North Beach seine Spitzenauszeichnung nicht verdient hätte. Der neun Kilometer lange Strand ist naturnah und von Hotelburgen verschont. Breit, mit blendend weißem, feinstem Sand, fällt er kinderfreundlich sanft ins türkisfarbene Meer ab.

Dünenvegetation und Strandhafer bilden einen natürlichen Saum, an manchen Stellen spenden auch Bäume Schatten. Muschelfreunde finden hier ebenso reichhaltige Ausbeute wie Hobbyornithologen. Der Park mit seinen verschiedenen Ökosystemen zählt unter Vogelfreunden zu den beliebtesten Gebieten in Florida.

"Unser Strand", sagt Jim Wilson, Fort De Sotos Park Manager, "ist von Natur aus schön. Was uns zum besten macht, ist das ganze Drumherum." Und damit meint er seinen aus fünf Inseln bestehenden Park.

Viereinhalb grüne Quadratkilometer, auf denen Besucher nicht nur den Strand genießen, sondern auch radeln, Inline skaten, paddeln, angeln, wandern und campen können. Selbst für Vierbeiner gibt es extra einen Hundepark und sogar einen separaten Strand. Dazu kommt ein ausgiebiges Sortiment an schattigen Picknickgelegenheiten, Duschen, Snackbars und - ganz wichtig in einem derart autoorientierten Land - jede Menge Parkplätze.

Gigantischer Parkplatz

Der Parkplatz am populären North Beach besitzt in der Tat gigantische Ausmaße. Aus der Luft sieht er aus wie eine Landebahn, mehr als 2000 Fahrzeuge finden auf der riesigen Asphaltfläche Platz. Kaum vorstellbar, dass sie sich je auffüllte, doch an Wochenenden strömen gut und gern zehnmal so viele Leute in den Park - fast 2,8 Millionen Besucher pro Jahr.

Mit einem Team von 65 Angestellten sorgt Wilson dafür, dass hier alles wie am Schnürchen läuft. Das ständige Instandhalten der Anlage ist ein wichtiger Aspekt. Zum Beispiel fährt hier mehrmals die Woche eine Maschine am Strand entlang und sammelt dort Müll und Schwemmgut auf.

Fort De Soto Park, nach dem spanischen Entdecker Hernando de Soto benannt, der wohl als erster Europäer einen Fuß auf diesen Strand setzte, ist heute eine Oase inmitten einer der am dichtesten besiedelten Regionen Floridas. Ein Ort, an dem man sich in die Natur zurückziehen kann - auch wenn der entsprechend intensiv genutzt wird.

Lohnenswert ist auch ein Besuch beim historischen Namensgeber des Parks, den Überresten des Fort De Soto. Die Küstenverteidigungsanlage wurde von 1898 bis 1902 errichtet, während des spanisch-amerikanischen Krieges. Heute bieten die Überreste des Forts, dessen "Gipfel" inzwischen zugewachsen ist, einen seltenen Genuss entlang von Floridas flacher Küste: eine Aussicht.

Bislang war dieser Park mehr ein Ziel für Einheimische: "Einfach ein guter Platz um abzuschalten und sich zu vergnügen", sagt Chad, einer der Rettungsschwimmer am Strand, der sich mit cooler Miene hinter seiner Sonnenbrille verschanzt. "Doch seit wir die 'Best Beach' Auszeichnung erhalten haben, kommen viel mehr Besucher von außerhalb und sogar aus Übersee. Die Leute sind einfach neugierig auf den besten Strand der USA."

Leatherman weist dazu auf eine häufig missachtete semantische Feinheit hin: "Meine Liste ermittelt den besten Strand zum Schwimmen, was nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit dem schönsten Strand."

Daher findet man unter den Gewinnern bislang nur Strände aus Florida und Hawaii - Kaliforniens Strände, zum Beispiel, sind zwar enorm malerisch und eindrucksvoll, bieten aber mit ihrem kalten Wasser, dem starken Wellengang und vielen Felsen keine guten Bedingungen zum Baden. "Es ist schwer, den Sonnenschein, den feinen Sand und das stets angenehme Klima Floridas und Hawaiis zu überbieten", sagt Doktor Beach.

Beim Blick auf manches Strandidyll kommt natürlich die Frage auf, was für eine Motivation hinter der ganzen Sache mit der Strandrangliste steckt. Leatherman legt großen Wert auf die Tatsache, dass er für diesen Teil seiner Arbeit nicht bezahlt wird.

"Wenn ich einen Strand besuche, um ihn zu bewerten, trete ich stets inkognito auf. Keiner weiß, dass ich da bin, kein roter Teppich wird ausgerollt. Ich möchte den Strand so sehen und erleben, wie jeder andere Tourist auch, ohne dass jemand eventuelle schlechte Seiten vertuschen könnte."

Letztlich ist die Bewertung von Stränden eine Aufgabe, die Leatherman viel Spaß macht, das i-Tüpfelchen einer Arbeit, die er mit Leidenschaft ausführt und in der er einer der besten Experten ist. "Meiner Meinung nach inspiriert die 'Best-Beaches-Liste' ein gutes Strandmanagement. Es ist etwas, wonach Strandgemeinden streben können, und womit sie am Ende für ihre positiven Bemühungen belohnt werden."

Listenplatz garantiert Promistatus

Ein Rang auf der Liste von Dr. Beach bringt in jedem Fall Prominentenstatus für den Strand und das umliegende Gebiet, keine Frage. Im vergangenen Jahr kamen 76,8 Millionen Besucher in den Sunshine State - die meisten werden von den verheißungsvollen Stränden angezogen. Sicher, bei mehr als tausend Kilometern Strand ist es schwer zu erklären, warum einer besser sein soll als der andere.

Viele der Qualitäten von North Beach - der feine Sand, das klare Wasser, die natürliche Lage - lassen sich auch an so manchen anderen Stränden Floridas finden.

Die Attraktivität liegt vielmehr in der Verpackung, in dem beglückenden Gefühl, dass einem hier auf kompakter Fläche eine Menge geboten wird und dass der Tag nicht lang genug ist, um wirklich alles zu genießen.

© SZ vom 17.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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