Austrocknender Lake Powell in den USA:Die Wanne ist nur halb voll

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Lake Powell, von Süden aus gesehen. (Foto: Susanne Helmer)

Zwischen Utah und Arizona erstreckt sich ein gigantischer See. Los Angeles oder Phoenix könnten ohne die Wasserreserven nicht existieren. Doch eine Bootstour zeigt, wie dramatisch diese schwinden.

Von Susanne Helmer

Wenn irgendwo das Wasser ganz bestimmt nicht knapp wird, dann hier, unter Deck der Canyon Odyssey. Ein riesengroßer Wasserspender thront auf einer Anrichte gleich neben der Schiebetür. Links und rechts von ihm stehen zwei weitere Behälter mit Kaffee und Zitronenlimo, dahinter stapeln sich Plastikbecher bis fast unter die Decke. "Trinkt, Leute, trinkt!", sagt Kapitänin Paula Thompson ins Mikrofon. "Wir machen diese Tour hier seit fast zwanzig Jahren. Uns ist noch nie jemand zusammengeklappt, und das soll auch so bleiben", setzt sie nach, mit ihrem Akzent, der das A in die Breite zieht und das T unterschlägt. Die Frau am Steuerrad wird die Passagiere noch öfter zum Trinken auffordern.

Vor ihnen liegt eine Bootstour auf dem Lake Powell, dem zweitgrößten Stausee der USA, im Grenzgebiet von Utah und Arizona. Am beliebtesten sind die Plätze auf dem Oberdeck der Canyon Odyssey. Sie ist eines von sechs Booten, die zweimal täglich mit Touristen an Bord vom Hafen "Wahweap Marina" ablegen. Ein paar der Passagiere stehen schon mit ihren Kameras an der Reling.

Auf dem Boot ist für 85 Personen Platz, die Tour an diesem Vormittag ist fast ausgebucht. Das Thermometer zeigt 39 Grad an, die Sonne brennt auf die meist bedeckten Häupter der Passagiere. "Haltet eure Hüte fest, Leute! Wir beschleunigen", erklingt Paula Thompsons Stimme aus dem Lautsprecher. Der Motor dröhnt lauter, das Boot pflügt stromaufwärts auf den Lake Powell.

Das Tour-Boot im Antelope Canyon. (Foto: Aramark)

Eine Art Sparbuch - aber keine sichere Anlageform

Die Ausmaße des Sees sind gigantisch: Mit einem Umfang von 3155 Kilometern ist seine Uferlinie länger als die gesamte Westküste der Vereinigten Staaten. Bezogen auf die maximale Wasserkapazität von 33,3 Milliarden Kubikmetern liegt der Lake Powell knapp hinter dem 270 Kilometer südwestlich gelegenen Stausee Lake Mead, der 34,9 Milliarden Kubikmeter fasst. Regelmäßig wird dem Lake Mead Wasser aus dem Lake Powell zugeführt. Der gesamte Südwesten der USA ist von dem Grundwasser-Reservoire abhängig. "Städte wie Phoenix, San Diego oder Los Angeles könnten ohne den Lake Powell so nicht existieren", erklärt die angenehme Männerstimme aus dem Kopfhörer. "Er ist eine Art Sparbuch für 24,5 Millionen Menschen."

Was der Audio-Guide-Sprecher nicht sagt: Der Lake Powell ist keine sichere Anlageform. Im Gegenteil, der See trocknet aus.

Schuld daran ist eine seit 14 Jahren anhaltende Dürre in der Region, die laut offiziellem Klimabericht der US-Regierung "beispiellos seit dem Beginn der verlässlichen Aufzeichnungen im Jahr 1895" ist. Die Trockenperiode hat den Colorado River, der den Lake Powell speist, stellenweise in ein jämmerliches Bächlein verwandelt.

Mit gravierenden Folgen: Im Mai dieses Jahres veröffentlichte die US-Weltraumbehörde Nasa Satellitenfotos, die beweisen, dass der See an einigen Stellen bereits trocken ist. War er laut Nasa Anfang 2000 noch zu 94 Prozent gefüllt, betrug die Füllmenge nach Angaben der US-Wasserversorgungsbehörde, dem Bureau of Reclamation, im Mai 2014 nur noch 42 Prozent - historischer Pegel-Tiefststand.

Der Mangel ist für Passagiere auf der "Canyon Odyssey" nicht spürbar. Links und rechts spritzt Gischt auf, als das Boot durch die Wassermassen gleitet und Kurs nimmt auf Antelope Island. Je nach Pegelstand ist sie mal eine Insel und mal eine Halbinsel.

Experten fürchten die größte Wasser-Krise der USA nahen

Experten sehen die größte Wasser-Krise in der Geschichte der USA herannahen, Städte, Landwirtschaft und Ökosysteme im Südwesten könnten bald mit erheblichen Wasserversorgungsproblemen zu kämpfen haben. Der Umweltjournalist William deBuys etwa glaubt: Hält die Dürre an, könnte die Wasserversorgung in Südkalifornien schon um 2030 herum massiv gefährdet, die Region bis zum Ende des Jahrhunderts sogar unbewohnbar sein, sofern nicht gegengesteuert wird.

Eine der bis zu 182 Meter hohen Felswände im Navajo Canyon, einer weiteren Seitenschlucht im Lake Powell. (Foto: Susanne Helmer)

Längst hat die Politik Verknappungsmaßnahmen eingeleitet: Am 17. Januar dieses Jahres rief Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown den Notstand aus und bat die Bevölkerung, Wasser zu sparen. Um 20 Prozent müsse der Verbrauch sinken. Auf vielen öffentlichen Toiletten in Kalifornien finden sich seither entsprechende Hinweise. Zudem wird in diesem Jahr zum ersten Mal die Wassermenge reduziert, die vom Lake Powell in den Lake Mead geleitet wird, der unter anderem Las Vegas versorgt.

Paula Thompson drosselt das Tempo. Vor ihr liegt der See in seiner ganzen Schönheit. Denn das ist der Lake Powell nach wie vor: wunderschön. Zu allen Seiten erstreckt sich klares, zu den Ufern hin türkisfarbenes Wasser, eingerahmt von Felsformationen, die mal schmal und spitz, mal flach und breit aus dem Wasser ragen. In mehreren Filmen diente die einmalige Landschaft schon als Kulisse, in Die zehn Gebote etwa oder Planet der Affen. Auch Britney Spears hat hier gedreht - im Video zu "I'm not a girl, not yet a woman" von 2001 steht sie auf einem der majestätischen Felsen am Ufer des Lake Powell.

Trotz der Idylle sind die Zeichen der Austrocknung deutlich erkennbar: Nimmt man die Uferfelsen genauer ins Visier, sieht man den hellen Rand aus gebleichtem Sandstein, den das Wasser früher bedeckte. Je näher man den Felsen kommt, umso klarer wird, welche immense Wassermenge hier fehlt - zum Beispiel im Wasser führenden Teil des Antelope Canyon, einer mehr als zehn Meilen langen Schlucht, von denen vier Meilen mit der Canyon Odyssey befahrbar sind.

Die Kapitänin steuert das Boot gekonnt so dicht an den Felswänden entlang, dass die Gäste sie vom Oberdeck aus fast berühren können. Und sie müssen sehr weit nach oben blicken, um zu sehen, wo der fast weiße Sandstein auf die bräunlich gefärbte Steinschicht darüber trifft. Bis dort oben stand früher das Wasser. Laut den aktuellsten Daten der US-Wasserversorgungsbehörde von Ende Juli ist das Wasser derzeit 92 Fuß (28 Meter) zu niedrig.

Noch ist der See ein beliebtes Urlaubsziel

Der Rand, der sich rund um den ganzen See abzeichnet, werde auch "Badewannenrand" genannt, sagt der Mann im Kopfhörer. Aber dass dies bedeutet, dass die Wanne nur halb voll ist - derzeit zu 52 Prozent - das erwähnt er nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass die Wanne sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiter leeren wird.

Auf Grundlage verschiedener Klimastudien prognostizieren Experten für die Zukunft eine weitere Zunahme der Trockenheit in der Region. Zu befürchten ist der Rückfall in vergangene Zeiten: Baumringanalysen haben ergeben, dass das 20. Jahrhundert die feuchteste Periode der vergangenen 1200 Jahre war, zuvor war der Südwesten der USA noch trockener als heute.

Vielleicht will man die Touristen nicht verschrecken. Schließlich ist der Lake Powell nach wie vor ein beliebtes Urlaubsziel, mehr als zwei Millionen Besucher verbringen hier jedes Jahr ihre Ferien. Für viele von ihnen hat der Wasserverlust bereits Konsequenzen. Die Verwaltung des Erholungsgebiets "Glen Canyon National Recreation Area", zu dem der See und seine Umgebung gehören, gab unlängst eine Warnung heraus: Besucher sollten Vorsicht walten lassen, wenn sie die Rampen zum Wassern der Boote nutzen - das Wasser sei derzeit so seicht, dass die Boote unverhofft aufsetzen und Schaden nehmen könnten.

Die Canyon Odyssey nähert sich wieder der Marina. Mittlerweile ist es Mittag und mit 41 Grad noch heißer als bei der Abfahrt. Während Paula Thompson ihr Boot sicher in den Hafen steuert, hat sich vor dem Wasserspender unter Deck eine Schlange gebildet. Das Thema Austrocknung ist auf der Bootstour über den Lake Powell eine reine Privatangelegenheit.

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