Aussichtsbalkone über Grindelwald:Zug zum Gipfel

Das Bergauf - Bergab ist rund um Grindelwald ein Leichtes. Gleich mehrere Bergbahnen führen auf die schönsten Aussichtspunkte - und die Eisenbahnen sind ein Erlebnis für sich.

Stefan Herbke

Ein ganzes Gebirge an Sehenswürdigkeiten thront über Grindelwald, eine Flut an Landschaftseindrücken bricht über den erwartungsfrohen Gast herein, der fast trunken ist vor Glücksgefühlen und nicht anders kann, als immer und immer wieder den Auslöser des Fotoapparats zu drücken.

Angefangen vom kühnen Wetterhorn (3701 m) mit seiner jäh abfallenden Felsmauer über der Großen Scheidegg und dem kleinen Hängegletscher, der immer wieder seinen eisigen Gruß bis zu den Almwiesen über Grindelwald schickt, über Schreckhorn (4078 m), Eiger (3970 m), Mönch (4099 m) und Jungfrau (4158 m), der vom vorgelagerten, eleganten Schneegrat des Silberhorns fast die Schau gestohlen wird, bis zu den eisgepanzerten Dreitausendern über dem Lauterbrunnental, nirgendwo in den Alpen erheben sich die Berge so unvermittelt wie hier.

Majestätische Größe und Unnahbarkeit

Mehr als 3500 Meter überragen die kühnen Gipfel den grünen Talboden von Interlaken mit seinen Seenaugen, dazwischen liegen gerade einmal 17 Kilometer.

Das Bild von majestätischer Größe und Unnahbarkeit vervollständigen die zerrissenen Gletscher, die sich an die Felswände klammern oder durch enge Einschnitte talwärts schieben und wie der Obere Grindelwaldgletscher bis hinunter in die Almregionen reichen.

Im Schneckentempo schraubt sich die Zahnradbahn von Wilderswil bei Interlaken über die sanften Almwiesen von Breitlauenen hinauf zum Berghotel (1967 m) unter der Schynigen Platte, ein langsames herantasten an den ersten Höhepunkt, wenn nach dem "Grätlitunnel" plötzlich der Blick frei wird ins Lauterbrunnental und nach einer letzten Kehre das Dreigestirn Eiger - Mönch - Jungrau Parade steht.

Alle auf einmal

Mit einem Mal wird der Zug einseitig belastet, alle wollen das Panorama sofort sehen, obwohl sie es wenige Minuten später doch in aller Ruhe genießen können.

Die Schynige Platte ist einer der schönsten Aussichtskanzeln im Raum Grindelwald. Hoch über der Mündung des Lütschentals in das Lauterbrunnental bietet sich der beste Blick auf die imposante Nordseite des Berner Oberlands zwischen Wetterhorn und Tschingelhorn.

Die Schynige Platte ist aber auch ein ideales Wandergebiet mit einem Lowa-Testcenter bei der Bergstation, in dem jeder eines von über 200 Paar Wanderschuhen einen Tag lang kostenlos testen kann.

Die meisten wählen den Panoramaweg vorbei am Alpengarten auf die Schynige Platte (2076 m), deutlich länger ist die gut sechsstündige Tour über das Faulhorn (2681 m) und den Bachsee, einem klassischen Kalendermotiv, zur Bergstation der Gondelbahn auf First - eine der schönsten Höhenwanderungen weit und breit.

Das Gebiet zwischen First und Großer Scheidegg ist das Grindelwalder Wandermekka schlechthin. Über hundert Kilometer Wanderwege sind ausgeschildert, fast alle mit Blick auf Wetterhorn, Schreckhorn und Eiger.

Zum Greifen nah ist die imposante Nordwand des Eigers gegenüber, auf dem "Eiger Trail Alpiglen - Eigergletscher", der dicht unter den Abbrüchen entlang führt.

Weltnaturerbe der UNESCO

Egal ob Eiger Trail oder einer der ausgeschilderten Wege am Männlichen, auf der Kleinen Scheidegg oder dem Harder Kulm über Interlaken, zwei Sachen habe alle Wanderwege gemein: Die leichte Erreichbarkeit mit Bergbahnen und der fantastische Blick auf die Jungfrauregion, die seit 2001 von der UNESCO als Weltnaturerbe Jungfrau - Aletsch - Bietschhorn ausgezeichnet wurde.

Die Zahnradbahn auf die Schynige Platte (Spurweite: 80 cm) wurde 1893 eröffnet und war die erste Bahn auf einen Gipfel in den Berner Alpen.

Damals wurden in einem regelrechten Wettlauf einige der schönsten Logenplätze der Schweiz mit Bahnen erschlossen, je kühner, desto besser.

Die Krönung aller Bauleistungen

Die Krönung aller Bauleistungen sollte jedoch noch folgen. So wurden bereits mehrmals in den 80-er Jahren des 19. Jahrhunderts Pläne zum Bau einer Bahn auf die Jungfrau eingereicht, doch realisiert wurden sie nie.

Neben den hohen Baukosten - die Bahn sollte im Tal beginnen - stand die Frage, wie der Mensch auf die große Höhendifferenz von über 3000 Meter bei der Auffahrt reagieren würde, im Vordergrund.

Im Sommer 1893 schließlich hatte Adolf Guyer-Zeller, ein Schweizer Eisenbahnpionier, die entscheidende Idee. Sein Plan sah vor, die gerade eröffnete Wengernalpbahn auf die Kleine Scheidegg zu nutzen und von dort aus das Jungfraujoch zu erreichen.

Drei Jahre später begannen die Bauarbeiten, wobei bereits damals Kosten- und Zeitrechnungen nicht mit der Realität übereinstimmten.

Aus den veranschlagten sieben Jahren Bauzeit wurden 16, die Kosten summierten sich auf 15 Millionen Franken statt der prognostizierten 10 Millionen, und statt der Jungfrau wurde "nur" das Jungraujoch (3454 m) erreicht, bis heute die höchste Eisenbahnstation Europas.

Nur mit einer Annahme behielten die Planer Recht: Bereits im ersten vollen Betriebsjahr nach der Einweihung am 1. August 1912 kam der erhoffte finanzielle Erfolg. Die Jungfraubahn (Spurweite: 100 cm) ist eine Erfolgsgeschichte, nur einmal wurde bis jetzt ein Verlust eingefahren.

Kinderkrankheiten überwunden

Und das, obwohl der Aufwand für den Unterhalt des Gebäudekomplexes auf dem Jungfraujoch beachtlich ist. Das Trinkwasser muss mit Zügen von der Kleinen Scheidegg herauftransportiert werden, das Abwasser fließt in einem Spezialrohr ins Tal, das zu Beginn seine Kinderkrankheiten hatte - immer wieder fror die Leitung zu.

Neue Herausforderungen entstanden auch durch die Klimaerwärmung. Der Stollen für den neuen Aufzug zur Aussichtsplattform auf der Sphinx (3571 m) führt durch eine Permafrostzone und muss daher ebenso wie die Eisgrotte künstlich gekühlt werden. Probleme ganz anderer Art gibt es mit Besuchern, die jedes Jahr rund 15 Klobrillen als Souvenir mitgehen lassen.

Damit der Champagner nicht überläuft

Gut 50 Minuten benötigen die Züge von der Kleinen Scheidegg für die fast zwölf Kilometer lange Strecke. Mit modernen Zügen eine langsame Eisenbahnfahrt, mit dem nostalgischen Ambassador Express ein Erlebnis. Der im Stil der Belle Epoque renovierte Zug ist von Gruppen zu mieten und bietet altes Flair mit Stil, damit der Champagner nicht überläuft, passen sich die Tische mit ihren Marmorplatten sogar der Steigung an!

Eigergletscher, Eigernordwand und Eismeer heißen die Stationen auf der Fahrt durch den Berg. Schön, aber nichts gegen den Ausblick oben auf dem Jungfraujoch. Nach dem dunklen, engen Stollen wirkt das Weiß der Schneefelder noch heller, die Weite noch großzügiger.

Der Panoramablick auf den Aletschgletscher, mit 24 Kilometer längster Gletscher der Alpen, ist einzigartig, die Nachbargipfel Mönch und Jungfrau großartig. Man kann einfach nichts anderes als Schauen, Fotografieren, Filmen und Staunen.

Infos:

Jungfraubahnen, Harderstr. 14, CH-3800 Interlaken, Tel. 0041/33/8287233, www.jungfraubahn.ch

Grindelwald Tourismus, CH-3818 Grindelwald, Tel. 033/8541212, www.grindelwald.ch

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