Süddeutsche Zeitung

Ausgleich bei Verspätungen:EU-Parlament will Rechte von Fluggästen stärken

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Passagiere in der EU sollen bei Verspätungen künftig früher entschädigt werden und leichter zu ihrem Recht kommen. Mit diesem Gesetzentwurf stellt sich das Europaparlament gegen die Kommission.

Drei Stunden oder fünf Stunden? In der EU wird weiter darum gestritten, ab wann Passagiere für verspätete Flüge Geld bekommen sollen. Das Parlament ist nach Ansicht der Kommission zu verbraucherfreundlich.

Denn nach dem Willen der EU-Abgeordneten sollen Passagiere auf Kurzstrecken schon ab drei Stunden Verspätung mit 300 Euro entschädigt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Parlament in Straßburg mit großer Mehrheit verabschiedete. Kommt zudem ein Flugzeug bei Mittelstreckenflügen fünf Stunden zu spät am Zielort an, sollen den Passagieren 400 Euro zustehen. Bei sehr langen Flügen ab 6000 Kilometern wird eine Ausgleichszahlung von 600 Euro fällig, und dies bei Verspätungen ab sieben Stunden.

Die Kommission will dagegen erst ab fünf Stunden Verspätung Entschädigungen zugestehen, bei Mittel- und Langstreckenflügen sogar erst nach neun beziehungsweise zwölf Stunden - aus Rücksicht auf Fluggesellschaften ist sie gegen kürzere Fristen. Damit würden Verbraucherschützern zufolge mehr als zwei Drittel der heute geltenden Entschädigungsansprüche wegfallen. Jetzt müssen sich die Abgeordneten mit den EU-Regierungen auf einen Kompromiss einigen.

EU-Parlament: Airlines haften für Anschlussflüge

In dem Gesetzesentwurf fordert das Parlament, dass Airlines haften müssen, wenn ein Passagier aufgrund einer Verspätung seinen Anschlussflug verpasst. Fluggesellschaften sollen verpflichtet werden, ihre Kunden rasch über die Gründe für Verzögerungen oder Flugausfälle zu informieren und innerhalb von zwei Monaten auf eine Beschwerde zu reagieren. Zudem sieht die Verordnung vor, dass in jedem EU-Staat eine Anlaufstelle für Beschwerden geschaffen wird.

Der Begriff "außergewöhnliche Umstände", der Airlines von der Pflicht zu Entschädigungen befreit, wird enger definiert. Als "außerordentliche Umstände" könnten etwa extreme Wetterbedingungen, Terroranschläge oder medizinische Notfälle geltend gemacht werden, nicht aber technische Defekte, betonte der SPD-Verkehrsexperte Knut Fleckenstein. Airlines könnten Verspätungen in Zukunft nicht mehr mit einer "heruntergefallenen Schraube" rechtfertigen, sagte die österreichische Grüne Eva Lichtenberger.

Das Europaparlament will Fluggesellschaften außerdem zur besseren Information bereits bei der Buchung verpflichten - etwa über die Kosten für Gepäckstücke.

Luftverkehrs-Lobby: Flüge werden teurer

Scharfe Kritik an diesen Forderungen übte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch. Eine Verschärfung der Verordnung zu den Fluggastrechten sei "unverantwortlich", sagte Siegloch. Das Ergebnis wären "teurere Flüge und längere Wartezeiten".

Auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas äußerte sich "besorgt" über die Forderungen des Parlaments zu den Entschädigungen für verspätete Flüge. Die Airlines müssten ausreichend Zeit haben, um etwa eine Panne zu beheben, betonte Kallas. Der Vorschlag der Kommission ziele auf den "richtigen Ausgleich" zwischen den Rechten der Passagiere und den Interessen der Fluggesellschaften ab.

Zahlreiche Abgeordnete warfen Kallas dagegen vor, er habe sich dem Druck der Fluglobby gebeugt. Der Vorschlag der Kommission sei zu "industriefreundlich", kritisierte der Berichterstatter des Parlaments, der Luxemburger Sozialist Georges Bach.

Die Verordnung soll eine Regelung aus dem Jahr 2004 nachbessern: Sie staffelt die Entschädigungssummen je nach Entfernung. Der Mindestbetrag von 250 Euro fällt bei Flügen über eine Entfernung von 1500 Kilometern oder weniger an; maximal können es 600 Euro sein.

Bereits damals wurde zwar ein Recht auf Entschädigungen für verspätete oder ausgefallene Flüge und verlorene Gepäckstücke verankert. In der Praxis haben Passagiere aber große Mühe, dieses Recht durchzusetzen, was der Europäische Gerichtshof (EuGH) in 39 Urteilen gerügt hat. Nach Angaben aus dem Verkehrsausschuss des Europaparlaments werden derzeit nur zwei Prozent der Betroffenen tatsächlich entschädigt.

Die Vorlage geht nun an den Ministerrat, in dem die 28 EU-Staaten vertreten sind. Das Europaparlament hat in der Frage ein Mitentscheidungsrecht. Rat und Parlament müssen sich daher auf einen Kompromiss einigen. Ob dies noch vor der Europawahl Ende Mai geschieht, ist nach Angaben eines Parlamentssprechers aber fraglich.

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