Auf der Royal Clipper im Mittelmeer:Logenplatz am Bug

Hausmannskost statt High Tea: Das Schiff steht im Mittelpunkt und bestimmt das Bordleben

Oleg Petrovsky muss man gesehen haben. Wie er sich an den Tauen hinaufhangelt, höher, immer höher, wie er ganz oben mit seinem Werkzeug hantiert - das muss ihm erst mal einer nachmachen. Petrovsky stammt aus Odessa, ist Matrose auf der Royal Clipper und möchte mit keinem anderen Job in der Welt tauschen. "The ocean, I love", meint er kurz und bündig.

Auf der Royal Clipper im Mittelmeer: Mit 4600 qm Segel ist die Royal Clipper die größte Segeljacht der Welt

Mit 4600 qm Segel ist die Royal Clipper die größte Segeljacht der Welt

(Foto: Foto: Deglmann)

Die Royal Clipper ist die größte Segeljacht in der Geschichte der Passagierschifffahrt. Aber als wir in Cannes zu einer siebentägigen Mittelmeerreise an Bord gingen, machte das Schiff einen eher harmlosen Eindruck, ohne Segel schaukelte es schlaff und schläfrig im Wasser, und dass es bis zu 240 Passagieren Platz bietet, war zunächst auch nicht erkennbar. Zwölf Stunden später wehte eine frische Brise über die See, das Signal für den Kapitän: Clipper ahoi! Kapitän Müller-Cyran schickte das Schiff auf die Reise, volle Kraft voraus. Segeln! Stagsegel, Rahsegel, Focksegel wurden gesetzt, die Royal Clipper war in ihrem Element, strich in bestechender Form über die Wogen, ein majestätisches Bild, und die Passagiere blickten hinauf auf die weiße Pracht an den fünf Masten.

Erstaunlich, innerhalb von Minuten war die Royal Clipper mit ihren 4600 Quadratmetern Segelfläche voll aufgetakelt. Nicht mit Muskelkraft, sondern mit hydraulischen Winden, was nicht heißen soll, die Matrosen verstünden nichts vom Segeln. Ständig müssen die Taue sortiert, überprüft, festgemacht, gelockert, repariert werden, eine Wissenschaft für sich, aber die Manöver liefen präzise ab wie ein Uhrwerk. Oleg Petrovsky und die gesamte Crew, vorwiegend Russen und Rumänen, sind Profis mit einer erstklassigen Ausbildung auf russischen Großseglern wie der Krusenstern und der Mir.

Mit Schiffen dieser Bauart verbindet man gerne die Vorstellung von Seefahrt wie vor 150 Jahren. Auch an den Segeln der Royal Clipper haftet eine Spur von Nostalgie, schließlich handelt es sich um einen nahezu originalgetreuen Nachbau der 1902 in Dienst gestellten, legendären Preußen, wobei im Rumpf der Royal Clipper modernste Technik steckt - unter anderem ein Satelliten-Navigationssystem. Computergesteuerte Segelromantik, wie man sie auf diversen Kreuzfahrtschiffen vorfindet, bietet die Royal Clipper allerdings nicht. "Diese Technik", so der Kapitän, "dient nur der Kosmetik. Damit lassen sich keine Segelmanöver fahren." Manöver wie das Ablegen von der Pier auf Menorca, unter Segeln, wohl gemerkt, ein schwieriges Unternehmen, vom Kapitän ohne viel Aufhebens vorexerziert. Müller-Cyran hat ein halbes Leben zur See verbracht, bei der Bundesmarine, auf der Germania von Krupp, später als Kapitän auf der Sea Cloud. Einer, mit dem man nicht nur in sieben Tagen durchs Mittelmeer, sondern in 80 Tagen rund um die Welt segeln möchte.

Kapitän Müller-Cyran ist an der Ostsee zu Hause, der Erste Offizier kommt aus der Ukraine, sein Kollege aus Schweden, der Chefingenieur stammt aus Indien, die Hausdame aus Italien, der Oberkellner aus Manila - die Royal Clipper ist ein multikulturelles Schiff, dazu tragen auch die Passagiere bei: fünfzig aus den USA, vierzig aus Deutschland, der Rest verteilte sich auf Österreich, die Schweiz, Frankreich und England. Darunter Segel-Freaks, Landratten und Sir John Mills (93), Oscar-Preisträger. Nicht zu vergessen jene Amerikanerin, die Oleg Petrovsky bei seinen Kletterausflügen beobachtete und allen Ernstes fragte, was der dort oben überhaupt wolle, etwa Fenster putzen?

Bequem aber nicht luxuriös

Die Royal Clipper, Königin der Großsegler, wie es stolz im Prospekt heißt, ist 133 Meter lang und 16 Meter breit, das Schiff ist mit vier Decks und all dem ausgestattet, was man auf See so braucht, dazu gehören Piano-Bar, Pool, Fitnesscenter, Thai-Massage und natürlich ein Restaurant. Die Passagiere sind in 90 Außenkabinen und 14 Suiten untergebracht, komfortable Räume, praktisch, wenn auch nicht luxuriös eingerichtet, aber man befindet sich ja auf einem Segelschiff, und hier gelten andere Maßstäbe, die meiste Zeit verbringt man sowieso an Deck. Das Bett war gut, der Kleiderschrank geräumig, Klimaanlage und Fernseher funktionierten, die Bullaugen waren klein, und Mr. Hati, der Steward aus Jakarta, war freundlich und aufmerksam. Eigentlich ist Mr. Hati Werbefachmann, aber die wirtschaftliche Lage in Indonesien zwang ihn, sich einen anderen Job zu suchen.

Mikael Krafft fand in Brüssel den Job, der es ihm ermöglichte, seine Träume (in Traumschiffe) umzusetzen. Im Hafen seiner schwedischen Heimatstadt Saltsjobaden hatte sich Krafft schon im Alter von sechs Jahren herum getrieben und den Geschichten der Seeleute gelauscht, die von Clippern erzählten, die einst die Meere beherrschten. Mikael Krafft studierte Seerecht in Stockholm, wurde Anwalt, Tauchlehrer und Stuntman, erwarb eine Transportfirma, verkaufte diese mit Gewinn und startete in Brüssel eine Immobilienfirma. Das florierende Geschäft an Land ermöglichte ihm, seine Ziele auf hoher See zu realisieren. Krafft gründete eine Reederei, stellte 1991 und 1992 die Viermastsegler Star Clipper und Star Flyer in Dienst und bot mit diesen Schiffen Segeltörns in aller Welt an. Im Juli 2000 brachte Krafft dann für 55 Millionen Dollar die Royal Clipper auf die Meere. Königin Silvia war Taufpatin.

Cruising mit dem Royal Clipper. Das ist wohl das Besondere an diesem Schiff: Man fährt mehr mit als auf anderen Schiffen, das Erlebnis der Seereise ist intensiver, man fühlt sich involviert und ist doch ganz entspannt. An Bord "normaler" Kreuzfahrtschiffe wird man rund um die Uhr verwöhnt. Auf der Royal Clipper gibt es keinen High Tea bei Windstärke acht und keine Broadway-Show, man denkt hier an Meer und Wind, Wetter Welt und Weite. Über die Leistungen der Küche kann man geteilter Meinung sein, serviert wurde solide Hausmannskost. Die Nahrungsmittel werden tief gekühlt aus Holland angeliefert, was kulinarischen Höhepunkten nicht gerade entgegenkommt. Abwechslung boten bei Landgängen die Restaurants in Mahon, Palma, Barcelona und St. Tropez.

Aber die Landausflüge waren - zumindest für die Segler unter den Passagieren - nur Zugaben. Das Leben an Deck war das Ereignis. Man lag im Liegestuhl, das Genießen des Segelns hatte Priorität. Selbst bei Flaute, wenn mit Motor gefahren wurde, gab das Sonnendeck eine imposante Kulisse ab und war stets bevölkert. Der beste Platz auf dem Schiff? Zwei Ausbuchtungen, kleine Erker am Bug, Logenplätze sozusagen, losgelöst von der übrigen Welt. Das elegante Gleiten über den Wogen, das tiefblaue Gewässer, es war ein freiheitliches Gefühl, das sich da draußen einstellte. Vielleicht der Grund, weshalb Oleg Petrovsky mit keinem anderen Job in der Welt tauschen möchte.

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