Auf den Spuren von Dan Brown:Geheimnis der Gruftpyramiden

Bei Rom-Führungen gibt der Vatikanthriller "Illuminati" die Route vor, auf der Touristen die ganze Wahrheit erfahren.

Sandro Mattioli

Morgens um 9.30 Uhr geht es um den ersten Mord, doch die Piazza del Popolo ist an diesem Tag nicht der ideale Ort dafür. Die italienische Polizei bereitet eine Feier vor, einige Beamte bauen gerade einen mehrere Meter hohen Polizeischriftzug aus Plastikbuchstaben auf.

Sechs deutsche Touristen sind schon da, vier Freunde aus Stuttgart und ein Ehepaar aus dem hessischen Dillenburg. Mitten auf dem weiten eleganten Oval sticht ein Obelisk in den wunderschön klaren Morgenhimmel.

Hier ist der Treffpunkt für einen speziellen Stadtspaziergang.

Seit fünf Jahren bietet der niederländische Journalist Ewout Kieckens thematische Rundgänge auf den Spuren bekannter, in Rom spielender Romane an. Harry Mulischs "Die Entdeckung des Himmels" kam nicht bei der Kundschaft an.

Die "Illuminati"-Tour dagegen ist begehrt. Sie basiert auf dem gleichnamigen Thriller des Amerikaners Dan Brown, dessen Verfilmung soeben in den deutschen Kinos gestartet ist.

Kieckens hat keinen Schirm dabei oder was Fremdenführer sonst als Erkennungszeichen in die Höhe halten.

Seine Touren sollen anders sein. Statt Geschichte en masse gibt es Massen-Geschichten. Mit Browns 15 Millionen Mal verkauftem Roman in der einen Hand und einem Ordner mit Bildern in der anderen, fängt er seinen Vortrag an.

"Wir sehen hier oben einen Steinhaufen und den Stern", sagt Kieckens und deutet auf ein Emblem an dem prachtvollen weißen Tor in der Stadtmauer, das den Auslass der Piazza del Popolo bildet. "Dan Brown sagt, das ist eine Pyramide und damit das Zeichen der Illuminati. Eigentlich handelt es sich aber um das Wappen der Familie Chigi. Und die sechs Steine sind keine Pyramide, sondern das Symbol für die sechs Hügel von Siena, wo die Familie herstammt."

Es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass Kieckens die Technik von Brown, Fakten mit Fiktion zu durchmischen, demaskiert.

In dem flott lesbaren 700-Seiten-Werk taucht der längst aufgelöst geglaubte Geheimbund der "Illuminati" aus der Vergangenheit auf, um sich an der katholischen Kirche für deren forschungsfeindliche Haltung zu rächen. Den Bund gab es wirklich, er wurde 1776 in Ingolstadt gegründet, doch er bestand nur für kurze Zeit.

Im Buch hält ein von den Illuminaten beauftragter Entführer vier Kardinäle gefangen; einer von ihnen hätte beim gleichzeitig stattfindenden Konklave zum Papst gewählt werden sollen. Der Bösewicht kündigt an, einen Geistlichen nach dem anderen umzubringen.

Am Ende soll eine Bombe die Kardinalsversammlung nebst Petersdom und allen Schätzen des Vatikans in die Luft jagen. Die Tatorte liegen praktischerweise alle an bekannten Sehenswürdigkeiten - da freut sich die Tourismusbranche.

Seit der Film mit Tom Hanks in der Hauptrolle kürzlich in Rom Premiere hatte, ist das Interesse an Illuminaten-Touren noch einmal gewachsen. Mehrere Unternehmen bieten die Rundgänge entlang dem beschriebenen "Pfad der Erleuchtung" an. Dieser Weg soll im Buch die beiden Wissenschaftler Robert Langdon und Vittoria Vetra zum Hauptquartier der Illuminati führen, damit sie die Zerstörung stoppen können.

"Vittoria starrte suchend in die Gasse hinein. Glauben Sie, es könnte noch einen dritten Eingang geben? Langdon bezweifelte es", liest Ewout Kieckens laut auf der Piazza del Popolo. "Langdon folgte ihr tiefer in die Gasse hinein." Kieckens Kundschaft muss grinsen.

Knapp an der Wahrheit vorbei

Es ist weit und breit keine Gasse zu sehen. Die Kirche Santa Maria del Popolo steht frei am Rand des Platzes, inmitten von Touristen mit Rucksäcken und Italienern mit dunklen Sonnenbrillen. Im Inneren des Gotteshauses zeigt Kieckens dann auf zwei langgezogene Pyramiden an den Seitenwänden der Familien-Kapelle der Chigi.

Der rote Marmor schimmert im weichen Licht. Pyramiden seien damals in Mode gewesen, erklärt der studierte Historiker. "Als diese Kapelle entstand, wurden häufig ägyptische Symbole für christliche Kirchen verwendet."

Kieckens bewegt sich in mehreren Sphären: Er arbeitet als Journalist für holländische Medien und hat zwei Bücher über den Vatikan verfasst - mit Fakten, nicht Fiktion. Und heute spaziert er in seiner grauen Cargohose seiner Gruppe voraus durch Rom, macht Scherze, gibt Informationen und liest vor wie ein Audio-Guide.

"Ich hoffe, ihr seid jetzt nicht enttäuscht", sagt Kieckens später, "aber in Browns Buch ist nicht alles wahr."

So stand auf der Piazza Barberini noch nie ein Obelisk, dafür gibt es seit mehr als 360 Jahren einen von Gian Lorenzo Bernini geschaffenen Brunnen.

Die Kirche, die laut Buch neben dem Platz liegt, steht ein paar hundert Meter weiter Richtung Hauptbahnhof, und der unterirdische Geheimgang zwischen dem Petersdom und der Engelsburg, wo die Illuminaten in ihrem fiktiven Hauptsitz zusammenkommen, ist ein oberirdischer, fest gemauerter Gang vor aller Augen.

Nein, die Gruppe ist nicht enttäuscht, ihr gefällt die Tour. Für die vier Stuttgarter ist der Ausflug keine klassische Führung, sondern vor allem ein Spaß. "So siehst du viele Sachen, die du sonst nicht sehen würdest", sagt Alexander Vogl. Vor allem die kleine Kirche Santa Maria della Vittoria in der Nähe des Hauptbahnhofs hätte der 39-Jährige wohl kaum betreten, wenn nicht Dan Brown seine zwei Protagonisten hineingeschickt hätte. Von außen wirkt die Kirche schmucklos, ihre Wand ist notdürftig verputzt.

Doch im Inneren bricht einem eine lasziv blickende Bernini-Statue, die "Ekstase der Heiligen Theresa von Avila", das Herz. Dazu leuchten Sonnenstrahlen aus Gold in ihrem Hintergrund, die tatsächlich von der Sonne beschienen werden - oberhalb der Statue ist ein kleiner Lichteinlass versteckt.

Vor dem Petersdom endet die Tour, hier spielt das dramatische Finale von Browns Geschichte. Im Schatten des Obelisken liest Kieckens die dazugehörige Stelle und blendet dann zum Informationsteil über: Dass die Sixtinische Kapelle das Gebäude mit den drei Antennen darauf rechts neben dem Portal des Petersdoms sei; dazu erzählt er ein paar Hintergründe über den Ministaat mit dem Herrscher Papst Benedikt XVI.

Beim Smalltalk zum Ausklang des Vormittags seufzt Alexander Vogl: "Da drin würde ich gerne mal ein bisschen rumstöbern. Da gibt's sicher viele Geheimnisse, die die Welt nicht kennt." Es ist genau diese Phantasie vom Verborgenen, Mysteriösen, die Dan Brown mit seinem Vatikanthriller so gewinnträchtig füttert.

Vogls Freund Markus Meurer ist überzeugt, dass der Autor nicht so erfolgreich wäre, wenn der Vatikan weniger geheimniskrämerisch täte.

Streng gehütete Geheimnisse

"Man weiß ja nicht, wie die da drin richtig ticken. Die trinken bestimmt auch mal einen über den Durst", sagt Vogl.

Ewout Kieckens ist überzeugt, dass der Markt für solche Touren künftig weiter wächst. Er sagt, sein Angebot ziehe vor allem jene Reisenden an, die sich ihre Unternehmungen im Internet individuell zusammenstellen und keine Lust auf große Gruppen haben. An diesem Tag sind die Touristen in Kieckens Gruppe zwischen 33 und 39 Jahre alt.

"Klar hätten wir auch selber mit dem Buch durch die Stadt laufen können. Aber da bekommen wir ja die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe nicht mit", sagt Melanie Peil, die mit ihrem Mann dabei ist.

Letztlich ist der Erfolg wohl eine Frage der richtigen Mixtur: Dan Brown mischt mit viel Raffinesse Erfundenes und Gefundenes, Ewout Kieckens vermengt Literatur, Geschichte und Scherze. Am Ende bleiben viele Fragen offen und die vatikanischen Geheimnisse weiter streng gehütet.

Und vielleicht ist ja absolut nichts dran an diesen ganzen düsteren Geschichten von weggesperrten Büchern und intriganten Klerikern.

Doch wenn man das alles wüsste - am Ende wäre es wohl nur halb so schön.

Informationen:

Touren mit Ewout Kieckens kann man über dessen Homepage www.illuminatitour.com oder unter 0039/3271615604 buchen. Die dreieinhalbstündige Tour ist derzeit im Angebot und kostet 40 Euro pro Person, der normale Preis liegt bei 53 Euro.

Weitere Anbieter offerieren den Rundgang in Englisch: AD Tours und The eternal city tours bieten eine Halbtages-Tour an.

Bei Nerone lassen sich Ganztagestouren für Gruppen zum Preis von 455 Euro zuzüglich Eintritts- und Fahrtkosten buchen. An dem Rundgang können dann zwei bis acht Personen teilnehmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: