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Putschversuch in der Türkei:Was Türkei-Reisende jetzt wissen müssen

  • Das Auswärtige Amt, Fluglinien und Reiseveranstalter reagieren auf den Putschversuch in der Türkei.
  • Derzeit befinden sich jedoch weniger Urlauber im Land als in früheren Sommern, denn die Türkei leidet bereits seit längerem unter massiven Buchungseinbrüchen in Folge politischer Spannungen und terroristischer Attentate.

Wegen des Putschversuchs in der Türkei ruft das Auswärtige Amt (AA) Reisende in Istanbul und Ankara zu äußerster Vorsicht auf. Das gelte insbesondere auf öffentlichen Plätzen und für Menschenansammlungen. Bei unklarer Lage sollten Reisende die Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen und Wohnungen und Hotels im Zweifel nicht verlassen, heißt es. Es wird empfohlen, Kontakt mit dem Reiseveranstalter oder der Fluglinie aufzunehmen.

Der Atatürk-Flughafen in Istanbul versuchte bereits um 6 Uhr Ortszeit seinen normalen Betrieb wieder aufzunehmen. Auch nach dem Anschlag auf den Airport Ende Juni war der Flugverkehr äußerst schnell wieder angelaufen. Bei der Fluggesellschaft Turkish Airlines sind 35 Flüge umgeleitet und 32 abgesagt worden, seit Samstagnachmittag läuft der Verkehr aber wieder nach Plan.

Der Flughafen Frankfurt kündigte online am Morgen "Verzögerungen und Annulierungen" an. Ein Flug der Linie Sun Express nach Izmir zum Beispiel wurde aber normal aufgerufen. Auf der Homepage des Münchner Flughafens, des zweitgrößten in Deutschland, hieß es: "Aufgrund der Ereignisse in der Türkei kann es zu Unregelmäßigkeiten im Flugverkehr kommen. Vereinzelt sind Flüge annuliert." Manche Airlines sollten regulär fliegen.

Deutsche Airlines streichen Flüge

Nach dem Putschversuch in der Türkei haben aber mehrere Fluggesellschaften zumindest kurzzeitig ihre Türkei-Flüge gestrichen. Die Lufthansa, Eurowings und Air Berlin sagten Flüge aus dem Land und in das Land ab. Die Lufthansa strich für Samstag acht ihrer zehn Abflüge in die Türkei. Nur zwei Flüge am Nachmittag in die Mittelmeer-Städte Bodrum und Antalya fänden planmäßig statt, sagte ein Unternehmenssprecher. Am Sonntag will die Lufthansa größtenteils wieder normal fliegen. "Wir fliegen von Frankfurt nach Istanbul und Antalya sowie von München nach Ankara, Izmir und Bodrum. Von planmäßig 16 Flügen finden 13 statt", sagte ein Lufthansa-Sprecher. "Nur ein Flug Istanbul-Frankfurt fällt aus, weil die Maschine gestern nicht hingeflogen ist, sowie eine Verbindung München-Ankara-München."

Lufthansas Billigflug-Tochter Eurowings setzte alle Flüge zwischen Deutschland und der Türkei bis auf Weiteres aus, wie die Gesellschaft mitteilte. Antalya solle ab Sonntag wieder angeflogen werden.

Air Berlin hat die Flüge dorthin bereits wieder aufgenommen. "Wir haben uns dazu entschieden, die Flüge in die Türkei bis auf Weiteres durchzuführen", sagte ein Sprecher. Die Airline beobachte die politische Lage und stehe in Kontakt mit den Behörden. Kunden, die derzeit nicht in die Türkei reisen wollten, könnten ihre Flüge bis 20. Juli kostenfrei umbuchen.

Tui beruft Krisenstab ein, in Ferienzentren aber offenbar ruhige Lage

Der deutsche Reiseveranstalter Tui hat einen Krisenstab einberufen. Urlauber können ihre Reisen nach dem Putschversuch meist kostenlos umbuchen. Dies sei für Abreisen am Samstag und Sonntag mit Tui, Thomas Cook ("Öger"), DER Tour und Alltours möglich, teilten die Firmen mit. Daneben könnten Gäste auch von ihrer Reise zurücktreten und erhielten den Preis zurück.

Da sich der Putschversuch auf die Hauptstadt Ankara und die Metropole Istanbul konzentriert habe, hätten die Gäste in den wichtigsten Baderegionen Antalya und Bodrum direkt nichts davon mitbekommen, sagte ein Sprecher von Thomas Cook. Abgesagt habe bislang kaum ein Gast. "Bei uns sind morgens die ersten Maschinen Richtung Türkei gestartet und die große Mehrheit der Urlauber ist geflogen."

Auch Tui fliegt mit der eigenen Airline Tuifly weiter in die Türkei. Tui teilte zugleich mit, in den touristischen Regionen der Türkei am Mittelmeer sei die Situation "aktuell ruhig". Nach Angaben der Reiseleiterorganisation sei die Stimmung unter den Gästen "besonnen". Die Ausflugsprogramme seien für Samstag aber vorsorglich abgesagt

Derzeit befinden sich weniger Urlauber als in den Vorjahren in der Türkei, denn das eigentlich so beliebte Urlaubsland befand sich bereits vor dem Putschversuch in einer äußerst schwierigen Situation. Ende Juni hatte die türkische Regierung neue Statistiken bekanntgegeben.

Demnach waren die Besucherzahlen in der Türkei vor Beginn der Hochsaison um etwa ein Drittel eingebrochen. Im Mai seien knapp 35 Prozent weniger Ausländer als im Vorjahresmonat eingereist, teilte das Tourismusministerium mit. Insgesamt kamen knapp 2,5 Millionen Gäste. Auch die Zahl der Deutschen nahm mit einem Minus von 31,5 Prozent im Vergleich zum Mai 2015 weiter ab. Sie stellen dennoch nach wie vor die größte Gruppe der Ausländer.

Spannungen im Verhältnis mit Russland sorgen für weitere Verluste

Einen Sonderfall bildet das Geschäft mit russischen Urlaubern: Mit einem Minus von fast 92 Prozent hatte die Zahl Touristen aus Russland in der Türkei besonders dramatisch abgenommen. Das wiederum lag vor allem an der angespannten Beziehung beider Länder. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs Ende vergangenen Jahres hatte Russland Sanktionen gegen die Türkei verhängt und unter anderem Charterflüge gestrichen. Nach sieben Monaten Eiszeit hob Russland inzwischen allerdings die Sanktionen gegen die türkische Urlaubsbranche auf.

Mehrmals waren ausländische Reisende Opfer von Attacken

Neben diversen politischen Spannungen hatten wiederkehrende Terroranschläge Urlauber zuletzt verunsichert. Einige Attacken zielten auf Orte, die von Ausländern besonders frequentiert werden. Mehrmals waren Reisende unter den Opfern. (Hier eine komplette Auflistung der Anschläge seit Juli 2015.) Für besonderes Aufsehen sorgten in den vergangenen Monaten folgende Attentate:

28. Juni 2016 - Bei einem Anschlag auf den größten Istanbuler Flughafen Atatürk töten drei Selbstmordattentäter mehr als 40 Menschen und verletzen etwa 150. Einer der Täter schießt in der Abflughalle um sich. Dann sprengen sich alle drei in oder in der Nähe der Ankunftshalle in die Luft.

7. Juni 2016 - Durch einen Bombenanschlag sterben in der Altstadt von Istanbul mindestens elf Menschen: sieben Polizisten und vier Zivilisten.

19. März 2016 - Auf einer beliebten Einkaufsstraße im Zentrum von Istanbul reißt ein Selbstmordattentäter vier ausländische Touristen - drei Israelis und einen Iraner - mit in den Tod. Die Behörden vermuten Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staats (IS) hinter der Tat.

12. Januar 2016 - Bei einem Selbstmordanschlag in der Altstadt von Istanbul werden zwölf Deutsche getötet, auch dieser wird dem IS zugeschrieben. Dieser Vorfall führt auch zu unmittelbaren Reaktionen von Reiseveranstaltern, die teils Angebote aus dem Programm nehmen.

10. Oktober 2015 - Während einer prokurdischen Friedenskundgebung vor dem Hauptbahnhof in Ankara sprengen sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft. Sie töten 101 Menschen. Der türkische Staat macht auch dafür die IS-Dschihadisten verantwortlich.

Einzelne Regionen sind besonders stark betroffen

In der Region Antalya etwa, wo die Menschen hauptsächlich vom Tourismus leben, entwickeln sich die Besucherzahlen vor diesem Hintergrund noch dramatischer als im Landesdurchschnitt. Türkische Medien berichteten kürzlich unter Berufung auf Angaben des Flughafens in Antalya, in den ersten zwei Juni-Wochen seien etwa 60 Prozent weniger Besucher angekommen - 45 Prozent weniger Deutsche, fast keine Russen. "Schwarzer Juni" titelten die Zeitungen - bereits vor der Flughafen-Attacke, und noch nicht ahnend, dass bald auch ein Putschversuch das Land in Chaos stürzen könnte.

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