Süddeutsche Zeitung

Atlanta im Süden der USA:Seit 75 Jahren vom Winde verweht

Hunderttausende kamen 1939 zur Filmpremiere von "Vom Winde verweht" nach Atlanta. Auch 75 Jahre später ist die Geschichte um Rhett Butler und Scarlett O'Hara Kult, so dass noch heute Fans nach Atlanta pilgern - und dort erfahren, dass Scarlett eigentlich ganz anders heißen sollte.

"Vom Winde verweht" - "Gone with the wind": Das Drama um Scarlett O'Hara und Rhett Butler ist einer der ganz großen Liebesromane. Noch dazu verknüpft das Buch von Margaret Mitchell das quälende Hin-und-Her zwischen der starrsinnigen Plantagenerbin und dem Draufgänger mit dem amerikanischen Bürgerkrieg und dem Ende der Sklaverei in den Südstaaten - Meilensteinen der US-Geschichte.

Hunderttausende hatten das Buch verschlungen und warteten sehnsüchtig auf die Verfilmung, die 1939, nur drei Jahre nach der Buchveröffentlichung in die Kinos kam. Eine Million Menschen kam zur Premiere am 15. Dezember nach Atlanta, der Gouverneur von Georgia hatte den Tag zum Feiertag erklärt.

Auch heute noch, 75 Jahre später, ist "Vom Winde verweht" Kult. Fans pilgern des Films wegen seit Jahrzehnten nach Atlanta, wo große Teile des Romans spielen. Hier wird der Jahrestag ausführlich gefeiert. Viele Ausstellungen, einige davon kostenlos, informieren über Buch und Film. Essen gehen können Besucher unter anderem in einem Restaurant, das nach Pittypat, Scarlett O'Haras betulicher alter Tante, benannt ist, oder in dem Hotel, in dem Vivien Leigh und Clark Gable nach der Weltpremiere feierten. Ein "Gone With the Wind Trail" - ein Rundgang durch die Stadt - verbindet die einzelnen Attraktionen.

"Manche mit Tränen in den Augen"

"Immer wieder stehen hier Touristen und spielen den Film nach, manche mit Tränen in den Augen", erklärt die Fremdenführerin Joanna Arrieta im Margaret-Mitchell-Haus. Hier wohnte die Autorin der Romanvorlage und Pulitzer-Preisträgerin, auch als sie sich einen Palast hätte leisten können.

Das beliebteste Fotomotiv ist das überlebensgroße Porträt von Vivien Leigh, pardon Scarlett O'Hara. "Das hing im Film im Gutshaus Tara", sagt Arrieta. Nachdem der Film abgedreht war, schenkte man es einer Schule, und da hing es im Speisesaal. Wenn man genau hinschaut, sieht man noch Spuren von Essensschlachten.

"Wir haben hier Touristen aus der ganzen Welt. Es sind besonders viele Deutsche dabei, aber die meisten sind natürlich Amerikaner", sagt die Expertin über die Mitchell-Pilger.

Seiten in der Wohnung versteckt

Alles ist noch so eingerichtet, als wäre Mitchell gerade fortgegangen. Der altertümliche Toaster steht noch ebenso da wie die Stehlampe, in deren Schein sie den Weltbestseller schrieb. "Sie hatte einen Reitunfall, und die Zeit nutzte sie, ein Buch zu schreiben", erklärt Arrieta. "Dabei ging sie ungewöhnlich vor: Sie schrieb immer ein Kapitel, fing aber am Ende an." Die Seiten habe sie dann in der Wohnung versteckt, bis das Buch komplett war.

Während die Besucher über die Originalfliesen von 1919 gehen, sagt Arrieta: "Im ersten Entwurf hieß Scarlett noch Pansey. Ich glaube, wir sind alle froh, dass sie das noch einmal überarbeitet hat." Das Manuskript des Films wird im Haus aufbewahrt.

Frische Blumen auf dem Grab

Nur ein paar Blocks weiter in der Peachtree Avenue stand das Loew's Grand Theatre, in dem mehrere große Filme Premiere hatten - keiner reichte aber an "Vom Winde verweht" heran. Drei Tage lang feierte Atlanta den Film, die Parade der Autos mit den Stars sollen 300 000 Menschen verfolgt haben.

An der Ecke steht heute ein Bürohochhaus. Denn 1978 brannte das geschichtsträchtige Kino ab. Bis heute hält sich das Gerücht, das denkmalgeschützte Haus sei einem "warmen Abriss", sprich Brandstiftung, zum Opfer gefallen.

In derselben Straße ereignete sich 1949 ein Unfall, als ein Betrunkener eine Frau anfuhr. Die 48-Jährige starb fünf Tage später im Krankenhaus - es war Margaret Mitchell. Beerdigt wurde sie auf dem nahen Oakland Cemetery. Ihr Ehename Maragaret Marsh steht auf dem Grabstein, zu dem kleine Schildchen weisen. Doch das Grab lässt sich auch ohne Hinweise leicht finden: Auch nach 65 Jahren legt hier jeden Tag jemand frische Blumen ab.

Fans, die nicht pünktlich zum Jubiläum der Film-Weltpremiere in Atlanta sind, bekommen übrigens vom Atlanta History Center einen virtuellen Trost geboten: Es begleitet den Tag mit einem Live-Blog.

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