Arktis:Lichtes Grau

Der Schauspieler und Fotograf Stefan Hunstein hat die Arktis abgebildet. Auffallend ist: Ein klares, strahlendes Weiß spielt kaum eine Rolle.

Von Stefan Fischer

Auffallend ist: Weiß spielt kaum eine Rolle auf Stefan Hunsteins Fotografien für seinen Bildband "Im Eis", die entstanden sind auf zwei Arktis-Reisen 2012 und 2014. Aber Eis ist eben selten weiß - was an den Schmutzpartikeln in der Luft liegt, die sich in Schnee und Eis ablagern. Und an den Lichtverhältnissen: Unschuldiges weißes Eis unter einem blauen Himmel bei strahlendem Sonnenschein ist nicht die Normalität in der Arktis. Das ist nur der sattsam verbreitete Ausnahmefall in etlichen Bildbänden über die Polregionen.

Wobei Hunsteins Fotografien nicht wirklichkeitsgetreuer sind als die vielen Postkartenmotive der Arktis. Der 57-Jährige findet nur andere Motive und Stimmungen reizvoll. Und Hunstein zweifelt ohnehin an der dokumentarischen Glaubwürdigkeit der Fotografie: Lange hat der künstlerisch Doppelbegabte - er gehört dem Schauspiel-Ensemble der Münchner Kammerspiele an und ist parallel dazu seit mehr als 35 Jahren Fotokünstler - fremde Fotografien bearbeitet, um ihnen durch Vergrößerung und Kolorierung Verborgenes zu entlocken. Klarheit, Objektivität in der Fotografie gibt es nicht, demnach auch nicht auf den Bildern, die Stefan Hunstein seit einiger Zeit selbst macht.

Seine Arktis-Aufnahmen folgen der Idee der Romantik, sind nicht aufklärerisch, sondern zielen auf die Erhabenheit des Natürlichen. Er nutzt Spiegelungen und Reflexionen, findet lineare Muster aus Wasser, Eis und Wolken, entdeckt Strukturen im Eis, die es wie einen Marmorblock erscheinen lassen. Die vorherrschende Farbe ist Grau, in vielen, auch warmen Schattierungen. Denn es ist wenig Helligkeit auf den Fotografien, die Kunsthistorikerin Anne-Marie Bonnet schreibt in ihrem Begleit-Essay, "es herrschen seltsame Dämmerungen vor". Dennoch spielt Licht eine zentrale Rolle.

Letztlich sind die Fotos eben doch dokumentarisch oder: wahrhaftig. Aber was bedeutet das schon, wenn die Motive surreal erscheinen - von einer Landschaft, die politisch und poetisch extrem aufgeladen ist, aber von nur wenigen bereist wird, also kaum aus eigener Anschauung existiert.

Stefan Hunstein: Im Eis. Hirmer Verlag, München 2015. 128 Seiten, 39,90 Euro.

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