Arizona:Die Park-Lotterie

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Ins Naturschutzgebiet Vermillion Cliffs in Arizona kommt nur, wer vorher eine Eintrittskarte gewinnt. Das ist aber keine Gewähr, die faszinierenden Steinformationen auch zu sehen.

Viola Schenz

Das Naturschutzgebiet Vermillion Cliffs National Monument liegt im Norden Arizonas, in einer fast unbesiedelten, schwer zugänglichen Gegend. Ein Teil des Monuments heißt "The Wave", eine bizarre Formation aus versteinerten Sanddünen.

Im Südwesten der USA
:Naturwunder Coyote Buttes

Eine der spektakulärsten Canyonlandschaften, die die USA zu bieten haben, ist pro Tag nur wenigen auserwählten Besuchern vorbehalten - und das soll auch so bleiben.

Die Landschaft sieht aus, als habe Gott eine riesige Schokoladenmousse sanft in Form gespachtelt und anschließend mit Schlagsahnestreifen überzogen. Eine braun-weiß gewellte Felslandschaft, die bis zum Horizont reicht, die aber nicht von dieser Welt scheint.

Wer hierhin möchte, muss es wirklich wollen. Von Page, dem nächsten Ort, bis zur Ranger-Station, dem einzigen Zugang, ist es eine gute Autostunde, von der Station sind es noch einmal knapp 30 Kilometer auf Asphalt und Schotter, an die sich ein dreistündiger Fußmarsch anschließt - ohne Baum und unter der gnadenlosen Sonne Arizonas.

Die Felsen gelten als besonders schützenswert, deswegen dürfen sich nur sehr wenige Besucher dieser Tortur aussetzen. Gerade mal 20 Tickets stellt das Bureau of Land Management, eine Abteilung des US-Innenministeriums, pro Tag aus.

Damit die Vergabe gerecht vor sich geht, gibt es eine Kartenlotterie, an der man sich gegen fünf Dollar Gebühr via Internet beteiligen kann - und zwar bereits vier Monate im Voraus. Das machten wir.

Zwei Wochen später kommt eine E-Mail: Glückwunsch, Sie haben zwei Eintrittskarten gewonnen! Wir werden also zu den glücklichen 0,0000000002 Prozent der USA-Besucher gehören, die dieses Naturschauspiel mit eigenen Augen betrachten dürfen. Es wird wohl das Highlight der anstehenden USA-Reise, ach was, das Highlight aller Reisen!

Angekommen in Arizona, kaufen wir in jedem Souvenirshop Postkarten mit "Wave"-Motiven - damit kann man sich schließlich nicht früh genug eindecken - und schreiben vorfreudig schwärmend drauflos.

Lesen Sie auf Seite 2, wie weit die Autorin gekommen ist.

Dann der große Tag. Auf der Straße von Page führt ein unscheinbares Schild zur Ranger-Station, einem kleinen Flachbau. Wir treten ein. Ein dünner, bebrillter, weißhaariger Mann sitzt an einem winzigen Schreibtisch und liest. Der Ranger schaut auf, nickt uns zu, legt das Buch zur Seite und greift zu einem Ordner. Er hat uns erwartet, unsere Lizenz liegt bereit, zwei Abschnitte, einer fürs Armaturenbrett, einer für den Rucksack, jeweils mit Namen, Datum und Nummer versehen und in meilenweit sichtbarem Neonpink gehalten.

Wir unterschreiben, dass wir keinen Hund mit uns führen, nichts zertrampeln, kein Lagerfeuer machen und keinen Unrat zurücklassen. Kurzes Nicken. Es ist wohl der einsamste Job in Amerika, ausgeführt vom wohl wortkargsten Amerikaner.

Dann mustert der Ranger durchs Fenster unseren Mietwagen und sagt doch etwas: "Wenn es geregnet hat, brauchen Sie Vierrad-Antrieb. Die Straße ist sonst unpassierbar." Tags zuvor hat es geregnet. Unser Mitsubishi hat zwei sehr praktische Becherhalter, einen geräumigen Kofferraum, einen mittelmäßigen CD-Spieler. Vierrad-Antrieb hat er nicht. Aber wir haben keine Alternative. Es ist schon Mittag, die Tour dauert lang.

Und überhaupt: Amerikaner! Dramatisieren ja gerne, machen aus jeder Wetter-Unbill eine Katastrophe. Wir fahren los - bis zu der Stelle, an der das Gewitter vom Vortag die Straße weggerissen hat. Keine Chance. Also Auto stehen lassen, Sonnencreme der Stärke 28 aufs Gesicht und losmarschieren. Wie viele Meilen vor uns liegen, wollen wir nicht wirklich wissen, wir hoffen auf andere auserwählte "Wave"-Besucher, freundliche, hilfsbereite Amerikaner in einem flotten SUV, die uns - of course, springt rein! - mitnehmen.

Niemand kommt, stattdessen zieht ein Gewitter auf. Nach einer knappen Stunde durch Sandsturm und Nieselregen kehren wir um, rennen die letzten Meter durch peitschenden Regen zum Auto.

Kleinlaute Rückkehr in den Flachbau. Bis morgen müsse ein Miet-Jeep sicher aufzutreiben sein, sagen wir dem Einsilbigen, könne man da nicht die Lizenz übertragen? Kopfschütteln. Aber heute seien doch zwei Leute weniger dort rumgetrampelt, da mache es doch keinen Unterschied, wenn morgen zwei Leute mehr dort rumtrampeln. Er zeigt auf das Datum auf der Lizenz. Kopfschütteln. Heute oder gar nicht. Wir winseln etwas von weitem Weg aus Deutschlandund dass wir uns so gefreut haben - er quittiert alles mit Kopfschütteln.

Amerikanische Behördenvertreter offenbaren bisweilen einen Trotz, wie man ihn auch bei nordkoreanischen Diktatoren vermutet oder bei zweijährigen Kindern antreffen kann. Amerikanische Bürokraten leben und lieben ihre Vorschriften.

Vielleicht liegt es an der im Allgemeinen geringen Zahl an Regeln im "Land of the Free" - das macht sie zu einem kostbaren Gut, an das man sich klammern muss. Wer dort einmal mit einer Steuerbehörde oder einer Universitätsadministration zu tun hatte, weiß, dass keine Ausnahmen zugelassen werden. Nie, nirgends, auch nicht in der abgelegensten Natur.

Wir verlassen die Ranger-Station. Vielleicht ergibt sich ja in 20 oder 30 Jahren wieder eine Gelegenheit, in diesen Winkel der Welt zu gelangen. Die geschriebenen Postkarten haben wir jedenfalls noch.

Anreise: Tägliche Flüge, zum Beispiel von Los Angeles, zum nationalen Flughafen in Flagstaff. Von dort mit dem Mietwagen nach Page am Glen Canyon. Weiter eine knappe Stunde auf dem Highway 89 nach Westen zur Paria Contact Station, wo man die gewonnene Lizenz abholen muss.

Besuchslizenz: Lotterie im Internet, vier Monate vor dem geplanten Besuchstermin: www.blm.gov. Einsatz pro Person: fünf Dollar, zahlbar über Kreditkarte/Internet.

Unterkunft: Motels in allen Preisklassen gibt es in Page, www.pagelakepowelltourism.com

© SZ vom 31.12.2008/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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