Animation auf Kreuzfahrtschiffen:Zwischen Mozart und Mickey Mouse

Seit das Orchester auf der "Titanic" bis zum Ende durchspielte, hat sich das Bord-Entertainment diversifiziert. Es ist zum Auswahlkriterium für das Schiff geworden.

Von Michael Wolf

Bei der ersten "richtigen" Kreuzfahrt auf der Augusta Victoria des Hamburger Reeders Albert Ballin 1891 spielt die Musikkapelle unter Meister Ascher die Weisen der Zeit. Von der "Wacht am Rhein" über "God save the Queen" bis "Heil Dir im Siegerkranz" ist alles vertreten, dazu leichte Musik beim Essen und Pianoforte in der Bar. Und seit die Titanic nur 21 Jahre später zu den Klängen des Bordorchesters unterging, weiß man: Kreuzfahrt und Musik gehören auf immer zusammen, auch bis zum Schluss.

Viele Jahre später tanzt dann das deutsche Fernsehballett auch bei Windstärke 10 an Bord einiger Kreuzfahrtschiffe, die Passagiere entspannen bei Shuffleboard oder Tontaubenschießen und lauschen den Hits der Alleinunterhalter: "La Paloma Blanca", die weiße Taube, ist dabei musikalisch wahrscheinlich schon auf allen Weltmeeren geflogen. In den vergangenen Jahren hat das Entertainment-Angebot auf Kreuzfahrtschiffen mit der rasanten Entwicklung des Marktes nicht nur mitgehalten, sondern wahre Sprünge in Richtung Vielfalt, Originalität und Qualität gemacht.

Animation auf Kreuzfahrtschiffen: Ist das Mozart? Nein, das ist ein venezianischer Edelmann beim Open-Air-Barbecue eines Luxusschiffes.

Ist das Mozart? Nein, das ist ein venezianischer Edelmann beim Open-Air-Barbecue eines Luxusschiffes.

(Foto: Michael Wolf)

Die meisten Liner bieten weitaus mehr Entertainment als jedes Hotel an Land

Die meisten Reedereien haben erkannt, dass das Thema Unterhaltung an Bord zu einem der wichtigsten Kriterien bei der Wahl des Schiffes geworden ist. Bei bekannten Künstlernamen und beliebten Musikrichtungen können komplette Kreuzfahrten innerhalb weniger Stunden ausgebucht sein - wie die Heavy-Metal-Fahrten von TUI Cruises oder eine Tour mit Peter Maffay bei Cunard.

Die Marketing-Strategen des deutschen Marktführers Aida ließen berechnen, dass ihre Gäste heute auf einer normalen Kreuzfahrt 840 Minuten Showprogramm und 4400 Minuten Livemusik erleben. Das ist bei den großen internationalen Reedereien ähnlich - bei Royal Caribbean haben die Shows und die Musicals wie "Cats" oder "Mamma Mia" Broadway-Niveau. Dazu gibt es Eiskunstlaufshows im Eisstadion oder Wassersprung- und Akrobatik-Performance auf den beiden weltgrößten Schiffen, wo sich am Heck ein riesiges Open-Air-Amphitheater befindet. Der weltbekannte "Cirque du Soleil" ist ebenfalls auf einigen Schiffen zu Gast, bei Norwegian Cruise Line wird sogar im Zirkuszelt zur Show diniert.

Animation auf Kreuzfahrtschiffen: Keine Zeitreise mussten die Girls aus dem Pariser Crazy-Horse-Club für ihre Show an Bord machen.

Keine Zeitreise mussten die Girls aus dem Pariser Crazy-Horse-Club für ihre Show an Bord machen.

(Foto: Michael Wolf)

TUI Cruises hat in Berlin ein Ausbildungszentrum eingerichtet, in dem die immerhin 30 verschiedenen Shows (pro zwei Wochen Fahrzeit) für die nach modernsten Kriterien eingerichteten Bordtheater einstudiert werden. Die meisten Liner bieten im Unterhaltungsbereich weitaus mehr als jedes Hotel an Land. Poolpartys, Sketche, Karaoke, Live-Musik und jede Menge Publikumsspiele, die abends auch bei den Amerikanern gern mal etwas unter die Gürtellinie gehen.

Neue Wege bei anspruchsvoller Unterhaltung geht die Luxusreederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auf der Europa 2. Themen wie Modenschauen, Beauty-Workshops, Styling-Beratungen oder Gourmet-Kochkurse sind zu Hits geworden, auf der Bühne überraschen originelle eigene Showmischungen aus Artistik, Musical und Theater, während die Europa eher auf hochwertige klassische Musik setzt.

Oft ist die Nähe zum Publikum gesucht. Da schmettern auch mal Opernsänger zwischen den Gängen eines französischen Dinners Arien an den Esstischen (Ponant) oder als venezianische Edelmänner verkleidete Schauspieler amüsieren die Gäste bei einem Open-Air-Barbecue an Deck (Silversea) - in alter Tradition des französischen Dinner-Theatre, bei dem kulinarische Köstlichkeiten von Musik oder Tanzeinlagen begleitet werden oder später im Theater Solisten des Bolschoi-Balletts auftreten.

Animation auf Kreuzfahrtschiffen: Ruhe vom Kreuzfahrt-Unterhaltungszirkus findet man im Fitness-Bereich.

Ruhe vom Kreuzfahrt-Unterhaltungszirkus findet man im Fitness-Bereich.

(Foto: Michael Wolf)

Den Passagieren werden auch außerhalb der üblichen Showtime Überraschungen geboten. Dazu gehört zum Beispiel der wirklich witzige Sketch vom angeblich blinden Passagier, einem Pianisten, der mit seinem Flügel an den unterschiedlichsten Orten - auch mal im Panorama-Lift - des Royal-Caribbean-Schiffes Anthem of the Seas auftaucht, von den Offizieren "gejagt" wird - aber den Gästen aus gutem Grund bis zum letzten Tag erhalten bleibt.

Zum Unterhaltungsbereich gehören auch die immer spektakuläreren Angebote auf den großen Schiffen vom Formel 1-Simulator über 4D-Kinos bis zum größten Hochseilgarten der Welt auf dem neuesten Schiff von Norwegian Cruise Line, der Norwegian Escape, die an diesem Wochenende in Hamburg der Tourismusbranche und der Presse vorgestellt wird. In 60 Metern Höhe über dem Meer auf schmalen Balken zu balancieren, sorgt garantiert für Gänsehaut, auch wenn die Passagiere natürlich gut "vertaut" sind.

Spannendes Nachtleben ist fast überall in den schwimmenden Hotels auch für das junge Publikum zu finden. Discos sind auf den Megaschiffen ein Muss, Riesenscreens, Nebelmaschinen und bekannte DJs inklusive. Bei MSC liegen die Lokale zum Abtanzen oft auf dem obersten Deck mit Panorama-Blick auf die Pools, bei den meisten anderen im Bauch des Schiffes, oft auch mit Wendeltreppen ausgestattet, von denen aus das Geschehen auf den Bühnen gut beobachtet werden kann. Denn auch das gehört zur Show: dass fast überall Mitarbeiter aus den Tanz- oder Animationsteams (zumindest am Anfang) mit dabei sind, um die Stimmung anzukurbeln. Noch weiter geht Costa beim Anheizen der Stimmung: Hier tanzen fast jeden Abend knapp bekleidete Girls an den berühmt-berüchtigten Metallstangen.

Während bei den Italienern in den Discos oft auch Bambini und Heranwachsende mit dabei sind, haben auf US-Schiffen hier Gäste erst ab 21 Jahren Zutritt. Diese Altersregelung gilt auch beim Ausschank von Alkohol an Bord, wird aber in europäischen Gebieten nicht so strikt gehandhabt wie im US-Bereich. Die Kids haben aber meist eine eigene kleine Disco für sich.

Gediegen geht es auf den Tanzflächen der großen Schiffe für das gesetzte Publikum zu: leichte Weisen von der Live-Band. Bei längeren Reisen und Transatlantik-fahrten stellen viele Reedereien für die älteren, alleinreisenden Damen "Gentleman Hosts" zur Verfügung. Diese tanzbegeisterten Herren, meist Rentner mit oft interessantem kulturellen Hintergrund, unterhalten mit lockerem Gespräch und elegantem Tanz - allerdings vertragsbedingt nie mehr als einmal mit derselben Dame . . .

Auf den Schiffen einer asiatischen Reederei werden Strip-Shows präsentiert; die kosten aber extra

Eine ganz spezielle Tanzgruppe ließ die französische Reederei Le Ponant bei einer Schiffsinauguration auftreten: die Girls vom berühmten Crazy Horse in Paris - French touch par excellence - zeigten viel Haut.

Auch auf den Schiffen einer asiatischen Reederei werden Strip-Shows präsentiert, kosten aber extra. Die Eintrittspreise staffeln sich wie in vielen Theatern nach der Nähe zur Bühne, Handys und Fotoapparate werden den Besuchern übrigens am Eingang abgenommen. Bei fast bei allen amerikanischen Shows ist ebenfalls das Fotografieren und Filmen auch aus Copyright-Gründen verboten. Und schließlich soll ja auch die DVD der Cruise mit den Show-Clips verkauft werden.

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