Amsterdam:City ohne Sex

Grachten, Coffeeshops, Fensterbordelle: In der Altstadt von Amsterdam liegen Romantik und Rotlicht nah beieinander. Das will die Stadtverwaltung ändern.

Siggi Weidemann

Der Schriftsteller Albert Camus hat die Altstadt von Amsterdam in seinem Roman "Der Fall" mit den Kreisen der Hölle verglichen, und nach Ansicht calvinistischer Prediger ist das Viertel ein holländisches Sodom und Gomorrha voll finsterer Machenschaften und dunkler Geschäfte. Vielleicht ist das der Grund, warum sich die City bei Touristen so großer Beliebtheit erfreut: Romantik und Räuberei liegen hier nah beieinander.

Die "Walletjes", wie das Rotlicht- und Drogenviertel genannt wird, sind zwar weltberühmt, aber in den Augen der Stadtväter ein Rattennest. Alle Maßnahmen, mit denen bisher gegen Menschenhändler, Drogendealer, Geldwäscher und Zuhälter vorgegangen wurde, waren wenig mehr als halbherzig.

Nachdem aber im November wieder eine internationale Bande von Frauenhändlern verhaftet worden war, schien das Maß endgültig voll zu sein. Um den Ruf ihrer Altstadt aufzubessern, wollen die Behörden nun in den kommenden fünf Jahren die Zahl der Bordelle sowie der Coffeeshops, in denen Cannabisprodukte verkauft und konsumiert werden, drastisch verringern.

Das sieht das "Strategiepapier Projekt 1012" vor, das Bürgermeister Job Cohen präsentierte. "Wir bekämpfen die Kriminalität und die Verwahrlosung; Bewohner und Unternehmer müssen den Rest übernehmen", sagte der Sozialdemokrat. In einem ersten Schritt werde die Zahl der Genehmigungen für Bordelle und Coffeeshops halbiert.

Schon im vergangenen Jahr hatte die Stadt in der City rund 100 Gebäude übel beleumundeter Besitzer gekauft. Auch hatte sie zahlreiche "Sex-Schaufenster", in denen Prostituierte ihre Kunden empfangen, geschlossen.

Nun soll deren Zahl bis 2013 von 482 auf etwa 210 sinken. Die 76 Coffeeshops sollen auf 38 konzentriert werden. Vize-Bürgermeister Lodewijk Asscher sagte: "Bei uns wird es immer noch Sex und Drogen geben, aber es muss klar sein, dass die Stadt die Kontrolle hat."

Investitionen in Millionenhöhe erforderlich

Um das Schmuddelimage von Amsterdam noch besser zu bekämpfen, sollen auch Geschäfte, hinter deren Türen kriminelle Aktivitäten vermutet werden, geschlossen werden - darunter Spielhallen, kleine Supermärkte, Telefonläden oder Souvenirgeschäfte.

Unklar ist, ob auch Peepshows schließen müssen. Nach einem Urteil des Hoge Raad, des Obersten Gerichts der Niederlande, sind derartige Etablissements steuerlich seriösen Theatern gleichzusetzen; sie gelten ungeachtet ihres Programms als Kultureinrichtungen und fallen damit unter den niedrigen Mehrwertsteuersatz. Allein für die Sanierung der Infrastruktur des Viertels werden 40 bis 50 Millionen Euro veranschlagt.

Um aber aus dem heutigen Vergnügungspark in der Stadtmitte wieder ein urbanes Viertel mit Luxushotels, schicken Läden und großen Wohnungen zu machen, müssen wohl mindestens 100 Millionen Euro investiert werden. Bürgermeister Job Cohen warnt daher auch vor überhöhten Erwartungen. "Seit 400 Jahren kämpft die Stadt mit den 'Walletjes', und das wird auch so bleiben."

Seit 30 Jahren streitet die Stadt auch mit der Regierung in Den Haag darum, dass die historische Innenstadt zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt wird. Am Freitag hat die Regierung aber beschlossen, nicht das Amsterdamer Zentrum, sondern den angrenzenden, vornehmen Grachtengürtel aus dem 17. Jahrhundert als Welterbe vorzuschlagen. Bis die Altstadt nominiert wird, dürfte es noch dauern.

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