Amerika, der Länge nach (XXIII):"Was sagen Sie zu Oliver Kahn?"

Touristen sind in den Städten Kolumbiens vor der Guerilla relativ sicher. Vor Polizeiverhören jedoch nicht.

Robert Jacobi

In Kolumbien überquere ich die Marke von fünftausend Metern über dem Meer. Das ist in Europa nicht möglich. Auf dem Gletscher liegt Schnee. Schwarze Lavaspuren ziehen sich durchs Eis.

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(Foto: Grafik: Lettner)

Die Luft ist ziemlich dünn. Der Weg zum Krater ist gesperrt, weil die Schwefelwolken für Menschen giftig sind.

Ich wandere mit neun Kolumbianern aus Cali und meiner Studienkollegin Gabriela aus Bogota.

Weiter unten haben wir einen angemieteten roten Chevrolet über die dritthöchste Straße der Welt gequält. Adler kreisen über dem Paramo. Die Pflanzen sehen seltsam aus.

Die Kondore verstecken sich. Der Paramo ist ein Ökosystem in den Anden, zwischen dreitausend Metern und dem ewigen Schnee. Ich rechne damit, dass gleich Luke Skywalker vor dem Auto steht. In der Nacht gefriert der Boden.

Ich bin schon ziemlich lange in Kolumbien. Als ich am Flughafen in Panama einchecken wollte, um nach Medellin zu fliegen, fühlte ich mich schwach. Amelia Varela Doralis vom Bodenpersonal brachte mich zur Ärztin und wartete auf mich. Angeblich hat sich meine Brandwunde entzündet.

Ich fliege einen Tag später nach Medellin. Immer noch schwach. Im Krankenhaus wird Dengue diagnostiziert.

Dengue ist eine Fieberkrankheit in den Tropen. Im Dschungel in Panama haben mich Moskitos gestochen. Daher kommt das Fieber. Einen Impfstoff gegen Dengue gibt es nicht.

Das Fieber wirkt so, als ob sich der Körper komplett ausschaltet. Eine Medizin gibt es auch nicht. Wer sich infiziert hat, muss sich eine Woche ins Bett legen und warten.

Ein Busfahrer empfiehlt mir ein billiges Luxushotel. Dort richte ich mich ein.

Vom Bett aus sehe ich die Hochhäuser von Medellin. Gegenüber liegt eine Videothek. Ich schaue mir Filme von Almodovar an, "Munich" von Steven Spielberg und "Alfie" mit Jude Law. Alfie ist ein unabhängiger junger Mann. Er liebt fünf Frauen gleichzeitig.

Das bringt ihn nicht weiter: "Es ist mein eigenes Leben, aber ich habe keinen inneren Frieden. Und wenn du den nicht hast, dann hast du gar nichts."

Viele Menschen fahren nicht nach Kolumbien. Das Land gilt als gefährlich. In Wirklichkeit lassen die Guerillas und Paramilitärs die Touristen seit vielen Jahren in Frieden.

Es sei denn, die Touristen fahren in eine Gegend, in der sie nichts verloren haben, und stolpern durch die Kokafelder. Im Dschungel herrscht immer noch Krieg. Der Rest des Landes ist sicher. An die Militärposten gewöhne ich mich schnell.

In Bogota nehmen mich vier Polizisten fest. Ich hatte Fotos von Kindern und von Regierungsgebäuden gemacht. Auf der Wache gibt es ein kleines Gefängnis mit zwei Zimmern.

Die Polizisten befragen mich zu Oliver Kahn und Bayern München. Ich rufe Gabriela an, die für die Regierung arbeitet. Als sie kommt, entschuldigen sich die Polizisten.

Sie dachten, ich sei ein fremder Agent oder Drogenhändler.

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In Kolumbien wechseln die Jahreszeiten nicht zeitlich, sondern räumlich. Vom Karibikstrand bis zum Hochgebirge finden sich sämtliche Klimazonen. Auf der Isla de Rosario liege ich an einem leeren Strand. In Cartagena trinke ich Guaranasaft.

Auf der Straße bleiben Menschen stehen und starren mich an. Schon seit drei Monaten bewege ich mich durch Gegenden, in denen ich sofort als Fremder zu erkennen bin.

Als ich wieder gesund bin, laufe ich in Medellin über die Plaza Botero. Neben Gabriel Garcia Marquez ist Fernando Botero der bekannteste lebende Kolumbianer. In Amerika verkaufte er neulich ein Bild für achtzehn Millionen Dollar.

Im Parque San Antonio stehen zwei Exemplare seines "Friedensvogel". Eine Guerillabombe hat den ersten Vogel zerfetzt. Botero stellte einen heilen Friedensvogel daneben.

Genauso wie Cali erholt sich Medellin gerade von seiner brutalen Vergangenheit. Pablo Escobar liegt auf dem Friedhof. Die Drogenkartelle sind umgezogen.

Das "Museo de Antiochia" stellt die Ergebnisse eines Wettbewerbs für Kinder aus. Die Aufgabe war, den größten Wunsch zu malen.

Der zweite Preis geht an David Ortega Ruiz für ein Bild mit dem Titel: "Auf der Wiese wandern, ohne auf Minen zu treten".

Unterhalb des Nationalparks mit den hohen Bergen liegt Manizales und die Kaffeezone. Ich besuche die Kaffeefinka von Don Elias und seiner Familie. Danach wandere ich durch die Hügel. In einer Stunde sehe ich mehr bunte Schmetterlinge als in meinem ganzen Leben zuvor.

In der Nähe von Salento miete ich ein Pferd. Damit reite ich vorbei an Wachspalmen und durch Gebirgsbäche auf einen kleinen Berg.

In der Gegend sind nicht nur die Guerillas gefährlich.

Als der Nevado del Ruiz vor zwanzig Jahren ausbrach, starben mehr als 25.000 Menschen. Erst sieben Jahre ist es her, dass ein Erdbeben die Stadt Armenia zerstörte.

200.000 Menschen waren in wenigen Minuten obdachlos. Geld aus dem Ausland hat geholfen, Armenia wieder aufzubauen. Mein Hotel heißt "Torre Fuerte", weil das Haus erdbebensicher ist.

Auf der Straße von Pereira nach Armenia kracht es laut. Der Motor des Mietautos hat sich zerlegt. Nichts geht mehr. Die Autovermietung ist nicht zu erreichen. Es ist dunkel.

Wir gehen zum nächsten Polizeiposten. Die Beamten halten den nächsten Jeep an. Der Fahrer soll unser Auto zum Posten zu schleppen. Wenn es am Rand der Landstraße stehen bleiben würde, hätte es am nächsten Tag keine Reifen mehr.

Warum so allein, warum nicht verheiratet?

Ein paar Tage später sitze ich wieder im Bus, nach Cali. Ich führe mehrere typische Busgespräche. In wenigen Minuten muss ich erklären, warum ich alleine reise, wie alt ich bin, warum ich noch nicht verheiratet bin, ob meine Eltern mich nicht mal besuchen kommen und welcher Religion ich angehöre.

Draußen sehe ich endlose grüne Täler. Ich zeige meiner Nachbarin ein Foto meiner drei kleinsten Geschwister.

In Cali verbringe ich eine Nacht in fünf verschiedenen Clubs. Die Tanzflächen sind leer, wenn der Diskjockey elektronische Musik spielt. Sobald Salsa kommt, sammeln sich alle jungen Gäste zum Paartanz.

Ich kenne keinen Kolumbianer, der nicht Salsa tanzen kann. Auch sonst sind die Menschen unterhaltsam und fröhlich. Nach zwei Wochen überlege ich, ob ich hierher ziehen soll.

Aber erst kommt Ecuador.

Diplom-Journalist Robert Jacobi (29) war bei der SZ als Wirtschaftsredakteur und Korrespondent in Berlin tätig. Für seine journalistische Arbeit hat er mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Alexander-Rhomberg-Preis für deutsche Sprache, den Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik und den Arthur-F.-Burns Journalistenpreis des Auswärtigen Amtes. Nach seinem Harvard-Abschluss in Internationaler Wirtschaft hat er sich auf den Weg gemacht - von Alaska nach Chile.

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