Amerika, der Länge nach (XIII):Durststrecke im Death Valley

Auf dem Weg von Kalifornien nach Las Vegas: Die Sonne brennt auf das Auto und die Wüste. Der Durst quält. Und das Benzin wird knapp.

Robert Jacobi

In Nevada habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Fata Morgana. Es ist ungefähr elf Uhr vormittags. Die Sonne brennt auf die Wüste.

Ich fahre auf einer zweispurigen Straße ohne Kurven. Es geht geradeaus bis zum Horizont, kein anderes Auto ist unterwegs. Ich habe Durst.

Links vor mir liegt ein See mit Palmen. Meine Vernunft widerspricht. Hier kann kein See sein.

Und schon ist der See weg.

Eine Stunde später erreiche ich die Interstate. Da ist etwas mehr Verkehr, aber leider nur eine verlassene Tankstelle. Davor steht ein Schild "For Sale" und eine Telefonnummer.

Ich brauche keine ganze Tankstelle, sondern Benzin.

Langsam fahre ich nach Süden. Noch nie ist mir während einer Autofahrt das Benzin ausgegangen. Es wäre nicht der richtige Ort, mit leerem Tank stehen zu bleiben.

Seitdem ich einen Tag zuvor den Yosemite Park verlassen habe, befinde ich mich in trockenem Land. Mal wieder ohne Bäume, wie in der Arktis. Nur die Schneeflecken auf den Gipfeln der Sierra Nevada zeigen, dass es manchmal feucht ist.

Unter mir liegt der Mono Lake, ein See, der jedes Jahr mehr austrocknet. Schuld daran ist weniger die Hitze als die Menschen in Los Angeles, die Trinkwasser brauchen.

In dem See leben keine essbaren Tiere, nur eine Krebsart, die aus anderen Erdzeitaltern stammt und nirgendwo sonst überlebt hat. Das Wasser ist zehnmal salziger als im Pazifik. Kein Fluss füllt den See, und aus dem See läuft kein Fluss.

Von der Sierra Nevada fließt das Wasser nach Westen in den Pazifik, von den Rocky Mountains nach Osten auf die Felder. In den Tälern dazwischen verdunstet es.

Die Menschen in Lee Vining am Mono Lake haben aus ihrem vertrocknenden See eine Touristenattraktion gemacht. Über die Jahre sind Tuffsteingebirge aus dem Wasser aufgetaucht. Wenn die Sonne untergeht, leuchtet der Tuffstein. Das sieht gespenstisch aus und bringt schöne Postkarten.

Vielleicht ein Zukunftsmodell: Wenn der Mensch seine Umwelt zerstört hat, lässt sich die zerstörte Umwelt verkaufen.

Von Lee Vining aus mache ich einen Umweg nach Bodie. Das ist eine Geisterstadt aus Goldrauschzeiten. Eigentlich habe ich seit Alaska und dem Yukon genug vom Goldrausch gehört und gesehen.

Die Fahrt auf einer Schotterstrasse durch die Berge aber lohnt sich, und auch Bodie ist lustig. Die Kirche und das Pfarrhaus stehen noch, das Bordell ist abgebrannt. Es handelt sich um eine Art amerikanisches Pompeji.

Lieber Kojote, brave Schlange

Ranger Mike freut sich sehr über den Vergleich und bittet um Erlaubnis, ihn verwenden zu dürfen. Ich sitze in einem Coffee Shop in Bridgeport, als er mit seiner Gitarre hereinkommt. Es ist Samstagnachmittag, und Mike spielt ein kleines Konzert mit überlieferten und selbst geschriebenen Countrysongs.

Ranger Mike nennt sich so, weil er mal als Ranger in Bodie gearbeitet hat. Ich kaufe eine seiner Platten.

Am Ortsrand von Bridgeport läuft den ganzen Tag ein Rodeo. Das ist hier keine Show für Touristen, weil es nicht viele Touristen gibt, sondern ein ernsthaftes Event. Bauern aus der Gegend bringen im Viehwagen ihre Kälber.

Vom Pferd aus versuchen sie dann, die Tiere mit dem Lasso einzufangen. Sobald das geschafft ist, werden die Initialen des Besitzers in das Fell gebrannt, denn Weidezäune gibt es hier nicht.

Ich fahre am Mount Whitney vorbei, dem höchsten Berg in Nordamerika, außerhalb von Alaska. Dann biege ich vom Highway ab auf eine schmale Strasse, die ins Death Valley führt. Kurz nach dem ersten Pass steht links ein Joshua Tree und rechts ein Wegweiser nach Darwin.

Warum nicht, denke ich mir, und biege ab. Es sind acht Kilometer bis Darwin, und als ich dort ankomme, wird mir unheimlich.

Ein Wüstenhase überquert die Straße. Die Häuser sind bewohnt, aber verrammelt. Ich sehe lange niemanden, bis mir ein einbeiniger Mann entgegenkommt und, ohne aufzublicken, an mir vorbeigeht.

In einem Fenster hängt eine Puppe an einem Galgen, daneben ein Peace-Zeichen. Ich verzichte darauf, auszusteigen, drehe um und fahre zurück zur Straße, die mir deutlich sicherer zu sein scheint.

In einer der zwei Hotelkneipen im Death Valley arbeitet Steve. Aufgewachsen ist er in Florence in Oregon. Seine Eltern wohnen dort noch. Ich war gerade erst da und das freut ihn.

Steve ist schon älter und bezeichnet sich als reisenden Bartender. An einer Bar auf Hawaii hat er seine Freundin von den Philippinen kennengelernt. Er zeigt mir ein Foto und nennt ihre Körpermaße. Vielleicht heiraten sie bald.

Es ist dunkel und hat trotzdem noch mehr als vierzig Grad. Ich schleiche mich deshalb in den Pool der Hotelanlage und versuche, auf dem Rücken im Wasser liegend, die Sternbilder zu erkennen.

Später schlafe ich mal wieder auf einer Isomatte neben meinem Auto. Für das Zelt ist es zu warm. Ich bitte sämtliche Schlangen und Kojoten der Wüste, mich in dieser Nacht zu verschonen.

Am nächsten Morgen fahre ich an Scotty's Castle vorbei. Das ist eine Burg, die ein Hochstapler und ein verrückter Millionär in den dreißiger Jahren gebaut haben. Das Grundstück war nicht teuer, denn Wasser und Nahrung gibt es im Death Valley kaum. Das Tal liegt unter dem Meeresspiegel.

In den letzten hundert Jahren wurden hier die höchsten und die niedrigsten Temperaturen in Nordamerika gemessen.

Eine Stunde später überquere ich die Grenze von Kalifornien nach Nevada und erlebe meine Fata Morgana. Die letzten Liter Benzin im Tank bringen mich nach Beatty, dem einzigen Ort auf dem Weg nach Las Vegas.

Las Vegas, der Feier wegen

Abends komme ich in der Glitzerstadt an. Ich war schon dort und wollte nicht unbedingt wieder hin, aber bin mit einer Freundin aus New York und anderen Freunden für eine Partynacht verabredet.

Ein Italiener und ein Chilene aus unserer Gruppe tragen kurze Hosen, weshalb wir in keinen Club kommen und uns in eine Bar im Belagio setzen. Als in Deutschland der Morgen anbricht, rufe ich meine ältere Schwester Elisabeth an.

Sie hat Geburtstag und ich will beim Roulette für sie setzen. Leider antwortet nur die Mobilbox. Während ich noch reise, kommt bald ihr erstes Kind auf die Welt.

Ein schwarzer Limousinenfahrer setzt sich neben mich und teilt mir mit, dass ich müde wirke. Das überrascht mich nicht, denn der Tag war lang.

Ich schaue ihn gelangweilt an.

Er sagt mir, dass ich wie Mick Jagger aussehe.

Als nächstes fragt er mich, ob ich Kokain kaufen möchte.

Wir trinken noch eine Runde Gin-Tonic. Dann wird es hell und ich gehe ins Bett.

Diplom-Journalist Robert Jacobi (29) arbeitete bei der SZ als Wirtschaftsredakteur und Parlamentskorrespondent in Berlin. Nach seinem Harvard-Abschluss in Internationaler Wirtschaft hat er sich auf den Weg gemacht - von Alaska nach Chile.

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