Alpspix auf dem Osterfelderkopf:Mit Höhenangst über dem Höllental

Nur ein Gitter und eine Glasscheibe halten die Besucher der neuen Aussichtsplattform "Alpspix" unter der Alpspitze vom Sturz in die Schlucht ab.

Katja Schnitzler

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(Foto: K. Schnitzler)

Nur ein Gitter und eine Glasscheibe halten die Besucher der neuen Aussichtsplattform "Alpspix" unter der Alpspitze vom Sturz in die Schlucht ab. Eine Reportage in Bildern von Katja Schnitzler. Unterhalb der Alpspitze ragen auf dem Osterfelderkopf zwei Stahlarme über die Schlucht: Die neuen Aussichtsplattformen kreuzen sich wie ein X, heißen Alpspix, und sollen gewagte Einblicke in den Abgrund ermöglichen. Den Besucher trennt ein Gitterrost und am Ende der Stahlarme eine Glasscheibe von dem tiefen, tiefen Tal. Dies ist eigentlich kein Ort für Menschen mit Höhenangst. Außer man will testen, ob die Angst noch da ist. Aus der Gondel der Alpspitzbahn sehen die schroffen Hänge von Alpspitze, Jubiläumsgrat, Zugspitze und Waxenstein vor allem zu hoch und zu steil für Flachlandbewohner aus, der Magen hebt sich sanft bei der Vorstellung, gleich über die Felsen hinauszutreten.

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(Foto: dpa)

Ein Blick von unten auf das Alpspix-Kreuz: Nur wenige Meter oberhalb der Bergstation auf dem Osterfelderkopf ragen die Stahlarme hinaus. Eine Verschandelung der Alpen, toben die Kritiker. Der Deutsche Alpenverein warnt: Berge dürfen nicht zur Kulisse degradiert werden, zu einem Spektakel für Touristen. Um eine Aussicht für Touristen geht es, und zwar für Urlauber, die Bergblicke genießen wollen, aber nicht fit sind für alpine Klimmzüge oder mit kleinen und auch größeren Kindern keine langen Klettertouren planen können. Oder denen im Fels schwindelig werden würde. Allzu sehr können die Plattformen den Gipfel des Osterfelderkopfes sowieso nicht mehr entstellen, schließlich ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... zieht immer noch die alte Bergstation der Alpspitzbahn die Blicke auf sich. Es sind nur wenige Schritte von der Bahn bis zu den Aussichtsplattformen, das Gefühl im Bauch wird flauer und flauer. Doch dann die Überraschung.

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(Foto: K. Schnitzler)

Die Aussichtsstege wirken aus der Nähe kürzer und kleiner als auf den zuvor ängstlich betrachteten Bildern. Das liegt wohl daran, dass nicht ihre gesamte Länge über dem Abgrund schwebt: Die jeweils 23 Meter langen Stahlarme ragen ...

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(Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn)

... 13 Meter über den Hang hinaus, zehn befinden sich noch über zwar abschüssigem Fels, aber immerhin. Noch ist die Scheu vor einem Hinaustreten auf den Gitterweg zu groß. Ein paar Fakten zur Stabilität könnten Sicherheit geben: Für jede Plattform wurden in einem Jahr 30 Tonnen Beton und Stahl verbaut, die ein Hubschrauber in insgesamt 25 Stunden auf den Gipfel transportiert hat. Zusammengeschraubt wurde das Ganze ...

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(Foto: AFP)

... von einer auf alpine Bauten spezialisierten Firma aus Österreich. "Jetzt ist alles fest, das bringt kein Sturm zum Einsturz", erklärt Johannes Burkart von der Bayerischen Zugspitzbahn AG und lehnt sich zufrieden zurück. "Übrigens", sagt ein Arbeiter im Blaumann, "das Geländer ist noch nicht fest."

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(Foto: K. Schnitzler)

Zum Glück war es nicht das Geländer der Plattform, sondern die Abgrenzung des Weges zum Alpspix. Dennoch hat sich das Gefühl der Sicherheit erst mal wieder in der Höhenluft aufgelöst. Der Arbeiter im Blaumann entpuppt sich als Betriebsleiter der Alpspitzbahn, Fritz Heusmann (rechts im Bild), der noch kurz vor dem Fest letzte Hand an bislang noch fehlende Geländer legt. Er verspricht sich viel von der Plattform wie auch die anderen Vertreter der Zugspitzbahnen: 30 Prozent mehr Besucher sollen die Alpspitzbahn nutzen - und 22 Euro für eine Berg- und Talfahrt zahlen. Heusmann hofft auch auf postive Auswirkungen auf die überholungsbedürftige Bergstation von 1973. "Zum Beispiel die Sonnenterrasse dort braucht dringend einen Windschutz und ..." "Welche Sonnenterrasse?" "Na dort, ..."

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(Foto: K. Schnitzler)

"... wo die Liegestühle stehen. Jetzt pfeift der Wind drüber, da legt sich kaum einer hin, darum lohnt es sich auch nicht, dort zu bewirten." Derzeit stellen die Gäste die Liegen neben den Bänken des Restaurants auf. Auch der Kamin ist ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... dringend sanierungsbedürftig: Behelfsmäßig wurde er mit einem Stahlband fixiert. Vor drei Jahren sei die Entscheidung gefallen, den Gipfel des Osterfelderkopfes und damit die Alpspitzbahn für Touristen mit Familien und über 50-Jährige attraktiver zu machen. So steht nun ganz Altes ...

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(Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn)

... ganz Neuem gegenüber, nicht nur der Alpspix der Bergstation. Die Gelegenheit, den Gang über den Abgrund noch etwas hinauszuzögern, ist günstig: Auch der neue "Gipfelerlebnisweg" kann erforscht werden. Hier trifft ebenfalls ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... alt auf neu, etwa am Gipfelkreuz: Der alte Holztisch daneben ruht auf einem brüchigen Podest, davor wartet ein modernes Gipfelbuch mit Facebook-Verweis auf Einträge. Und wo am Alpspix eilig noch neue Geländer fixiert werden, sind diese an anderer Stelle gerade mal ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... notdürftig geflickt. Zaun und Geländer verhindern den Absturz vom Weg rund um den Gipfel des Osterfelderkopfes auf 2050 Metern ins Höllental. Der "Erlebnisweg" bietet eine relativ kurze Ablenkung von dem Gang auf den Alpspix. Fast spöttisch ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... blickt die Gams herab, allerdings ist sie nur aus Holz - echte würden sich wohl nie auf diesen Gipfel in Sichtweite der Bergstation wagen. Kinderwagengerecht, wie im Prospekt angekündigt, ist der "Gipfelerlebnisweg" übrigens nicht, man muss auch einen kurzen Pfad hinabsteigen. Wirklich für Kinderwagen geeignet soll aber der "Genusserlebnisweg" sein, der noch bis zum Herbst oder bei schlechter Wetterlage bis zum nächsten Frühjahr ausgebaut wird: Der bestehende Pfad ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... zur Hochalmbahn wird familien- und seniorenfreundlich saniert. Nachdem nun das gesamte Gipfelgelände rings um die Bergstation erkundet ist, bleibt keine Ausrede mehr: zurück zum Alpspix. Es ist Zeit für einen Schritt über den Abgrund. Andere sind begieriger darauf, schon vor der Eröffnung am 4. Juli 2010 einen Blick ins Höllental zu werfen: Immer wieder mogeln sie sich durch die Absperrung, immer wieder müssen sie abgewiesen werden, "das tat mir auch leid, ich versteh`s ja", sagt Betriebsleiter Heusmann. Einmal habe sogar ein Amerikaner die Nerven verloren, "dabei sind die sonst so gut zu haben, immer freundlich". Doch der Urlauber aus den USA bestand auf das Betreten des Alpspix, schließlich habe er dafür bezahlt. Wütend ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... schleuderte er Heusmann ein "Thank you - for nothing!" entgegen. Der blieb nach eigener Aussage gelassen: "You`re welcome." Kurz vor dem Abgrund hätten wir dem erzürnten Amerikaner gerne das Vorrecht der Journalisten überlassen, den Steg noch vor der offiziellen Einweihung zu betreten. Doch jetzt will man auch keinen Rückzieher mehr machen. 30 Tonnen Beton und Stahl werden schon halten. Hoffentlich. Es meldet sich wieder der Bauch, kribbelnd, dann ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... hüpft der Magen eine gefühlte Handbreit nach oben, als es über den Rand der Felsen hinausgeht. Heißt es nicht, man soll auf sein Bauchgefühl hören? Zu spät. Der Fels unter dem Gitter fällt nun steil bergab, bis zu tausend Meter tief ins Höllental. Doch dann die nächste Überraschung.

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(Foto: K. Schnitzler)

Der erwartete Schwindel bleibt aus, die Angst hält sich in Grenzen. Sogar vorne an der schräg montierten Glaswand, die den Blick frei gibt ins Tal und zu Gedanken an tiefe Stürze inspiriert, selbst da will sich die Höhenangst nicht wirklich einstellen. Flau wird es erst, als ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... Johannes Burkart von den Zugspitzbahnen vergnügt sagt, dass sogar ein Einzelner den Stahlarm zum Erzittern bringen kann, indem er "so ... rauf ... und ... runter ... hüpft!" Nicht nur die Plattform zittert. Doch das Konstrukt flößt dann doch wieder Vertrauen in die Technik ein, die Furcht währt nur kurz. Also doch keine Höhenangst, nur Höhenschwindel? Die Symptome fehlen jedenfalls: kein panisches Festklammern am Gitter, kein Herzflattern, kein schweißbedecktes Gesicht. Diagnose: wirklich keine Höhenangst. Immer mehr Muskeln im Körper entspannen sich. Der Blick ins Tal ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... fasziniert mehr als dass er erschreckt: Unten liegen Grainau und Garmisch-Partenkirchen, bei klarer Sicht ist in der Ferne München zu entdecken, und die Tour in die Höllentalklamm überlegt man sich bei genauerer Betrachtung noch einmal - das ist selbst mit gerade erst besiegter Höhenangst zu abschüssig. Von dem oberen Steg, der sich schwungvoll ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... gen Garmisch biegt, hat man einen besseren Blick auf den halb verdeckten Zugspitzgipfel. Der Höhenschwindel kehrt dennoch wieder, als ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... diese Leiter auf den Schlepplift als erhöhter Fotografenstandpunkt herhalten soll. Nach drei Metern ist Schluss, man muss ja nicht alles von allen Seiten aufnehmen. Die wahrhaft Unerschrockenen aber ...

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(Foto: K. Schnitzler)

... sind Gleitschirm- und Drachenflieger, die sich von der fast senkrechten Absprungrampe unterhalb der Bergstation in den Abgrund stürzen. Ganz ohne schützendes Gitter. Ganz ohne Glasscheibe. Unvorstellbar.

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(Foto: K. Schnitzler)

Informationen Die Talstation der Alpspitzbahn liegt nahe Garmisch-Partenkirchen. Am Sonntag, 4. Juli 2010, werden die Alpspix-Plattformen offiziell eröffnet, für Besucher sind sie etwa von zwölf Uhr mittags an freigegeben. Der Zutritt ist gratis. Eine Berg- und Talfahrt mit der Alpspitzbahn kostet für Erwachsene 22 Euro, für Jugendliche 16,50 Euro, für Kinder von sechs bis 15 Jahre 13 Euro. Minderjährige von sechs bis 18 Jahren zahlen in Begleitung eines Elternteils nur noch drei Euro.

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