Was haben vergorene Stutenmilch aus der Mongolei, das Spiel auf der irischen Harfe und der Alpinismus gemeinsam?
Sie sind nun offiziell immaterielles Kulturerbe der Unesco. Zusammen mit weiteren Traditionen wurden sie in dieser Woche in die repräsentative Liste aufgenommen ( hier im Überblick). Da es sich bei den so Ausgezeichneten häufig um bedrohte und oft belächelte Bräuche oder seltene Musikformen handelt, verwundert es zunächst, dass eine so starke Praktik wie der Alpinismus von der Unesco herausgestellt wird. Hunderttausende Menschen steigen weltweit auf Berge, könnte man sagen - was nützt es ihnen, dass ihre Leidenschaft nun zum Kulturerbe erklärt wurde?
Eine Antwort darauf gibt Claude Eckhardt. Er hat in den vergangenen Jahren die Bewerbung von Seiten des französischen Alpenvereins, der Fédération Française des Clubs Alpins et de Montagne, maßgeblich vorangetrieben. Zusammen mit dem Schweizer Alpenclub (SAC) und dem Club Alpino Italiano (CAI) wurde die Bewerbung eingereicht. "Der Alpinismus ist zwar nicht akut gefährdet", so Eckhardt, "aber von kommerzieller, auch touristischer Seite gibt es immer wieder Vereinnahmungsversuche." Die großen Skistationen und bekannten Gebirgsorte würden mit Alpinismus werben, obwohl das Angebot damit nichts zu tun habe: "Heliskiing ist kein Alpinismus. Mit der Seilbahn auf die Aiguille du Midi zu fahren und dann mit Skiern abzufahren ist auch kein Alpinismus, selbst wenn man dabei im hochalpinen Gelände und auf Gletschern unterwegs ist", sagt Eckhardt, selbst Klettersteige gehörten nicht dazu.
Wichtig sei deshalb die Definition, die die drei Alpenvereine erarbeitet haben und die nun von der Unesco bestätigt wurde. Ihr Kern lautet in etwa so: "Alpinismus ist die Kunst, Gipfel und Wände zu besteigen, aus eigener physischer und geistiger Kraft. Es müssen dabei natürliche, nicht künstliche Hindernisse überwunden, Risiken eingeschätzt und angenommen werden. Es geht dabei um Eigenverantwortung, Solidarität mit anderen und Respekt vor der Natur."
In dem weiter gefassten Bewerbungsdossier ist auch von der "Schönheit der Routen" die Rede und dass es um "Wissen, Techniken und Fähigkeiten" gehe, die von Generation zu Generation weitergegeben und weiter entwickelt würden. Explizit wird auch der "Geist der Seilschaft" genannt, die solidarische Zusammenarbeit von Menschen, ohne die das Bergsteigen nicht funktionieren würde.
Vom Konkurrenzdenken zwischen Alpinisten, immer neuen Geschwindigkeitsrekorden und Solo-Begehungen ist in dem Text nicht die Rede, man will eher den sozialen Aspekt herausstellen. Für Eckhardt ist vor allem der Aspekt der Eigenverantwortung und der damit verbunden Freiheit wichtig: "Von Seiten des Staats gibt es immer wieder Versuche, den Alpinismus zu reglementieren, aus einem Sicherheitsdenken heraus."
So habe ein Bürgermeister am Mont Blanc schon den Vorschlag gemacht, Rucksäcke zu kontrollieren und nur gut ausgerüstete Bergsteiger auf den Mont Blanc zu lassen. "Das ist falsch", so Eckhardt, "der Zugang muss frei bleiben und jeder muss sein eigenes Risiko eingehen dürfen." Zudem gehe es darum, die unverbaute, wilde Bergwelt zu erhalten. Bergretter und Bergführer werden in der Bewerbung als Träger und Bewahrer des immateriellen Kulturerbes genannt, indem sie Techniken und Wissen weitergeben.
Unesco-Welterbe zu sein bedeutet für viele Orte oder historische Gebäude einen enormen Ansturm von Touristen, der oft gar nicht mehr bewältigt werden kann und dem ausgezeichneten Ort eher schaden. Beim immateriellen Erbe besteht diese Gefahr nicht so sehr. "Es geht darum, Aufmerksamkeit auf Traditionen zu lenken, um sie lebendig zu erhalten", sagt Peter Martin, Sprecher der deutschen Unesco-Kommission. Die Ausgezeichneten dürften mit dem Unesco-Zeichen werben. Bei besonders bedrohten Bräuchen gebe es fallweise ein wenig finanzielle Unterstützung. In diesem Jahr zählen der Frühlingsritus Juraŭski Karahod in Weißrussland oder der Seperu-Volkstanz in Botswana zum dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbe.
Dem Alpinismus, der eine starke Lobby durch Alpenvereine und deren internationale Dachorganisation UIAA hat, droht solches nicht. Das mag ein Grund dafür sein, weshalb der Antrag nur von drei Alpenländern eingebracht wurde, also Italien, Frankreich und Schweiz. Österreich, Slowenien und Deutschland haben nicht mitgemacht, obwohl diese Länder nicht geringen Anteil an der fast 250-jährigen Alpinismusgeschichte haben. Fragt man Claude Eckhardt, warum das so war, gibt er eine ehrliche Antwort. Die Kollegen aus den Ländern habe er eingeladen, mitzumachen. Aber das Bewerbungsverfahren sei so aufwendig, dass viele abgewunken hätten. "Und ehrlich gesagt war die Abstimmung auch zwischen drei Ländern schon schwierig genug."