Tourismus in den Alpen:Der Duft der Berge

Tourismus in den Alpen: Einmal tief einatmen: Patrick Stebler an seinem Arbeitsplatz.

Einmal tief einatmen: Patrick Stebler an seinem Arbeitsplatz.

(Foto: Marco Hartmann/Graubünden Ferien)

Patrick Stebler trägt den Titel Luft-Sommelier. Ein Gespräch mit dem Schweizer über den Geruch seiner Heimat und den Wert des Kuhfladens aus olfaktorischer Sicht.

Interview von Dominik Prantl

Patrick Stebler, Jahrgang 1964, ist seit 30 Jahren Parfümeur und Drogist, hat außerdem eine Firma für Raumbeduftung - und führt im Sommer als Bergluft-Sommelier durch acht verschiedene Regionen Graubündens.

SZ: Herr Stebler, wo riechen die Berge am besten? Und sagen Sie als Schweizer jetzt bitte nicht: In der Schweiz!

Patrick Stebler: Ja, eigentlich ist das schon in Graubünden. Aber auch da riecht jede Region, jeder Ort anders.

Das Engadin riecht also anders als das Prättigau?

Klar. Das Entscheidende ist die Höhe über dem Meeresspiegel. Die ist verantwortlich für den Baumbestand, Fauna und Blumen. Die Arve oder Zirbelkiefer wächst beispielsweise auf circa 2000 Metern und riecht eher holzig, harzig und rein. Die Weißtanne, unterhalb von 1000 Meter, oft im Mischwald stehend, hat dagegen eine eher balsamische und angenehm waldige Note. Wichtig sind für den Geruch aber auch Wasser, Seen, Meer, Landwirtschaft, Industrie und Verkehr.

Sie bieten in diesem Jahr auch "Bergluft-Tastings" an. Wie muss man sich das vorstellen?

Das sind kleine Wanderungen von etwa zwei Stunden, auch machbar, wenn man nicht so gut zu Fuß ist, also eher längere Spaziergänge. Die führen durch acht Bergregionen in Graubünden, die alle typische Duftmerkmale haben. In Poschiavo zum Beispiel sind es Teekräuter, Kiefern und Traubenblüten. Der Wein blüht ja nur zwei Wochen lang, und die Blüten haben einen ganz intensiven mandelähnlichen Geruch.

Manche Ihrer Touren benötigen eine bestimmte Witterung. Warum?

Bei Wind etwa nimmt man die Gerüche stärker wahr oder auch wenn es nach einem heißen Sommertag regnet. Das bringt die Inhaltsstoffe besser zur Geltung.

Auch die Tageszeit spielt eine Rolle.

Ideal ist es nach einer kühlen Nacht am Morgen. Oder auch am Abend nach einem heißen Tag, da riechen die Luft und der Wald gleich wieder ganz anders. Insgesamt ist der Sommer natürlich besser geeignet, Gerüche wahrzunehmen.

Im Bergün - so heißt es auf der Seite von Graubünden Tourismus - treffen unter anderem der Schwefel aus Wasserquellen und der metallische Geruch der Eisenbahn aufeinander. Klingt eher nach einem olfaktorischen Genuss für Spezialisten.

Ich bin der Fachmann für Düfte. Der metallische Geruch der Schiene kam mehr von den Tourismusfachleuten, weil die Rhätische Bahn einen hohen Stellenwert in der Gegend hat. Wenn Sie aber vor einem Tunnel stehen, und der Zug fährt vorbei, steigt einem wirklich ein metallischer Geruch in die Nase. Außerdem gibt es im Bergün einen wunderschönen Wasserweg, auf dem man sich eine Schwefelquelle ansehen kann. Den Schwefelgeruch nimmt man dort sehr markant wahr.

Tourismus in den Alpen: Besonders angenehm findet Stebler den Geruch der Berge in einer Höhe von 1800 und 2000 Metern, weil dort die Arven verbreitet sind.

Besonders angenehm findet Stebler den Geruch der Berge in einer Höhe von 1800 und 2000 Metern, weil dort die Arven verbreitet sind.

(Foto: Marco Hartmann/Graubünden Ferien)

Wo würden Sie des Geruchs wegen eher nicht mehr in die Berge gehen?

Ja, diese Schwefelquelle riecht wirklich nicht so gut. Dafür ist das ein wunderschön idyllisch im Wald gelegener Ort. Sonst fällt mir aber kaum etwas ein.

Aber eine Alm mit vielen Kühen, das ist doch nicht immer was für feine Nasen.

Sie meinen Kuhfladen. Na ja, Düfte haben ja auch immer mit Erfahrungen und Erlebnissen zu tun. Wir nehmen diese Gerüche eher unbewusst wahr. Sie werden erst im limbischen System des Großhirns, dem Zentrum für Emotionen und Gefühle, verarbeitet. Sie können dort bis zu eine Million Gerüche wahrnehmen, abspeichern und wiedererkennen. Wenn man also diesen Kuhfladen-Geruch nach den Ferien in den Bergen mit zurück nach Frankfurt nimmt, kann das auch eine Assoziation mit schönen Erlebnissen sein.

Der Kuhfladen-Geruch als Träger der Nostalgie?

Das Schöne ist: Es geht wahnsinnig viel durch die Nase, auch die Liebe zum Beispiel. 80 Prozent des Essens und Trinkens werden über die Nase wahrgenommen, und wer durch Covid den Geruch- und Geschmackssinn verloren hat, der weiß, was das bedeutet. Ich glaube, dass die Wirkung von Gerüchen und Düften noch immer viel zu wenig bekannt ist. Es wurde beispielsweise schon nachgewiesen, dass die Kundschaft länger im Geschäft bleibt, wenn es dort nach Vanille riecht. Das Aroma von Vanille ist in der Muttermilch enthalten und wird mit Wärme und Geborgenheit assoziiert.

Gibt es Duftkomponenten, die alle Bergregionen teilen, so eine Art Basisnote oder wie auch immer man das unter Profis nennt?

Das ist schon die Arve oder Zirbe, obwohl sie nur drei Prozent des Baumbestandes in Graubünden ausmacht. Deswegen riechen die Berge für mich am besten zwischen 1800 und 2000 Metern, weil dort die Arven verbreitet sind. Besonders gut lässt sich das übrigens im Engadin erfahren.

Wieso lässt sich Bergluft eigentlich nicht in Flaschen abfüllen? Quasi als Urlaubsaroma fürs Zuhause.

Es heißt ja, man solle einmal die Woche in den Wald, nicht nur wegen der Bewegung, sondern auch, weil die Gerüche in der Natur einen beruhigenden und entschleunigende Wirkung haben. Studien zufolge gibt es deswegen schon Versuche, die Gerüche einzufangen und künstlich herzustellen. Noch ist das aber zum Glück nicht möglich. Denn das Schöne ist ja, diese Orte besuchen zu müssen, anstatt nur ein Fläschchen zu öffnen.

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