Stornogebühr auf Berghütten:Wer im Tal bleibt, zahlt

Lesezeit: 3 min

Zu viele Wanderer reservieren Schlafplätze in Alpenhütten, erscheinen aber nicht und nehmen so anderen den Platz weg - obwohl ihr Bett leer bleibt. Nun sollen Stornogebühren disziplinieren. Auch die Hüttenbuchung wird modernisiert.

Von Dominik Prantl

Der Weg zum Kärlingerhaus, das trotz seiner gewaltigen Ausmaße noch immer unter dem Begriff Alpenvereinshütte firmiert, ist nichts für Spaziergänger. Mindestens drei Stunden Fußmarsch inklusive einer serpentinenbestückten Rinne mit dem vielsagenden Namen "Saugasse" sind es vom nächstgelegenen Ausgangspunkt St. Bartholomä am Königssee - und dorthin fährt auch nur das Elektroboot. Die Lage inmitten eines unverschämt schönen Bergkessels in den Berchtesgadener Alpen, weit abseits von Bergstation und Parkplätzen, bedeutet jedoch nicht, dass die insgesamt 212 Betten der Hütte stets reichen würden.

Schon jetzt sind für die Nächte von Samstag auf Sonntag bis Mitte September keine Buchungen mehr möglich. Der Hüttenwirt Siegfried Hinterbrandner hält zwar die vom Deutschen Alpenverein (DAV) vorgeschriebenen 25 Prozent an Betten für nicht angemeldete Gäste frei, warnt aber: "Wer zu spät kommt, für den gibt's möglicherweise nur noch den Fußboden."

Not macht genügsam: Die Goûter-Hütte am Mont Blanc wurde zwar schön renoviert, manch einer hat davon aber nichts. (Foto: Jean Pierre Clatot/AFP)

Dass in den kommenden Sommermonaten an bestimmten und zuvor meist absehbaren Terminen mal wieder die Plätze auf so manchen Berghütten knapp werden, hat nicht alleine mit der gerne zitierten Berg- oder Wanderlust zu tun. Häufig mangelt es an entsprechenden Maßnahmen, um zwischen Almen und Felswänden mit den Anforderungen fertig zu werden, die der moderne Homo touristicus so stellt.

Der neigt bekanntermaßen dazu, immer kurzfristiger für immer kürzere Urlaube zu buchen und sich gleichzeitig gerne möglichst viele Möglichkeiten für das perfekte Wochenende offenzuhalten. Im alpinen Bereich gibt es zudem einen entscheidenden Faktor, der eine langfristige Vorhersage von Massenwanderungen besonders schwer macht: das Wetter.

Gerade an sonnigen Sommerwochenenden verschärft sich die alpine Bettenlage daher oft, während manche Hütten an Wochentagen der Nebensaison oder bei wechselhaftem Wetter nahezu leerstehen. Um sich die beste Option offenzuhalten, reservieren wahre Buchungsprofis sogar Zimmer für den gleichen Zeitraum auf mehreren Hütten in verschiedenen Teilen der Alpen - verbunden mit der Hoffnung, dass irgendwo zwischen Chamonix und Karawanken doch die Sonne scheinen muss. Die Wahl fällt dann auf jene Hütte mit der besten Vier-Tages-Wetterprognose.

Die Hüttenwirte werden über das Fernbleiben oft nicht einmal informiert. "No-shows", nennt das der Deutsche Alpenverein, mit 326 Schutzhütten einer der wichtigsten Anbieter hochalpiner Schlafstätten. Nur: Anders als bei Fluglinien oder Hotels, die einen Sitz oder ein Zimmer oft zweimal verkaufen oder zumindest eine Anzahlung verlangen, werden Hüttenbesucher bei Nicht-Erscheinen bislang selten zur Kasse gebeten, obwohl diese möglicherweise dringend benötigte Plätze blockieren.

Seit einigen Jahren versuchen der DAV, der Österreichische Alpenverein und der Alpenverein Südtirol deshalb, der Unsitte der No-shows gegenzusteuern. So wurde 2012 eine gemeinsame Empfehlung für "einheitliche Stornoregelungen für bewirtschaftete Alpenvereinshütten" ausgegeben. Zehn Euro pro Person und Nacht solle ein Wirt vorab berechnen - wobei die Regelung von den Wirten ganz unterschiedlich gehandhabt wird.

Reiseknigge für die Berghütte
:Über allen Gipfeln ist Ruh, zum Kuckuck

Schnarcher im Bettenlager, die ihre schmutzigen Bergstiefel zum Auslüften mit in den Schlafraum nehmen und zum fünften Mal im Dunkeln über den Nachbarn stolpern, weil sie keine Stirnlampe mitgenommen haben, machen sich nicht wirklich beliebt. Benimmregeln für die Berghütte.

Katja Schnitzler

Während Siegfried Hinterbrandner vom Kärlingerhaus auf Stornogebühren verzichtet ("bei dieser Masse einfach nicht machbar"), verlangt Hans Mayr auf der Tutzinger Hütte am Fuß der Benediktenwand seit dem vergangenen Jahr einen Vorschuss von zehn Euro - und hat gute Erfahrungen damit gemacht. "Früher ist es vorgekommen, dass ich Leuten absagen musste, obwohl dann noch ein Platz frei gewesen wäre." Da bei frühzeitiger Absage der Betrag zurückgezahlt werde, ruft ein Großteil der Berggänger bei Mayr an, sofern sie das Bett nicht beanspruchen. Früher hat Mayr die Hütte dagegen einfach überbucht: "Gerade bei Schlechtwetter-Prognose habe ich bei 100 Betten schon 130 Reservierungen angenommen."

Eine weitere Neuerung der drei Alpenvereine soll im kommenden Jahr dazu beitragen, einen Teil der Massen von den Wochenenden der Hauptsaison auf andere Tage umzuleiten. Laut Robert Kolbitsch, dem Ressortleiter Hütten, Wege und Kletteranlagen des DAV, wird dann ein einheitliches Online-Reservierungssystem eingeführt, wie es der Schweizer Alpenclub (SAC) bereits anwendet. "Wir sind mit dem SAC in Verhandlung", sagt Kolbitsch. Durch das System soll dem Hüttengast die Suche eines freien Platzes erleichtert werden.

Berghütten in den Alpen
:Gipfel mit Bett

Vom Becher- bis zum Zittelhaus: Wenn die Hütte direkt auf dem Berggipfel steht, sind einmalige Stimmungen garantiert - in der Nacht wird sogar die überlaufene Zugspitze wieder romantisch.

Stefan Herbke

Bislang kamen solche, anderswo längst gängigen Reservierungssysteme in den Ostalpen nur auf Privatinitiative einzelner Hüttenwirte wie Hinterbrandner zum Einsatz. Wer die Webseite des Kärlingerhauses besucht, kann dort mit einem Blick auf den Belegungskalender erkennen, an welchen Tagen noch Matratzenlager oder Zimmer reserviert werden können - und wann möglicherweise nur der Fußboden die letzte Option sein könnte. In vielen Hütten ist es allerdings noch immer üblich, sich erst per Telefon, E-Mail oder gar Fax nach der Buchungslage erkundigen zu müssen.

Eines ist allerdings auch in der fernen Zukunft kaum zu erwarten: eine Steigerung der Kapazitäten. Zwar hat sich beispielsweise die Mitgliederzahl des DAV in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt, neue Hüttenstandorte dürfen laut Satzung jedoch nicht erschlossen werden. Bei Sanierungen oder Neubauten geht der Trend wiederum eindeutig zu mehr Qualität als Quantität und zu Doppelzimmern statt großer Bettenlager.

Auf der neuen Höllentalangerhütte, die voraussichtlich Ende des Sommers eröffnet, werden trotz Vergrößerung weiterhin 170 Berggänger Platz finden; die neue Hörnlihütte am Matterhorn bietet von Juli an sogar nur noch 130 anstelle der zuvor 170 Betten.

Auf die Hörnlihütte sollte übrigens blicken, wer Hüttenpreise und Stornogebühren im restlichen Alpenraum überzogen findet: Der Platz im Lager mit Halbpension kostet umgerechnet etwa 145, die Reservierungsgebühr 48 Euro. Dazu gibt es den Hinweis: "Diese Gebühr wird in keinem Fall rückerstattet."

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: