Alpen in der Fotografie:Vom selbst geschaffenen Klischee

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Als Objekt der Fotokunst übertreffen die Alpen andere Gebirge der Welt wie die Rocky Mountains oder den Himalaja. Eine Ausstellung zeigt nun, wie die Fotografie das Bild der Alpen geprägt hat.

Von Stefan Fischer

Der Ästhet Johann Joachim Winckelmann ließ die Fenster seiner Kutsche verhängen, als er 1758 erstmals die Alpen überquerte. Die Bergwelt war für ihn "ein ästhetischer Totalausfall".

An dem deutschen Gelehrten macht die Kunsthistorikerin Valérie Hammerbacher eine Zäsur fest in ihrem Aufsatz für den Band "Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie". Eine Generation nach Winckelmann hatte sich bereits eine Ästhetik des Natur-Erhabenen ausgebildet, in der die Alpen in einem weitaus attraktiveren Licht erschienen sind.

"Jenseits der Ansichtskarte" ist der Katalog einer Ausstellung, die bis zum Dreikönigstag im schwäbischen Waiblingen zu sehen ist und von 7. Februar an im Bregenzer Vorarlberg Museum.

Kein Gebirge der Welt, auch die Rocky Mountains und der Himalaja nicht, hat "eine ähnliche kulturgeschichtliche und künstlerische Bedeutung erlangt" wie die Alpen, schreiben die Waiblinger Galerieleiterinnen Ingrid-Sibylle Hoffmann und Zara Reckermann. Das Buch führt vor Augen, wie seit der Erfindung der Fotografie, die zusammenfällt mit der ersten großen Welle der Alpenbegeisterung, diese künstlerische Ausdrucksform das Bild der Alpen geprägt hat.

Aletschgletscher, fotografiert von Andreas Gursky. (Foto: Andreas Gursky)

Indem die Fotografie die Monumentalität dieses Gebirges erfasst hat und die Schönheit der alpinen Landschaft, indem sie - später - die menschlichen Eingriffe aufzeigt und - noch später - sich mit dem (selbst geschaffenen) Klischeebild auseinandersetzt und es bricht.

Das führt soweit, dass Luigi Ghirri vier Personen zeigt, die das Plakat einer Alpenszenerie betrachten, und Michael Goldgruber eine Aussichtsplattform, durch deren Fenster die Berge ausgesperrt bleiben. Sie verdoppeln also den fotografischen Effekt des Abbildens. Die Stärke des Bandes liegt darin, dass er sich mit der durchaus bekannten Historie nur so weit befasst, wie es für das Verständnis notwendig ist. Das Hauptaugenmerk gilt der gegenwärtigen Ästhetik.

Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie. Herausgegeben von der Stadt Waiblingen/ Galerie Stihl Waiblingen und dem Vorarlberg Museum Bregenz. Ausstellungskatalog. Hirmer Verlag, München 2013. 144 Seiten, 29,90 Euro.

© SZ vom 17.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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