Der beste Ort zum ... Anhimmeln
Sterne beobachten in Kärnten Es ist eisig kühl da oben auf dem Hoteldach. Wie gut, dass man gerade noch kälteimmunisierende Schweine-Ripperl gegessen hat. Hans Köchl, ein großer Mann in Camouflagehose und mit Dreitagebart, gibt "M 42" in die Fernbedienung ein. Wie von Geisterhand öffnet sich die Kuppel der Sternwarte, das Spiegelteleskop dreht sich automatisch, ein stechend klarer Sternenhimmel wird sichtbar. Dann dürfen die Gäste der Reihe nach durchschauen. Ein milchiger Schleier ist zu sehen, mit einigen sehr hellen Punkten. "Sie sehen Licht, das vor 1300 Jahren dort oben im Orionnebel ausgesandt wurde", sagt Köchl feierlich. "Da entstehen gerade Sterne." Schon etwas Besonderes, dass man diesen Blick in die Vergangenheit bequem auf einer Hotelterrasse tun kann, jener des Alpinhotels Pacheiner, das auf dem 1900 Meter hohen Gipfel der Gerlitzen steht, eines Skigebietes in Südkärnten. Als er vor drei Jahren seinen Alpengasthof zum schicken Hotel umbauen ließ, beschloss der Wirt Franz Pacheiner, gleich eine Sternwarte oben draufzusetzen, als Alleinstellungsmerkmal sozusagen. Mit Drei-Meter-Kuppel und 42-Zentimeter- Spiegelteleskop ließ er gleich "was Gescheites" bauen. Dreimal pro Woche gibt es eine Sternwartenführung. Köchl, der als kundiger Amateur hier so etwas wie der Hausastronom ist, zeigt den Gästen mit großer Begeisterung nicht nur die im Winter besonders gut sichtbaren Sternbilder wie Orion, Kassiopeia oder den Schwan, er lässt einen auch in großer Schärfe die vier Jupitermonde sehen, die Galilei entdeckt hat. Die Sternwarte ist nicht nur für Hotelgäste, sondern gegen einen kleinen Obolus auch für Tagesbesucher zugänglich. Wer will, kann den Blick ins Universum mit einem Fünf-Gänge-Menü oder einer nächtlichen Rodelabfahrt verbinden. Die anderen ziehen sich auf ihre nach Zirbenholz duftenden Zimmer zurück und können noch ein bisschen sinnieren über das Woher und Wohin, bevor sie am nächsten Morgen ihre Schwünge in die Hänge der Gerlitzen setzen. Hans Gasser
Der beste Ort zum ... Gleiten
Langlaufen zum Morteratschgletscher Auch beim Langlaufen kommt das Vergnügen nach dem Sport. Deshalb ist an der Bahnstation Morteratsch im Oberengadin, dort, wo die Rhätische Bahn ihre langsame Kreiselfahrt zum Berninapass antritt, erst einmal nichts mit lustigem Gleiten, sondern: nur stapfen und schnaufen. Am Wegesrand markieren Schilder in Jahrzehnte-Rhythmus den Gletscherstand ihrer Zeit. 1890, 1900, 1910; so absolviert man im ehemaligen Gletscherbett des Morteratschgletschers eine Art Countdown in die Gegenwart, vorbei an rutschenden Fußgängern und Kindern auf Schlitten. Seitenmoräne zur Rechten, Grundmoräne voraus. Weil sich der Gletscher seit den Anfängen des Tourismus aus dem Tal zurückzieht, gewinnt die Loipe beinahe jedes Jahr einige Meter hinzu. Vor 150 Jahren wäre schon nach ein paar Hundert Metern Schluss gewesen. Dabei ist der Weg zur Zunge des Morteratsch für viele Skater nur die Krönung eines langen Langlaufnachmittags in einem riesigen Netz mit insgesamt 243 Kilometern (www.engadin.ch). Auf 42 davon findet jährlich der Skimarathon statt. Er führt über die große Loipenautobahn zwischen Maloja und S-Chanf; 10 000 Läufer nehmen sie während des berühmten Langstreckenrennens im Spätwinter unter die Latten. Daneben gibt es die kleinen, weniger frequentierten Stichstraßen hinein in die Täler; einsamer, wilder - und steiler. Ins Val Fex führt so eine Stichstraße, schwarz und nur für klassische Skier gespurt, genauso wie die rote Loipe ins Val Roseg. Aber nirgendwo wird der Wandel der Landschaft so anschaulich wie auf dem kurzen Ausläufer am Morteratsch. Etwa 2,8 Kilometer sind es derzeit, es geht von 1896 auf über 2000 Höhenmeter. Fast analog zur Höhe verlaufen die Jahreszahlen auf den Schildern: 1980, 1990, 2000. Die Abstände dazwischen werden immer länger, immer stärker schrumpfte das Eis. Am Ende der Loipe zeigt es sich als riesiger Schlund, 2014. Von dort gleitet man zurück in die Vergangenheit, 1990, 1980, immer schneller, 1960, 1950, Rekordtempo, bremsen, bremsen, 1920, 1910, bis hinunter ins Café an der Bahnstation. Soll noch einer behaupten, der Klimawandel hätte nur schlechte Seiten! Dominik Prantl
Der beste Ort zum ... Muskelkater kriegen
Auf der längsten Piste der Alpen in Zermatt Winterfans haben diesen Traum auch im Hochsommer: eine nie endende Piste, ewiger Sonnenschein, nicht schmelzender Schnee, und unter den Füßen ein Paar frisch gewachster Skier. Das mit der Sonne und dem Schnee gibt es leider nicht in Wirklichkeit, und irgendwann hört jede Piste einmal auf. Aber mit 14,9 Kilometer Länge kommt die Abfahrt vom Klein Matterhorn nach Zermatt fast an den Traum heran, es handelt sich immerhin um die längste präparierte Skipiste der Alpen. Die Zermatter Bergbahnen geben sogar eine Länge von 25 Kilometern an, das ist aber grob übertrieben und stimmt höchstens, wenn man durchgehend riesige Kurven und Schleifen fährt. Der Startpunkt ist jedenfalls auf 3820 Metern an der höchsten Seilbahnstation Europas. Man quert unter dem Gipfel durch einen 200 Meter langen Tunnel, schön langsam, die Luft ist dünn. Vom Start auf dem Breithorn-Plateau bis hinunter nach Zermatt beträgt der Höhenunterschied 2190 Meter. Der erste Abschnitt führt durch Eisbrüche zum Plateau Rosa, einem Sommerskigebiet mit einigen Schleppliften. Ziemlich flach geht es zur Testa Grigia hinüber, von dort aus kann man nach Italien schauen. Sanft führt die Strecke über den Theodulgletscher, das Matterhorn wirkt von dort aus zum Greifen nahe und viel spitzer als vom Ort unten. Nach sieben Kilometern ist am Trockenen Steg (2939 Meter) erst der Gletscher zu Ende. Ab hier wird das Gelände abwechslungsreicher und die Abfahrt etwas anspruchsvoller. Der Abschnitt bis Furgg ist rot markiert, ab dort geht es weiter über eine schwarze Piste, die im Zickzack eine Steilstufe hinunter zur Gornerschlucht überwindet. Man muss kein Experte sein, um hier herunterzukommen, wer langsam macht und viele kleine Schwünge fährt, dürfte keine Probleme haben. Ab Furi (1867 Meter) geht es durch Arvenwälder und vorbei an sonnengegerbten Holzstadeln die letzten zwei Kilometer hinunter nach Zermatt - fast 15 Kilometer vom Start entfernt. Ein Traum. Titus Arnu
Der beste Ort zum ... Anbandeln
Après-Ski vor dem Skifahren in Hintertux Also, wenn schon Après-Ski, dann richtig. Dann kein Gläschen Rotwein an der Hotelbar, sondern mitten rein in den Ballermann der Berge, zu Pils und Flügerl, Skistiefel-Stampfbeat und Refrains wie "Geh mal Bier hol'n, du wirst schon wieder hässlich", die man auch mit 1,5 Promille noch halbwegs textsicher mitsingen kann. Ein Ort, an dem sich besonders gut beobachten lässt, was passiert, wenn jugendliche Urlauber nach etwas Bewegung an der dünnen Bergluft Fassbier tanken, ist die Hohenhaus-Tenne an der Talstation der Hintertuxer Gletscherbahn - ein rustikaler, zweistöckiger Tanzschuppen mit umlaufender Galerie für Logensicht auf die Hölle des Anbandelns. Wer hier keinen Blickkontakt haben will, muss schon seinen Helm und die Skibrille aufbehalten - auch auf die Gefahr hin, als Angehöriger rheinischer Partygruppen angesehen zu werden, die sowieso gerne in lustigen Outfits am Tresen sitzen. Toll ist auch, dass Après-Ski hier sogar vor dem Skifahren funktioniert. Die Tenne öffnet um 10.30 Uhr. Jochen Temsch Im Bild: Hell, gesittet und im Freien - so geht Après-Ski auch, ist aber vielleicht weniger lustig.
Der beste Ort zum ... auf die Piste gehen
Skitouren an der Autobahn Den Brenner lässt man normalerweise so schnell wie möglich hinter sich, man will ja nach Süden. Im Winter jedoch lohnt sich ein Zwischenstopp, vor allem für jene, die schon lange im Auto sitzen und ein bisschen Bewegung brauchen. Am Ortsrand von Gries, direkt unter den Betonpfeilern der Autobahn, ist ein großer Parkplatz. Bis 2006 stand hier ein Lift. Der lohnte sich nicht mehr und wurde abgebaut. Die Piste gibt es aber noch immer. Sie wird heute von Alois Nagele, dem Wirt der Sattelbergalm, planiert - extra für die Skitourengeher, die gerne etwas für ihren Körper tun, aber sich nicht mit Tiefschnee und Lawinen herumschlagen möchten. "Fitness-Tourengeher" nennt Nagele diese Spezies, und sie scheint sich jedes Jahr stärker zu vermehren. Jedenfalls ist Nageles 1600 Meter hoch gelegene Alm, die man gemütlich in eineinhalb Stunden auf Skiern erreicht, häufig so voll, dass der Wirt sich nicht nach den alten Skiliftzeiten zurücksehnen muss. Das Sirren der Autobahn beim Aufstieg wird oben abgelöst vom Klicken der Bindungen und vom Klingen der Weißbiergläser. Viele Rentner, sportliche Paare mit der leichtesten und teuersten Ausrüstung, aber zunehmend auch Familien frönen dieser Sportart. Ein gewalzter Pistenstreifen führt bis zum Gipfelkreuz des Sattelbergs weiter, damit auch Anfänger ihr Skitouren-Gipfelerlebnis bekommen. In der Hütte gibt es viele Suppen, das mögen die dehydrierten Tourengeher. Das Rindfleisch fürs Gulasch kommt vom eigenen Hof, der unten im Tal liegt. Wer will, kann auch hier übernachten. Für jene, die beim Aufstieg noch nicht genug geschwitzt haben, gibt es eine Blockhaus-Sauna und einen Hotpot vor der Hütte. Hans Gasser Im Bild: ein Skitourengeher mit unbekanntem Ziel
Der beste Ort zum ... Holländer gucken
Alles Oranje am Weißensee Der gemeine Niederländer kann beileibe nicht nur Wohnwagen durch halb Europa fahren; er ist auch ein verdammt guter Eisläufer. Es gibt sogar ein Langstreckenrennen mit dem Namen Elfstedentocht, das durch elf Städte der Provinz Fryslân führt. Nun sind die Niederlande zwar schön flach, aber selten so richtig kalt, weshalb die Kanäle und Seen in Fryslân die annähernd 20 000 Läufer schon seit 1997 nicht mehr trugen. Und weil die Niederländer ein ziemlich innovatives Volk sind, machen sie aus der Not eine Tugend und verbinden ihre zwei Lieblingshobbys: Sie fahren für die Elf-Städte-Tour durch halb Europa bis zum Weißensee auf 930 Metern Höhe nach Kärnten. Dort gibt es zwar keine elf Städte, aber vor allem im westlichen, flachen Teil des Sees eine Art Gefriergarantie. Dem Bewegungsdrang in Oranje sind dort keine Grenzen gesetzt: 50, 100, sogar 200 Kilometer weit kreiseln die Gäste. Bevor 1989 erstmals die Horden aus Holland einfielen, ertrug das dicke Eis des Sees auch schon James Bond samt Aston Martin in "Der Hauch des Todes". Anders als Bond kommen die Niederländer aber immer wieder, das nächste Mal von 23. bis 30 Januar. Dominik Prantl
Der beste Ort zum ... Zigaretten holen
Nervenkitzel in Samnaun Es gibt Orte, in denen stehen ein paar Duty-Free-Shops, und es gibt Duty-Free-Shops, um die steht ein bisschen Ortschaft herum: das ist Samnaun in der Schweiz. Auf 800 Einwohner kommen hier rund 50 Läden, die zollfrei Zigaretten, Parfüm, Schnaps, Uhren und Markenkleidung anbieten. Eine alte Sonderregelung macht es möglich. Einst war das Bergdorf am Rand Graubündens so schwer zu versorgen, dass man den Bewohnern dafür Steuern erließ. Das gilt noch heute, nur abgelegen ist die Gemeinde nicht mehr. Mit Seilbahnen und Pisten ist Samnaun mit dem turbulenten Skigebiet von Ischgl in Tirol verbunden. Hier sind täglich bis zu 15 000 Wintersportler unterwegs, und ein Abstecher in die Schweiz gehört für viele dazu. Besonders spannend ist die Rückfahrt. Eine Stange Zigaretten und ein Liter Alkohol pro Person sind erlaubt, alles darüber ist Schmuggel - und kann verblüffend teuer werden. Die österreichischen Zollbeamten kontrollieren auf Skiern und sehen aus wie gewöhnliche Touristen. Jochen Temsch Im Bild: Kein Schmuggler nahe Samnaun, ein Skifahrer auf dem Weg zum Einkaufen.
Der beste Ort zum ... Kunst erwandern
Skulpturen auf der Alm in der Valsugana Jahrelang musste Giacomo Bianchi den Spott ertragen: "So etwas soll Kunst sein? Das können wir doch auch!", stänkerten die Dorfbewohner von Borgo Valsugana, als der Bioingenieur Ende der achtziger Jahre im Val di Sella mit Freunden das Projekt "Arte Sella" ins Leben rief. Die Idee: Kunst nicht ins Museum, sondern hinaus ins Freie zu tragen. So deponierten Künstler entlang einer Forststraße hinauf zur 1000 Meter hoch gelegene Alm "Malga Costa" ihre Landart-Objekte aus Steinen, Blättern, Zweigen oder Baumstämmen, mitten in der Natur. Ziemlich viel Natur, denn das Sellatal über der Valsugana ist ein menschenleeres Gebiet. "Damals gaben hier die letzten Hirten und Bauern auf - mit Kunst Gäste anzulocken, konnte sich kein Einheimischer vorstellen", sagt Giacomo Bianchi. Heute steht er dem Verein "Arte Sella" als Präsident vor und kann auf jährlich 70 000 Besucher verweisen, die Kunstwerke sind eine wichtige Attraktion im Tal. "Nun lästert keiner mehr", sagt Giacomo Bianchi. Die meisten Besucher kommen im Sommer, doch auch jetzt im Winter hat der Kunstwanderweg seinen Reiz. Wenn etwa die dreischiffige Pflanzenkathedrale, 80 Meter lang und bis zu zwölf Meter hoch, mit Schnee konturiert ist, sieht sie noch spektakulärer aus als mit grünen Blättern überwuchert. Zurzeit jedoch liegt kaum Schnee, es ist relativ warm. Dennoch stapft an diesem grauen Dezembertag eine Gruppe kubanischer Kulturfunktionäre in Daunenjacken zur Malga Costa am Talschluss hinauf. Sie wollen sich Tipps für ein ähnliches Projekt auf der Karibikinsel holen. Dabei kommen sie an manchem Kunstwerk vorbei, das auf den ersten Blick gar nicht als solches zu erkennen ist. Zum Beispiel "Ökologische Nischen" von Giuliano Orsingher: runde, in Felsbrocken geschlagene Löcher, die, von Moos und Laub überzogen, wie natürliche Vogeltränken anmuten. Verschwitzt erreicht die Gruppe nach gut einer Stunde die ehemalige Alm. Sie liegt inmitten eines von dürrem Gras und Schneematsch bedeckten Hochplateaus; bei Temperaturen um acht Grad plus haben sich einige Kubaner inzwischen die Jacken um die Hüfte gebunden. Rund um die Almgebäude gibt es einen weiteren Spazierweg mit verstreuten Kunstwerken. Wie viele es insgesamt sind, kann Bianchi nicht genau sagen, jedes Jahr kommen neue hinzu. "Zurzeit sind es etwa 50 - die Objekte sollen in den biologischen Kreislauf zurückkehren." Manche Installation ist diesem Ziel schon ziemlich nahegekommen. Andere beziehen sich ausdrücklich auf die Geschichte dieser Landschaft. Wie das "Quadrat" des Deutschen Rainer Gross. Er hat es im vergangenen Sommer über einem Schützengraben des Ersten Weltkriegs aufgestellt, zwei identische, an Bäume gelehnte schwarze Dreiecke, die zusammen ein Viereck bilden: sozusagen vom Krieg in zwei Stücke gerissen. Normalerweise, sagt Bianchi, würden die Künstler beim Aufstellen ihres Werkes mit anpacken. Eine Ausnahme bildete vor einigen Jahren Luc Schuiten mit seinem "Pflanzen-Dorf". "Während wir tagelang die Holzpfähle mit der Motorsäge zuschnitten und Bäume pflanzten, saß der belgische Architekt in einem Stuhl und zeichnete", sagt Bianchi. Vorbeikommende Wanderer fanden den Anblick lustig. Helmut Luther