Süddeutsche Zeitung

Allein am Automaten:"Wie bei einem Memory-Spiel"

Lesezeit: 2 min

21 Klicks für München-Salzburg: Ob Automat oder Internet - es ist gar nicht so leicht, an ein Bahn-Ticket für die gewünschte Strecke zu kommen.

Stefan Fößel und Manfred Hummel

"Ich hab's gleich", sagt der alte Mann im Lodenmantel immer wieder zu seiner wartenden Frau. Sein Blick ist starr auf den Bildschirm des Fahrkartenautomaten gerichtet, der rechte Zeigefinger kreist vor jedem Tastendruck.

Wie war das noch mal? Sind wir zwei Singles oder eine Familie? Gilt die Bahnkarte eigentlich noch? Und warum steht hier nirgends der Zielort Kassel?

Die Frau schaut längst entnervt zur Seite, nestelt an ihren Einkaufstüten, blickt immer wieder auf die Uhr und murmelt schließlich vorwurfsvoll: "Wenn wir vor drei Tagen gleich Hin- und Rückfahrt gelöst hätten, könnten wir uns das jetzt sparen."

Es ist Freitagnachmittag am Münchner Hauptbahnhof, das Wochenende ist für viele nur noch eine Zugfahrt entfernt. An den Schaltern bilden sich lange Schlangen, ebenso an den Automaten. Dutzende Menschen hasten, tippen, zählen Kleingeld, ziehen ihre Karte und rennen zum Zug.

"Ich fahre nicht oft mit der Bahn, dann aber immer die gleiche Strecke. Heim zu Mama", sagt der dunkelhaarige Student. Das mit dem Automaten gehe dann ganz "automatisch", die Bedienung sei "kinderleicht". "Also, ich bin neulich schwarz gefahren, nachdem der Automat mein Geld nicht gewollt hat", erzählt ein anderer.

Keiner hätte ihm wechseln können, und die Zeit sei knapp gewesen. Wenn ihn da einer erwischt hätte, dann hätte er den Kontrolleur mit seinem Geldschein zu dem renitenten Automaten geschickt. Und überhaupt sei das alles ein "kompletter Blödsinn" mit den Automaten.

"Tausend Möglichkeiten. Da braucht man ja Computerkurse dafür." Kurse vielleicht nicht, Geduld schon eher.

Denn wer etwa auf der Strecke München - Salzburg von Bergen nach Großkarolinenfeld reisen möchte, muss dafür 21 Tasten drücken. Vorausgesetzt, er vertippt sich nicht auf halber Strecke.

Die Dame am Automaten daneben mag dem Herrn nicht so ganz recht geben. Sie wirft ihm einen geringschätzigen Blick zu und sagt: "Also bitte, wenn man das einmal gemacht hat, ist es doch wirklich kein Problem mehr."

Das finden auch die beiden Schüler aus dem niederbayerischen Dingolfing, die vor allem die neue Automatengeneration loben: "Die sind hier echt schnell, leider gibt es an vielen Bahnhöfen noch die alten, langsamen."

Auch der Fahrkartenverkauf im Internet birgt Hindernisse: Für die Fahrt von Wolfratshausen nach Duisburg und zurück werden zunächst die Reisetage und die gewünschten Abfahrtszeiten eingegeben. Es erscheinen die Zugverbindungen. Nun muss mit einem Klick die Verfügbarkeit überprüft werden.

Es kommen grüne Häckchen hinter dem Normalpreis von 228 Euro, der immer verfügbar ist. Ebenso auch der Sparpreis 25 für 171 Euro. Beim Sparpreis 50 für attraktive 114 Euro bedeutet uns aber ein rotes Kreuzchen, dass die Rückfahrt nicht verfügbar ist. Es folgt die Empfehlung: Rückfahrt ändern.

Der Bahnkunde muss sich nun auf die virtuelle Suche begeben. "Es ist wie bei einem Memory-Spiel", sagt Edmund Lauterbach von Pro Bahn Oberbayern, "die Karten liegen verdeckt auf dem Tisch, und man muss mit Mühe zwei Verbindungen suchen, in denen ein Kontingent vorhanden ist."

Anders als bei den Programmen am Schalter werde auch nicht angezeigt, ob eventuell die 1. Klasse mit Sparpreis preisgünstiger wäre als der Normalpreis 2. Klasse.

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Quelle:
SZ vom 31.3.2007
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