Süddeutsche Zeitung

Alkoholverbot auf türkischen Flügen:Wirbelwind im Raki-Becher

Die Fluggesellschaft Turkish Airlines streicht auf einigen Strecken den Alkohol - und löst damit eine nationale Debatte aus.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Türkische Spaßvögel haben die Montage ins Internet gestellt: Ein Jet von Turkish Airlines (THY) mit Kopftuch ums Cockpit. Dem Generalmanager der Fluglinie, Hamdi Topcu, gefällt das gar nicht. "Europas beste Airline", mit dieser Auszeichnung darf THY sich seit 2012 schmücken - und nun so etwas. Topcu versucht es mit Beschwichtigung und spricht von einem "Sturm im Wasserglas". Eher ist es aber ein Wirbelwind im Raki-Becher.

Angefangen hat es ganz harmlos. In den Zeitungen tauchten Fotos von der neuen Bekleidung für das Bordpersonal auf. Die Männer in Glanzanzügen. Wie in der Science-Fiction-Serie Star Trek, witzelte ein Kommentator. Schlimmer noch die Stewardessen: mit Käppchen, die wie ein osmanischer Fez auf dem Kopf sitzen, dazu knöchellange Brokatmäntel - nach dem Geschmack der Religiösen. Der Aufschrei in den Medien war so laut wie ein startender Jumbo. "Alles nur Entwürfe", ließ das Airline-Management mitteilen. Das Design sei längst verworfen.

Dann wurde bekannt, dass die Fluglinie auf einigen internationalen Strecken und auf Inlandsflügen keinen Alkohol mehr serviert. "Globally sober" (weltweit nüchtern), verhöhnte Bülent Mumay, Journalist bei Hürriyet, in einer Twitter-Botschaft das THY-Motto "Globally Yours". Der Genuss von Wein oder Bier ist in der Türkei eine Art Lackmus-Test. Wer Alkohol konsumiert, darf sich nach dem Vorbild von Republikgründer Atatürk zum Lager der Säkularen rechnen, obwohl es viele Muslime gibt, die daraus kein Dogma machen. Regierungschef Tayyip Erdogan aber ist ein strikter Tee- und Saftkonsument. Seit seine AKP regiert, steht sie unter dem Verdacht, alle Türken nach ihrem Vorbild selig machen zu wollen. Entsprechend groß ist das Misstrauen gegen Alkohol-Intoleranz.

THY-Chef Topcu weiß, dass er einen Ruf zu verlieren hat, schließlich steht kaum eine andere Marke so sehr für die Türkei und ihren wirtschaftlichen Erfolg. Im Januar meldete THY einen Anstieg seiner Passagierzahlen um 34 Prozent in einem Jahr. Der Umsatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Andere Airlines klagen, THY steigt immer höher. Topcu meinte nun, die Anti-Alkohol-Politk schade der Airline nicht. Im Gegenteil. Einige Länder in Afrika oder Asien wünschten dies so. Im Übrigen habe man nur bei 20 von 220 internationalen Zielen den Alkohol gestrichen. Auf Inlandsflügen sei Bier und Wein ohnehin kaum gefragt gewesen. "Ich muss an das Gewicht und den Sprit denken", meinte er. Im Übrigen gebe es Fluglinien, die Alkohol aus Sicherheitsgründen verbieten würden.

Da hat der Mann recht. Russische Gesellschaften wollen Passagieren das Mitbringen von Spirituosen an Bord untersagen, weil Betrunkene häufig randalieren. Diskutiert wird gar, das Kabinenpersonal deshalb mit Elektroschockern auszustatten. Mehrere US-Linien haben Wodka und Wein auch nicht mehr im Bordsortiment. Topcu versteht sogar, warum manche Passagiere Wein wollen: "Sie haben Flugangst."

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SZ vom 22.02.2013/cag
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