Akropolismuseum in Athen:Die Tochter des Parthenontempels

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Ein Sog entsteht, wie man ihn sonst nur von wenigen Museen kennt: In Athen öffnet das spektakuläre neue Akropolismuseum.

Gottfried Knapp

Athen kann von diesem Wochenende an mit einem neuen Museum von Weltrang prunken. Die Besucher der Akropolis sehen die Attraktion, wenn sie an die Südmauer treten und hinunterschauen auf die seit den Olympischen Spielen 2004 für Fußgänger reservierte Straße, die am Akropolis-Felsen entlangführt.

Griechenland
:Das Neue Akropolis-Museum in Athen

Fünf Jahre später als geplant öffnen sich nun endlich die Türen des Neuen Akropolis-Museum in Athen für Besucher.

Direkt dem in den Hang geschmiegten antiken Dionysos-Theater gegenüber liegt der einprägsame Neubau des Akropolis-Museums, der seiner unvergleichlichen archäologischen Schätze, aber auch seiner architektonischen Entschiedenheit wegen bald zu den großen Attraktionen der Stadt gehören dürfte.

Der Bau, der an diesem Samstag mit einem Staatsakt offiziell eröffnet wird, gibt sich nach außen zweischichtig: Über einer ausladenden, im Grundriss trapezförmigen Gebäudeschicht, die genau in den Raster der rahmenden vier Straßen eingepasst ist, erhebt sich, an den Ecken leicht überlappend, ein ebenfalls rundum verglaster rechteckiger Baukörper, der exakt die Richtung und die Maße des von hier aus sichtbaren Parthenon-Tempels oben auf der Akropolis aufnimmt.

Dieser auffällige Aufbau, der wie ein Belvedere auf dem Museumsdach aufsitzt, nimmt nicht nur äußerlich Maß am Parthenon, er enthält auch den gesamten skulpturalen Schmuck dieses programmatischen Baus der Perikles-Zeit, also die vom Tempel abgenommenen, stark beschädigten figürlichen Darstellungen - und zwar in einer Wiedervereinigung der in Athen verbliebenen, also im Original vorhandenen, und der von Lord Elgin im frühen 19. Jahrhundert nach London verschleppten und darum nur in Gipsabgüssen präsenten Stücke (SZ vom 10. Juni).

Die Besucher des Museums können also im obersten Geschoss den skulptural rekonstruierten Parthenon in aller Ruhe umschreiten, sie können die Reste der beiden Giebel studieren und erstmals den um die Cella herumlaufenden Fries, aber auch die Abfolge der berühmten Metopen in der Ordnung des Originals genießen.

Steht man dort oben in der Parthenon-Galerie und genießt den freien Blick auf die Akropolis oder über die Dächer der Stadt auf das Meer, dann fragt man sich, warum es mehr als dreißig Jahre gedauert hat, bis die Vision von einem Museum Wirklichkeit wurde, das den auf der Akropolis gefundenen Kunstschätzen eine würdigere Heimat gibt, als es das alte, enge Akropolismuseum war.

(Foto: Foto: Getty Images)

Vier Architektenwettbewerbe waren nötig, bis man sich auf einen Entwurf einigen konnte. Der Schweizer Architekt Bernard Tschumi, der mit den Bauten im Parc de la Villette in Paris bekannt geworden ist, hat sich mit einer funktional recht überzeugenden Lösung durchsetzen können.

Mehrere archäologische Schichten im Baugrund

Auch als klar war, dass der gesamte Neubau auf Stelzen gestellt werden musste, weil im Baugrund mehrere archäologische Schichten übereinanderlagen, konnte Tschumi sein Konzept beibehalten. Er führt die Besucher nun über eine Brücke in seinen aufgeständerten Bau, in dem sich immer wieder schwindelerregende Blicke durch gläserne Bodenplatten in die bis zu zehn Meter tiefen archäologischen Kavernen auftun.

Beim Anstieg über den Glasboden der zentral nach oben führenden Rampe wird man von der Architektur zwar noch abgelenkt von den spärlich verteilten Ausstellungsstücken, doch wenn man die große Halle mit der einzigartigen Sammlung lebensgroßer archaischer Skulpturen erreicht hat, erfasst einen ein Sog, wie man ihn nur in wenigen Museen erlebt.

© SZ vom 20./21.6.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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