Süddeutsche Zeitung

Tourismus in Zeiten des Terrors:Reiseziel Kenia: Nur keine Angst

Der Terror hat Kenias Ruf als unbeschwertes Urlaubsland verdüstert. Mehr Polizisten sollen den Touristen das Gefühl von Sicherheit geben. Das funktioniert. Meistens zumindest.

Von Roland Preuß

Die neue Sicherheit, sie kommt daher mit einem breiten Grinsen an diesem Feiertag in Mombasa. Der junge Soldat winkt das Auto mit den Touristen an die Seite. "Habt ihr einen schönen Feiertag?" - "Ja, haben wir." - "Gut", sagt er und lacht übers ganze Gesicht. "Wir stehen hier, wir wollen auch einen schönen Tag haben. Wollt ihr euch daran beteiligen?" Die Touristen beteiligen sich, denn alles andere, sagt die mitreisende Einheimische, würde eine Durchsuchung oder andere Widrigkeiten zur Folge haben. Irgendwas finden sie immer. Also bekommt der Wegelagerer im Staatsdienst 100 Kenia-Schilling, knapp einen Euro. Da dankt der Soldat und wünscht einen schönen Tag - und die Touristen fühlen sich gleich wohler.

Kenia unternimmt etwas für die Sicherheit im Land. Man spürt es, man sieht es. Schwere Anschläge haben das ostafrikanische Land erschüttert, vor drei Jahren töteten Terroristen der islamistischen al-Shabaab-Miliz im Westgate Einkaufszentrum in der Hauptstadt Nairobi 67 Menschen - in einem Gebäudekomplex, in dem Touristen gerne Kunde waren. Vor zwei Jahren überfielen Dutzende von ihnen die Kleinstadt Mpeketoni an der Nordküste und benachbarte Dörfer, mehr als 80 Kenianer starben. In der Provinzstadt Garissa in Ostkenia ermordeten dschihadistische Schergen im April vergangenen Jahres 148 Studenten und Wachleute. Und das waren nur die schlimmsten Vorfälle, die, die es international in die Schlagzeilen schafften; die, die viele Touristen abschreckten.

Der Terror hat den Ruf Kenias verdüstert, eines Landes, das für entspannte Tage am Sandstrand unter Palmen steht, für stets freundliche Leute. Seit den Anschlägen muss es kämpfen um seinen Status als eines der beliebtesten Reiseziele der Deutschen in Schwarzafrika. Die letzten Jahre waren magere Jahre für Kenias Hoteliers, Reiseführer und Beach Boys. Während laut Weltbank 2011 noch 1,75 Millionen Touristen ins Land kamen, waren es 2014 nur noch 1,26 Millionen. Die Islamisten haben ihr Ziel erreicht: Sie haben eine von Kenias wichtigsten Branchen erwischt.

Schmiergeld statt Pässe: Touristen können sich den Kontrollen entziehen

Nun also trifft man mehr Soldaten, Wachleute und Polizisten als früher: an Straßensperren, vor Supermärkten, in Einkaufszentren, an den Nationalparks. 10 000 Polizisten wurden laut Kenya Tourism Board eingestellt, weitere 10 000 sollen bis Jahresende folgen. Präsenz zeigen nennt man das, mögliche Attentäter abschrecken, ein Gefühl von Sicherheit verströmen. Das tun sie tatsächlich. Nur: Einige Polizisten und Soldaten wollen Geld dafür sehen, und zwar auch von Touristen. Wenige Tage später fordert ein Polizist an einem Kontrollposten in Mombasa die Visa der Reisenden. Der Personalausweis reiche nicht. Man müsse nach Hause fahren und sie holen, sofort, sagt er. Diesmal kostet es 400 Schilling, der Schikane zu entkommen.

Und da fängt das Gefühl der Sicherheit dann wieder an zu schwinden. Denn offenbar kann man sich durch Schmiergeld den Kontrollen entziehen. Das gilt für Touristen, aber auch für Kenianer, wie eine einheimische Reisebegleiterin versichert. Warum also sollten sich nicht auch Terroristen ihren Weg freikaufen können? Sie sickern normalerweise aus dem Norden ein, aus dem Nachbarland Somalia, wo Kenia mit eigenen Soldaten in den Bürgerkrieg eingegriffen hat, gegen die islamistische al-Shabaab-Miliz. Diese rächt sich mit Anschlägen, vor allem im Nordosten Kenias. Schwer bewaffnete Kämpfer dringen über die lange Grenze ein.

Womit man beim zweiten Punkt ist: Was können die Sicherheitsleute im Zweifelsfall ausrichten? Die paar Wachleute und Polizisten, die die Universität in Garissa bewachten, hatten gegen die Terroristen keine Chance. Und so hat manche Bemühung eher die Kraft des Symbolischen, zumindest wenn es gegen Terroristen geht. Beispiel "Haller-Park", das ist ein Naturpark nahe der südkenianischen Metropole Mombasa. Am Parkeingang steht eine Frau im dunkelblauen Overall in der Sonne, ein Schildchen mit "Security" prangt auf dem Anzug, Waffen trägt sie keine, dafür hält sie ein Seil, das den Schotterweg zum Kassenhäuschen versperrt.

Nach einem kurzen Blick in den Wagen lässt sie das Seil auf den Boden plumpsen. Am Kassenhäuschen dann ein ähnliches Bild: Eine unbewaffnete Security-Dame döst im Schatten. Kleinkriminelle lassen sich so womöglich abhalten, Terroristen eher nicht. Doch man muss sich auch fragen, ob dies so sein müsste. Soll man das ganze Land in eine Sicherheitszone mit schwer Bewaffneten verwandeln, um es als Urlaubsziel zu retten? Noch dazu, wo die Extremisten vor allem im Norden und Nordosten Kenias zuschlagen, es andernorts dagegen bisher recht ruhig geblieben ist.

"Es sind schreckliche Dinge passiert", sagt Rita, Reiseführerin im Haller-Park. "Aber die Regierung hat reagiert - und es wird besser." Mit besser meint sie: Es kommen wieder mehr Gäste, die Erinnerung an die Massaker verblassen, der Tourist hat ein kurzes Gedächtnis, und so werden die Nachrichten und Bilder von den Anschlägen langsam durch andere überlagert: von der grandiosen Landschaft, den Palmenstränden, Löwen, Elefanten, den Massai. Kenia hat ja viel zu bieten.

Im Falle des Haller-Parks sind das Flusspferde, Antilopen, Krokodile und Affen. Sogar Giraffen gibt es, die sich weitgehend frei in dem riesigen Areal bewegen dürfen, nur 30 Autominuten von Mombasas Zentrum entfernt. Die Tiere fressen den Menschen aus der Hand, an einer Plattform; die Besucher müssen sich nicht einmal strecken. Viele Polen kämen inzwischen, erzählt Rita, sie füllen manche Lücke auf, die Deutsche, Franzosen oder Italiener hinterlassen haben. Von diesem Juli an soll es sogar direkte Charterflüge der polnischen Tui-Tochter nach Mombasa geben.

Das mit der Terrorangst sei völlig übertrieben, sagt Christian Bezner, aufgebauscht von den Medien. Der Rheinländer Bezner lebt schon lange in Kenia und betreibt das Salama Beach Resort bei Mombasa, ein Vier-Sterne-Hotel direkt am Sandstrand. "In Europa gibt es derzeit mehr terroristische Überfälle als in Kenia", meint er mit Blick auf Paris und Brüssel. Vor allem die Gäste, die über die großen Reiseanbieter buchen, blieben aus, klagt er. Inzwischen gehe es zwar aufwärts, aber man sei immer noch weit entfernt von guten Jahren wie 2010.

Die Krise hat für Touristen auch etwas Gutes: viele Strände, Hotels und Sehenswürdigkeiten sind nicht nur schön, sie sind nun auch recht leer. In Bezners Restaurant und Bar unter einem riesigen Schilfdach verlieren sich an diesem Tag nur ein paar Gestalten, zeitweise hält sich die Zahl der Gäste die Waage mit der Zahl des Personals. Und Buchungen sind oft auch kurzfristig möglich, weil die Hotels noch Zimmer übrig haben, selbst in den deutschen Schulferien.

Diese gute Position spüren Touristen auch beim Klassiker des Kenia-Urlaubs, der Safari. Einige Touristen sind ausgewichen auf andere Länder, auch Tansania oder Südafrika haben große Tiere vor großer Kulisse zu bieten, umso härter ist der Kampf um die Kundschaft in Kenia. Eine gute Gelegenheit also für all jene, die sich durch die anhaltenden Terrordrohungen nicht davon abhalten lassen, die zoobekannten Großtiere in natürlicher Aktion zu beobachten. Dabei kann man dann auch die Gefahren erleben, die Touristen rein statistisch gesehen viel häufiger zum Verhängnis werden als Dschihadisten.

Das beginnt mit der Anfahrt, in diesem Fall von Mombasa auf der Straße Richtung Nairobi bis zum Nationalpark Tsavo East. Immer wieder queren Elefanten die Hauptverbindung zwischen den zwei größten Städten des Landes, was allerdings nicht die Hauptbedrohung darstellt. Die geht vielmehr vom Verkehr aus. Die Fahrbahn ist etwa so breit wie eine deutsche Bundesstraße, aber mit Schlaglöchern und Schwellen, die einen selbst marode Strecken im Ruhrgebiet wieder schätzen lassen. Überholt wird mit ungetrübtem Gottvertrauen, gerade von Lastwagenfahrern. An vielen Stellen ist die Bankette neben der Fahrbahn erodiert, sodass die Räder zwei handbreit absacken, wenn das Auto von der Straße abkommt. Allein auf dem Hin- und Rückweg liegen ein gerade umgekippter Bus und ein Lastwagen auf der Strecke.

Der Mensch ist hier Zwerg und Nebensache

Wer all dies durchstanden hat (es gibt auch Flüge zu Nationalparks), dem öffnet sich eine Landschaft mit gewaltiger Ausstrahlung: Savanne so weit man blicken kann, dieser Nationalpark allein ist größer als Hessen. Nur Gras, Büsche und ein paar Bäume, gekrönt von kargen Hügeln, auf denen die Menschen in Lodges sitzen. Dazwischen verstreut wie auf einem Spielbrett Zebras, Antilopen, Büffel und Elefanten, die auch mal einen Baum ausreißen, wenn er ihnen nicht passt an der Stelle. Der Mensch, der in diesen Landstrichen zum Homo sapiens geworden sein soll, er ist hier Zwerg und Nebensache. Wenn ein Elefantenbulle auf den Kleinbus zutrottet, dann legt Aaron Ngala, der Fahrer und Führer im Tsavo-Nationalpark, schnell den Rückwärtsgang ein. "Sehr gefährlich", meint Ngala. Vor denen müsse man Respekt haben.

Es geht, wie bei Safaris üblich, früh morgens los, denn in der Dämmerung sind die meisten Tiere unterwegs, sie meiden die Hitze. Es ist, zumindest an diesem Tag, eine mühsame Pirsch. Man holpert über die Wege, den Feldstecher in der Hand, jeder Busch verheißt die Hoffnung auf den einen großen Moment, auf die Fototrophäe. Kurz vor elf ist es endlich soweit: Sie kommt von rechts durch das hohe Gras, lässig, selbstbewusst schlendert sie direkt auf den Wagen zu. Macht einen kleinen Bogen. Wirft einen Blick auf die Safaristen, diese komischen Wesen. Dann überquert sie die Straße wenige Meter vor dem Bus. Die Löwin.

Wenig später sinken die Gäste zufrieden in die Sitze des alten Kleinbusses. Und ein Gedanke geistert durch das Hirn: Ist es das nicht wert, für so eine Begegnung den Gefahren des Terrors zu trotzen?

Informationen

Anreise: Von München nach Nairobi, z. B. mit Air France hin und zurück ab 650 Euro, www.airfrance.de

Safaris: Können von Deutschland aus gebucht werden, sind aber oft günstiger bei einheimischen Anbietern, z. B. unter www.ewamannssafaris.com, www.kettytours.co.ke

Reisewarnung: Das Auswärtige Amt ermahnt Touristen, die Terrorgefahren ernst zu nehmen. Reisen, die näher als 60 Kilometer an die somalische Grenze heranführen, sollten "unbedingt vermieden werden". Dies schließt Kiwayu und Küstenregionen nördlich von Pate Island ein. Bei unvermeidlichen Reisen mit dem Auto in die nördlichen und nordöstlichen Landesteile soll "unbedingt der Schutz in einem bewachten Konvoi gesucht werden", www.auswaertiges-amt.de

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SZ vom 25.05.2016/ihe
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