Reisebuch:Aus Omas Küche

Reisebuch: Die Kenianerin Ma Wambui mag die traditionelle Küche ihrer Heimat.

Die Kenianerin Ma Wambui mag die traditionelle Küche ihrer Heimat.

(Foto: Khadija M. Farah)

Großmütter erzählen in dem Band "Ma Africa" von ihren kulinarischen Traditionen. Und wie Auswanderer damit die Verbindung zur Heimat halten.

Von Stefan Fischer

Es geht in diesem Buch ums häusliche Kochen, nicht ums professionelle. Und es geht dabei um traditionelle Gerichte aus dem Südosten Afrikas und nicht darum, sie modern zu interpretieren. "Essen ist wie eine Sprache", so wird Ma Khanyisa zitiert, eine Frau aus Südafrika, die wie alle Protagonistinnen mit ihrem Vornamen angesprochen wird sowie dem respektvollen Ma, weil sie alle Großmütter sind und die Küche ihres Landes oder Stammes, die immer auch die Küche ihrer Familie ist, pflegen und an ihre Kinder und Enkel weitergeben.

Die Autorinnen Hawa Hassan und Julia Turshen sorgen dafür, dass man als Leser diese fremde kulinarische Sprache versteht, die vor allem auch viel erzählt über die Landstriche, die Kulturen, die Historie und die Lebensrealitäten in acht afrikanischen Ländern, die am oder im Indischen Ozean liegen und deshalb allesamt vom Seehandel geprägt sind.

Hassan stammt selbst aus Somalia, ist als kleines Kind mit ihrer Familie nach Kenia geflohen und kam wenige Jahre später in die USA. Dort ist Turshen aufgewachsen in einer jüdischen New Yorker Familie, die mütterlicherseits Wurzeln in Osteuropa hat. Migration spielt auch in ihrem gemeinsamen Buch "Ma Africa" eine zentrale Rolle. Viele der Frauen, die Hassan und Turshen treffen, leben mittlerweile in Nordamerika, andere haben innerhalb Südostafrikas eine neue Heimat gefunden.

Fast Food und "chemisches Zeug" kommt einer Ma nicht auf den Tisch

Anders als in früheren Jahrhunderten, als durch den Handel und vor allem auch durch die Kolonisation arabische, europäische und indische Einflüsse die Küchen der Einheimischen beeinflusst und verändert haben, scheint in der heutigen Großmütter-Generation der Wunsch stark verbreitet zu sein, die traditionelle Küche zu konservieren. Sie sei, sagen übereinstimmend mehrere der Frauen, einfach, aber vollwertig. "Wir essen", darauf beharrt die Kenianerin Ma Wambui stellvertretend für ihre gesamte Familie, "kein Fast Food." Ma Shara, die auf Sansibar eine Kochschule betreibt, legt ebenfalls großen Wert auf die Natürlichkeit der Speisen: "Ich habe die Ernährungsgewohnheiten in anderen Teilen der Welt gesehen. Viel Öl, viel Mayonnaise. Viele künstlich hergestellte Sachen. Chemisches Zeug." Ma Josefina aus Mosambik ergänzt, der Geschmack sei wesentlich, das Aussehen der Speisen zweitrangig. Vieles wird zu Brei oder Eintöpfen verarbeitet.

Reisebuch: Der somalische Hähnchentopf Digaag Qumbe mit Joghurt und Kokosmilch ähnelt einem Curry.

Der somalische Hähnchentopf Digaag Qumbe mit Joghurt und Kokosmilch ähnelt einem Curry.

(Foto: Jennifer May)

Es geht vor allem in der Diaspora darum, die Verbindungen zur Heimat nicht zu kappen - und das geht am besten über das Essen. Ma Vicky aus Tansania erzählt, dass sie erst zu kochen begonnen habe, als sie in die USA übergesiedelt ist. Und zwar Gerichte ihrer Heimat. In Tansania war sie aufgrund ihrer sozialen Stellung nicht darauf angewiesen. Die Zutaten in den USA oder in Kanada zu beschaffen, sei kein größeres Problem, berichten übereinstimmend viele der Frauen. In größeren Städten gebe es immer Landsleute, die mit dem erforderlichen Gemüse und den notwendigen Gewürzen handeln. Und manchmal könne man sich auch sehr gut mit etwas Vergleichbarem behelfen.

Die eigenen kulinarischen Vorlieben zu pflegen bedeutet nicht, sich in der Fremde zu isolieren

Überhaupt bedeute das Festhalten an den eigenen kulinarischen Vorlieben nicht, sich in der Fremde zu isolieren von den Einheimischen. Ma Penny zum Beispiel, die im US-Bundesstaat Massachusetts lebt, erklärt überzeugend, wie sie einen modernen amerikanischen Alltag durchaus in Deckung bringt mit ihren kenianischen Essgewohnheiten. Und wie sich dieser Lebensstil auch an die nachfolgenden Generationen vermitteln lasse, obwohl spätestens die Enkel die Heimat ihrer Großmütter oft nur noch von seltenen Familienbesuchen kennen.

Wer sich in der Heimat all dieser Frauen, in Eritrea, Somalia, Kenia, Tansania, Mosambik und Südafrika sowie auf Madagaskar und den Komoren, traditionell ernährt, bekommt auf den Teller, was das Land und - vor allem im Fall der Inselstaaten - das Meer hergeben. Viele Hülsenfrüchte vor allem im Landesinneren, Reis dort, wo es früh Handel mit Asien gab, Kokosmilch an der Küste und auf den Inseln. Wenig Fleisch, wenn, dann meistens Huhn, eher Fisch. Verschiedene Blatt- und Knollengemüse, kaum Süßspeisen. Die Globalisierung ist in dieser Weltgegend noch nicht so weit fortgeschritten wie beispielsweise in Europa.

Reisebuch: Denningvleis ist eine Spezialität aus Südafrika, ein süßsaurer Lammeintopf mit Tamarinde.

Denningvleis ist eine Spezialität aus Südafrika, ein süßsaurer Lammeintopf mit Tamarinde.

(Foto: Jennifer May)

Wer sich von den Großmüttern etwas über ihre Kochkünste erzählen lässt, lernt auch etwas übers Klima, über die Jahreszeiten, die geografische Beschaffenheit der Länder. Es sind die Menschen und es ist die Natur, derentwegen man in die afrikanischen Staaten am Indischen Ozean reist, was nicht überall zu jeder Zeit möglich ist, zu prekär ist die Sicherheitslage etwa in Somalia, phasenweise auch in Eritrea. "Ma Africa" gibt Einblicke in den Alltag der Menschen, in soziale und familiäre Strukturen, die sich deutlich unterscheiden von den westeuropäischen.

Und, auch das ist wichtig: Das Buch zeigt Differenzen auf. Madagaskar ist zuerst von Asiaten besiedelt worden, erst später kamen Ostafrikaner und Araber. Dort hat sich eine andere Kultur entwickelt als in Kenia. Auch stellen die Menschen aus denselben Zutaten unterschiedliche Gerichte her, abhängig davon, ob sie einem Volk angehören, das aus Tansania, Mosambik oder Südafrika stammt.

"Das Buch beschäftigt sich mit Zeiten, die vergangen sind", schreiben Hawa Hassan und Julia Turshen etwas pessimistisch im Vorwort ihres Buches. So als befürchteten sie, was sie mit ihrem Buch eigentlich zu widerlegen versuchen: den Verlust spezifischer Identitäten durch die modernen Migrationsbewegungen. Andererseits, das konstatieren sie, wäre jedenfalls "Ma Africa" wohl nie entstanden, wenn es nicht die Auswanderinnen gäbe und nicht die modernen Kommunikationsmöglichkeiten, um sich über die Kontinente hinweg auszutauschen. Ma Zakia, die nach wie vor auf den Komoren lebt, hat einen sehr modernen Begriff von Heimat: "Das ist dort, wo ich meine Gewohnheiten leben kann."

Hawa Hassan, Julia Turshen: Ma Africa. 75 Originalrezepte & Geschichten aus den Küchen ost- und südafrikanischer Großmütter. Aus dem Englischen von Gabriele Lichtner. Christian-Verlag, München 2021. 288 Seiten, 32,99 Euro.

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