Stockdunkel. Eine Großstadt, in der die Straßenlaternen fehlen. Zumindest in Petare ist das so, im gefährlichsten Teil von Caracas, bekannt für seine Schießereien. Schnell ein Taxi, weg von den düsteren Gestalten auf den Gehwegen, hin zum Nachtbus gen Süden, der in der Nähe abfährt.
Da ist eins! Ein fetter Mann, der mir winkend die Beifahrertür seines Wagens aufhält. Ich zögere, werfe einen Blick auf die Uhr. Verdammt, es ist spät, ich will diesen Bus nicht verpassen. Also steige ich ein. Die Autotür geht mit einem lauten Schlag zu. Der Koloss lächelt zufrieden, als er losfährt, die Hauptstraße entlang. Es ist heiß, der Typ schwitzt, er stinkt. "Wie mutig von dir", sagt er und sieht mich an, "als weiße Frau, ausgerechnet hier, mutterseelenallein." Jetzt wird auch mir heiß, ich rücke näher ans Autofenster, weg vom Koloss.
Plötzlich reißt der das Lenkrad herum, biegt in eine winzige Seitenstraße, hält an und schaltet die Scheinwerfer aus. Dann beugt er seinen fetten Körper über mich, ich spüre den fauligen Atem im Gesicht. "Lass dir das eine Lehre sein", sagt er, "und pass das nächste Mal besser auf, bei wem du einsteigst." Hektisch krame ich nach dem Taschenmesser in meinem Rucksack. Da beginnt der Koloss unvermittelt zu lachen und fährt weiter. Vor uns taucht das Busterminal auf, wir sind angekommen.
Alina Fichter