9. Station: Osterinsel und Pitcairn:Stein und Sein

Auf der Osterinsel stehen die Riesen mit dem Rücken zum Meer und auf Pitcairn haben sich die Nachfahren der Bounty-Meuterer eingerichtet.

Klaus Podak

Osterinsel, Pitcairn: übliche Touristenziele sind das nicht. Aber Zauberwörter sind das für jeden, der eine Weltreise macht. Diese selbst heute nur mit Glück und Mühe zu erreichenden Inseln bergen immer noch dunkle Geheimnisse. Die sonderbar-rätselhaften riesigen Steinfiguren der Osterinsel, die, starr und stumm dem Meer den Rücken zuwenden, sind bis heute nicht vollständig verstanden. Selbst die Geschichte der Besiedlung dieser Insel verliert sich im Dunkeln. Die Hieroglyphenschrift (rongo rongo) ist immer noch nicht entziffert.

9. Station: Osterinsel und Pitcairn: Einige Moais wurden zum Meer gedreht - Tourismus geht vor.

Einige Moais wurden zum Meer gedreht - Tourismus geht vor.

(Foto: Foto: Podak)

Dazu die menschenferne Einsamkeit. Das alles entzündet im reisefreudigen Köpfen Feuer der Begierden: einzutauchen in die Geheimnisse, die Einsamkeit selbst auf der Haut zu spüren. Einer der Namen, den die Bewohner ihrer Insel gegeben haben, ist "Te Pito o te Henua", "Nabel der Welt". Wer die Welt gesehen haben will, das ist die Konsequenz des träumerischen Denkens, der sollte doch auch ihren Nabel gesehen haben.

Augen am Nabel der Welt

Ein anderer Name der Insel ist "Mata ki te rangi", das heißt "Augen, die zum Himmel blicken". Diese Augen sind angeblich die Krater der drei Vulkane, die von oben gesehen das Gesicht der Insel bestimmen. Die gegenwärtigen Bewohner haben sich aber auf "Rapa Nui" geeinigt. Diesen Namen haben Seefahrer im 19. Jahrhundert aufgebracht, die sich an ein 5000 Kilometer weit westlich entferntes Eiland erinnert fühlten, das "Rapa Iti" heißt. "Iti" bedeutet "klein", "Nui" bedeutet "groß". "Osterinsel" aber nannte der Holländer Jakob Roggeveen die Insel, weil er sie am 5.April des Jahres 1722, einem Ostersonntag, aus dem Pazifik auftauchen sah.

Und Pitcairn? Karger, teils tropisch bewachsener steiler Fels in der Wasserwüste, benannt 1767 von einem Kapitän nach dem Leutnant, der den unwirtlichen, unbewohnten, lang gezogenen Brocken als erster gesichtet hatte? Da genügt als Stichwort "Meuterei auf der Bounty", um das abenteuerlustige Herz hüpfen zu machen. Sollten nicht, hörten wir, sogar noch 40 echte Nachfahren der Rebellen auf dem Felsen anzutreffen sein? Die Kinofilme über die Geschichte wurden übrigens nie dort gedreht. Zu abgelegen, zu schroff und abweisend ist die nicht sehr große Insel. Kein Spielfilmteam würde sich dort ausbreiten wollen, wo die Meuterer ihr Schiff verbrannten, damit keine Spur ihres Daseins sie der britischen Admiralität verraten konnte.

Die MS Deutschland schafft maximal 21 Seemeilen in der Stunde, das sind knapp 40 Kilometer stündlich, fährt aber nicht ständig in diesem Tempo. Man kann sich leicht ausrechnen, dass mehrere Tage auf den köstlich weiten Wassern notwendig waren, bis wir endlich ausrufen konnten: der Nabel der Welt, dieses so sehnlich erwartete Land, ist in Sicht. Gewaltige Strecken auf dem in diesem Fall dem Schiff wohlgesonnenen Pazifik waren zu durchmessen: etwas mehr als 3000 Kilometer bis zur Osterinsel, von dort noch einmal beinahe 3000 Kilometer bis nach Pitcairn.

Seetage also erst einmal. Für viele von uns gehören sie zu den schönsten der Reise. Stundenlang auf Wasser sehen, auf nichts als bewegtes Wasser, das kommt schon fast einer Therapie für die Seele gleich. Die Seele weitet sich, versucht, das Meer noch einmal in sich abzuspiegeln. Irgendwann ist dann aber wieder die Unterhaltung gefragt und wir fangen Schwätzchen mit den Tisch-, Sessel- und Liegestuhlnachbarn an. Spät nachts helfen auch die am südlichen Himmel verschwenderisch reich angebrachten Sterne stumm weiter. Die Schiffsleitung steuert auch die dem Sternenmeer zugewandte Wissbegierde der Reisenden.

Den Zeigefinger an den Sternen

Auf jedem Teil der Reise einmal werden zu später Stunde vorne auf Deck 10 und Deck 9, den beiden obersten, die Lichter gelöscht. Über Bordlautsprecher erzählt dann einer der Schiffsoffiziere, wen und was man da oben im Schwarzblau eigentlich sieht. Einen himmlischen Trick haben sich die Seeleute dazu noch ausgedacht: Sie richten ihre Scheinwerfer auf die Sterne und deren Bilder. Die feuchte Nachtluft verwandelt den Lichtstrahl in einen nebeligen Zeigefinger - und ein Stern oder ein ganzes Sternbild ist identifiziert. Das Kreuz des Südens vergisst man nun nicht mehr, findet es in der nächsten Nacht auch ohne den Nebelzeigefinger. Am nächsten Morgen eröffnet das große Meer mit seinen ständig changierenden vielen Farben in Blau dann wieder den Seetag.

9. Station: Osterinsel und Pitcairn: Vor Pitcairn, Insel der Nachkommen der Bounty-Meuterer, wird das Traumschiff freibeutergemäß von Souvenirhändlern geentert

Vor Pitcairn, Insel der Nachkommen der Bounty-Meuterer, wird das Traumschiff freibeutergemäß von Souvenirhändlern geentert

(Foto: Foto: Podak)

Die Osterinsel, da ist sie, Rapa Nui. An Bord haben wir uns vorbereitet, sind wir vorbereitet worden, durch Vorträge, durch kühne Hypothesen (meist die moais, die berühmten Steinfiguren betreffend), mit massenhaft Informationen. Halb fühlen wir uns schon wie Kenner des prinzipiell Unbekannten. An Land, wie immer, ist dann vieles anders. Die einsame Insel hat sich ganz gut mit dem Tourismus arrangiert. Den Bewohnern ist das zu gönnen. Wir mieten ein Taxi.

Alte Denkmäler mit neuem Blickwinkel

Die Einsamkeit weiter, struppiger, weideähnlicher Landschaft gibt es dennoch, kilometerlang. Kaum Tiere, ab und zu Trüppchen frei sich bewegender Pferde. In einen wichtigen Vulkan haben wir hinein gesehen, in den Krater des Rano Kau, in eines der "Augen, die zum Himmel blicken". Ein kleiner, pflanzenbedeckter See füllt den Krater aus, macht ihn wichtig als Süßwasserspeicher. Dann natürlich die gewaltigen moais. Stumm, augenlos starren sie ins Land hinein. Einige sind inzwischen so aufgestellt worden, dass ihre Gesichter nicht mehr ins Landesinnere auf die ehemaligen Kultstätten blicken, sondern aufs Meer hinaus. Das macht sich besser für Touristen.

Heute deutet man die moais als Ahnenfiguren, die über das Tun ihrer Nachfahren wachen. Den in jeder Hinsicht mächtigen, bis zu zehn Meter hohen Steinfiguren glaubt man sofort ihr Amt. Aber erst wenn man ihnen Augen gibt - die meisten haben keine -, werden sie lebendig, verströmen sie ihre Kraft über die Insel. Ihr mana saugen sie aus den Knochen anderer Vorfahren, die unter ihnen, in den Plattformen, auf denen die moais stehen, begraben liegen.

Auf der Insel gibt es die längste Landebahn in weiter Umgebung. Die Amerikaner haben sie gebaut als Notlandebahn für ihre Space Shuttles. Einmal im Jahr wird die Bahn von einer Concorde genutzt. Heute beginnt, übrigens ein Inselfest, das zwei Wochen dauern wird. Da rutschen Insulaner zum Beispiel halsbrecherisch einen steilen Berghang runter. Der Sieger oder die Siegerin bekommt tausend Dollar. Dieses Fest hat nichts mit für Touristen nachgestellten Mythen oder Sitten zu tun. Es soll reines Vergnügen sein, für die Insulaner allein. Zaungästen wird der Zugang nicht verwehrt. Aber wir müssen zurück.

Pitcairn, fertig zum Entern

Wieder an Bord, wieder zwei Tage auf See. Dann erscheint der Felsenzahn Pitcairns über den Wassern. Der Kapitän hatte noch mit sanfter Stimme versucht, seine Passagiere vom Anlanden abzubringen. Es kommen doch sowieso alle Pitcairner aufs Schiff, erzählt er über die Bordlautsprecher. Sie bieten ihre Handarbeiten und die Pitcairn-Kappen, die sie in China gekauft haben, bequem auf dem Schiff an. Doch nichts zu machen gegen den Willen der Abenteuerlustigen, zumal auch das Wetter mehr auf der Seite der Passagiere mitspielt. Die MS Deutschland liegt auf Reede. Die Pitcairner kommen. Wir tendern rüber.

Vier oder fünf Pitcairner sind doch auf der Insel zurück geblieben, nette alte Leute. Am Dorfplatz stehen drei, verkaufen die begehrten Briefmarken und ein paar Souvenirs, laben die durstigen Gäste freundlich und kostenlos mit Wasser, versorgen vor ihrem kleinen Postamt die Post. Gleichgültig, dass man nicht wissen kann, wann die Karten ankommen werden. Die Marken, die original Pitcairn-Stempel sind drauf. In der kleinen Kirche liegt unter Glas tatsächlich die alte Bibel der Meuterer, mit deren Hilfe die Insulaner ihr heutzutage sonderbar lustig verformtes Englisch lernten.

Der Bürgermeister, auch er, wie sein Name ausweist, ein echter Nachkomme des Meuterers Fletcher Christian sogar, fährt auf einem kleinen Traktor hin und her. Eines der wenigen Versorgungsschiffe, die die Insel anlaufen, ist ausgefallen. Die MS Deutschland überlässt den Insulanern Lebensmittel aus ihren reichen Vorräten. Als die an Bord gekommenen Pitcairner unser Kreuzfahrtschiff wieder verlassen, drehen sie mit ihrem Kahn noch eine Ehrenrunde und singen im Chor ein Lied als Dank. Fast schon mit Freundschaftsgefühlen im Bauch laufen wir aus, umrunden das denkwürdige Eiland noch einmal und fahren der Inselwelt Polynesiens entgegen.

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