40 Jahre Interrail:36.000 Rekord-Kilometer mit der Bahn

Als Flüge noch teurer waren als Züge, bedeutete Interrail vor allem für junge Leute die große Reisefreiheit. Manfred Weis nutzte das vier Wochen gültige Pauschalticket besonders intensiv - sein Bahnrekord im Guinness-Buch ist bis heute ungebrochen.

"Ein Urlaub ohne Bahnfahren ist für mich kein Urlaub" - Manfred Weis liebt das Dahinrollen auf Schienen. Anders ist nicht zu erklären, wie er als junger Erwachsener innerhalb von vier Wochen rund 36.000 Kilometer per Bahn quer durch Europa fahren konnte. Diese Bestleistung, vom Guinness-Buch der Rekorde anerkannt, erreichte er vor 25 Jahren mit einem Interrailticket. "Neben meiner achtmonatigen Weltreise war das das Beste, was ich bislang gemacht habe."

40 Jahre Interrail: Manfred Weis mit seinem Interrail-Rekord

Bahnfahrer aus Leidenschaft: Manfred Weis mit seinem Interrail-Ticket und der Urkunde, mit dem ihm der Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde bestätigt wird.

(Foto: dpa)

Also feiert auch er den 40. Geburtstag der Europa-Netzkarte. Bei der Fahrt ging es dem damals 26 Jahre alten Weis keineswegs nur um reine Kilometerfresserei: "Ich habe mir die Route schon nach Sehenswürdigkeiten zusammengestellt." So gut wie alle europäischen Hauptstädte hat er abgeklappert - von Stockholm über Paris nach Madrid und weiter nach Rom und Athen. "Es war nie Hetze, aber ich hatte immer was zu tun."

Dabei war er meist nachts auf Tour, was die Fahrt enorm verteuerte: Liege- oder Schlafwagenzuschläge sind im Interrailticket nicht inklusive. Das Projekt hat er generalstabsmäßig vorbereitet. Er wälzte Kursbücher, suchte sich wichtige Sätze in allen europäischen Sprachen zusammen, besorgte Bargeld in 16 Währungen - den Euro gab es damals noch nicht.

Nicht zuletzt hat er beim Guinness-Buch der Rekorde angefragt, wie er seine Leistung nachweisen muss - mit Fahrtenbuch, Schaffnern und Stempeln. Dass sein Rekord noch Bestand hat, wundert ihn. "Heute fahren die Züge doch schneller." Am Bahnfahren fasziniert Weis, dass die Welt an einem vorbeizieht und die Seele gut hinterherkommt.

"Nachts an irgendeinem Flughafen ankommen und gar nicht zu wissen, wo man eigentlich ist, finde ich schrecklich. Ich brauche die langsame Annäherung an ein Ziel." Bereits als Schüler nutzte er Interrail, um sich die Welt zu erschließen - und das hat er ausgebaut. Die Weltreise mit seiner Frau führte ihn per Bahn über Iran, Pakistan und China bis nach Hongkong. Er fuhr schon von Frankfurt bis nach Syrien, von Ägypten bis in den Sudan und mehrere Routen durch China. Nicht zuletzt ist Bahnfahren für Weis eine Kontaktbörse.

Unzählige Leute hat der selbständige IT-Berater auf seinen Reisen kennengelernt. Einige sind Freunde geworden. "Deshalb mag ich die Flugzeugsitze im ICE nicht, wo jeder für sich ist. Ich bin ein Freund der Abteile." Nur ein Problem macht dem Bahnfahrer zu schaffen.

Im Gegensatz zu vielen Reisenden empfindet er das gleichmäßige Rattern keineswegs einschläfernd. "Ich kann im Zug nicht richtig schlafen, selbst im Schlafwagen nicht", erzählt er. Auch auf seiner Rekordfahrt hat er kaum ein Auge zugetan. "Aber Reisen sind ja auch nicht zum Schlafen da."

Informationen über Interrail

Als vor 40 Jahren ein findiger Kopf die europäischen Bahnlinien mit dem Interrail-Ticket vernetzte, hat er nicht nur die Reiselust der Jugend angefacht - er hat auch den europäischen Gedanken befeuert. Jugendliche aus vielen Ländern sind sich in den Zugabteilen auf ihrem Weg kreuz und quer durch Europa nähergekommen - nachzulesen in ungezählten Internetberichten. Zusammengerechnet haben inzwischen laut einem Bahnsprecher fast acht Millionen Europäer den Interrail-Pass genutzt, davon rund 1,3 Millionen Deutsche.

Das Ticket kam am 1. März 1972 auf den Markt. Bereits in den Folgemonaten des Jahres verkaufte es sich 85.000 Mal. Damals kostete der Pass 235 Mark (ca. 118 Euro). Für viele Jugendliche öffnete sich damit ein Tor zur Reisefreiheit: Mit der Netzkarte rückten Metropolen wie London, Paris, Madrid und Rom in greifbare und vor allem bezahlbare Nähe. In den großen Ferien wurde erst gejobbt und dann der Rucksack gepackt.

Im vergangenen Jahr verkaufte die Eurail Group im holländischen Utrecht - die Vermarkter von Interrail - 248.000 Pässe. Doch das Angebot ist kaum noch vergleichbar mit dem der Anfangsjahre. Die Kunden können jetzt unter einer Vielzahl von Möglichkeiten wählen. Der Preis ist abhängig davon, wie viele Länder bereist werden und an wie vielen Tagen der Zug genutzt wird. Je nach dem kostet die Karte für Jugendliche zwischen 175 und 422 Euro. Diese Neuerungen wurden Stück für Stück eingeführt.

Bereits 1976 hoben die Organisatoren das Mindestalter von 21 auf 23 Jahre an, drei Jahre später durften Studenten bis zum Alter von 26 Jahren fahren, 1999 schließlich fiel die Altersbegrenzung vollständig weg. Auch das Geltungsgebiet wurde immer größer.

Mit 20 europäischen Ländern fing es an und schon zwei Jahre später kamen Norwegen, Rumänien und Marokko hinzu. Inzwischen gilt das Ticket in 30 Ländern. Seit 1985 können zudem neben Zügen auch einige Schiffspassagen auf der Ostsee und im Mittelmeer genutzt werden.

Spätestens mit dem Aufkommen von Billigflügen hat Interrail seinen Sonderstatus verloren. Zudem ist das Rucksack-Image dahin, seit es Interrail für alle gibt, und das sogar mit 1. Klasse. Trotzdem greifen noch immer vor allem Jugendliche zu dem Angebot. Nach Angaben der Bahn sind vier von fünf InterRailern unter 27 Jahre alt.

Links und Tipps zu Interrail finden Sie hier.

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